Ein lachendes und ein weinendes Auge
Die Bibliothek ist umgezogen

Die neue Bibliothek des Goethe-Instituts Kairo
Die neue Bibliothek des Goethe-Instituts Kairo | Foto: Goethe-Institut Kairo/Sabry Khaled

Am 17. und 18. August 2016 feierte die Bibliothek des Goethe-Instituts nach ihrem Auszug aus der El-Bustan-Straße in Downtown Kairo ihre Teileröffnung im neuen Gebäude in der Hussein-Wassef-Straße, Nähe Midan El-Missaha, in Doqqi. Die Bibliothek überrascht ihre Besucher mit zahlreichen Aktivitäten, die über das konventionelle Angebot von Büchern weit hinausgehen, darunter Spiele und eine Playstation.

Der Umzug der Bibliothek aus dem einen Gebäude ins andere war nicht ganz problemlos, wie die Leiterin Information & Bibliothek der Region Nordafrika-Nahost Sabine Reddel-Heymann erzählt: „Die größte Herausforderung bei den Vorbereitungen des Umzugs vom alten Standort der Bibliothek in Downtown an den neuen Ort in Doqqi war die Tatsache, dass wir viele Medien aussondern mussten. Von den 14.000 Büchern, Filmen und CDs haben im neuen Gebäude erst einmal nur 8.000 Platz. Die Planung sieht vor, dass die Bibliothek über zwei Etagen geht. Aber die zweite Etage der Bibliothek wird für eine Übergangszeit für Teambüros der Sprachabteilung benötigt - bis die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in eineinhalb bis zwei Jahren nach Renovierung der Weißen Villa wieder in ihr altes Gebäude zurückziehen können.“

Am Anfang taten sich die Bibliotheksmitarbeiterinnen schwer, Bücher und Materialen auszusortieren, sagt Reddel-Heymann: „Wir begannen uns von Büchern zu trennen, die nicht mehr in die neue Konzeption der Bibliothek passen. Ein Teil der wenig genutzen Bibliotheksbestände ging ins Lager – und wird dann direkt wieder in die  zweite Etage einziehen. Es ist schon schön zu wissen, dass uns bald deutlich mehr Raum als in Bustan zur Verfügung stehen wird.“

Bibliotheksleiterin Abier Megahed sieht es nicht als Problem, auf manche Bücher zu verzichten, da es so einige gegeben hätte, die entweder inhaltlich veraltet  oder verschlissen und daher kaum brauchbar gewesen wären oder wenig genutzt herumgestanden hätten: „Bücher wegzugeben ist nicht immer etwas Schlechtes. Es befreit auch  - und wir sind glücklich und freuen uns darauf, für den Ausbau der zweiten Etage in der Zukunft neue Bücher kaufen zu können.“

Papier vs. Technik

Für Bibliotheken sei es heutzutage generell keine große Sache mehr, auf Bücherzu verzichten, wie Reddel-Heymann erklärt, denn viel kann  mit moderner Technik ausgeglichen werden: „Der Weg, an Informationen zu kommen, hat sich verändert. Wir haben jetzt eine E-Book-Plattform, die sogenannte „onleihe“, über die man Bücher unabhängig von Öffnungszeiten jederzeit ausleihen kann. Das ist die Zukunft. In der Bibliothek zu sein heißt heute, dass man die benötigten Informationen über verschiedene Medien zur Verfügung stellt, nicht nur in gedruckten Büchern. In der neuen Bibliothek haben wir versucht, für die Besucher eine attraktive Umgebung mit hoher Aufenthaltsqualität zu schaffen; auch stellen wir Wifi und einen großen Bildschirm zur Verfügung, hier können Filme, Fernsehen oder Videoclips angeschaut oder Präsentationen gezeigt werden . Das gab es nicht am alten Standort. Wir besitzen jetzt auch einen Sonic Sound Chair, in dem die Besucher in intimer Athmosphäre Filme sehen, Spiele spielen oder Musik hören können. Über Laptops und Tablets, die in der Bibliothek ausgeliehen werden können, haben die Besucher auch vor Ort die Möglichkeit, auf digitale Angebote zuzugreifen. Außerdem gibt es eine Playstation, die jeder, der möchte, benutzen kann. Ich denke, dass die Bibliothek in ihrer jetzigen Form eine Bibliothek auf höchstem technischen Niveau ist, wie es sie auch in Deutschland gibt. Das ist etwas Neues in Ägypten.“

Die geringe Zahl an Büchern war das erste, was Herr Bassiouny (36 Jahre), bemerkte, als er die neuen Räumlichkeiten der Bibliothek das erste Mal betrat. Der Dozent am Institut für Sprachen und Übersetzung der Azhar-Universität und Forscher für deutschsprachige Islamstudien hatte viele Male den alten Standort in Downtown besucht: „Natürlich wird es sich bei der Arbeit der Forscher bemerkbar machen, dass es weniger Bücher gibt, aber das wird ja kompensiert durch die neuen  digitalen Angebote. Die Technik und das Internet machen es dem auch dem Forscher sehr viel leichter. Technik ist etwas Wunderbares. Was sollte die Bibliothek auch anderes sein als ein Ort, an dem sich das Internet und das Buch gegenseitig ergänzen!“

Der Sonic Chair in der neuen Bibliothek Der Sonic Chair in der neuen Bibliothek

Für Mohamed Nabil (22 Jahre), Sprachkursteilnehmer des Goethe-Instituts, war es das erste Mal in der Bibliothek und auch er zeigt sich begeistert: „Die moderne Technik in der Bibliothek gefällt mir sehr. Sie erleichtert es, passende Bücher, Filme, Lieder und Musik zu finden, die mir helfen, meine Sprachfähigkeiten zu verbessern. Der Sonic Sound Chair gibt mir das Gefühl, ein sehr wichtiger Besucher zu sein! Die verschiedenen Medien und Filme zur Verfügung zu haben ist wichtig für uns, damit wir uns an die deutsche Aussprache gewöhnen und das Sprechen üben können.“


Wichtige Abteilungen unter einem Dach

Nach so vielen Jahren in Downtown war es für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek nicht leicht, nach Doqqi umzuziehen, gibt Reddel-Heymann zu: „Der Umzug aus Downtown fällt der Mehrheit von uns schwer, weil dort, inmitten der Künstler, Buchhandlungen und Galerien, eine sehr inspirierende Atmosphäre herrscht. Die Umgebung des neuen Gebäudes ist anders, hier gibt es viele Schulen, kleine und größere Geschäfte, andere Kulturinstitute und ganz in der Nähe die Kairo Universität. Aber das ist gleichzeitig auch eine Chance für uns, ein neues Publikum zu erreichen und neue Partnerschaften zu schließen. Außerdem macht uns der Umzug zu Nachbarn der Sprachabteilung und das wird sehr nützlich sein. Die Distanz zwischen den beiden Abteilungen führte nämlich bislang dazu, dass nur wenige Sprachkursteilnehmerinnen und -teilnehmer die Bibliothek in Downtown besuchten.“

Dies bestätigt auch Nabil, für den der Umzug der Bibliothek der ausschlaggebende Faktor war um endlich einmal hier vorbeizuschauen. Anderthalb Jahre hatte er bereits in Doqqi gelernt ohne auch nur ein einziges Mal die Bibliothek in Downtown gesehen zu haben: „Ich lebe in El-Tagamua El-Khames und komme nach Doqqi um zu lernen. Vorher war die Distanz zwischen beiden Abteilungen und das verstopfte Downtown für mich ein Hindernis, in die Bibliothek zu gehen, aber jetzt kann ich direkt vor oder nach dem Unterricht hierherkommen.“

Nicht nur die Deutschlernenden des Instituts sehen den neuen Standort der Bibliothek als vorteilhaft. Auch Bassiouny, der sich daran gewöhnt hatte für seine Recherche nach Downtown zu fahren, bevorzugt Doqqi: „Das Bibliotheksgebäude in Downtown war sehr nahe am Tahrir-Platz und die Institutsleitung war in den letzten zwei Jahren mehrfach dazu gezwungen, die Bibliothek aufgrund der Sicherheitslage in Downtown zu schließen. Ich denke, dass die Lage hier in Doqqi ruhiger sein wird, der Bezirk ist weit genug vom Tahrir-Platz entfernt.“

Die Bibliothek des Goethe-Instituts will sich in Zukunft nicht auf die Bereitstellung von Informationen Print und digital beschränken, sondern sich für neue Nutzergruppen und neue Formate öffnen, sagt Megahed: „Wir planen, die Bibliothek sieben Tage die Woche für das Publikum offen zu halten. Einen Teil der Bibliothek wollen wir für Veranstaltungen nutzen und einen anderen den Besuchern zur Verfügung als Begegnungs- und Lernort. Wir waren noch nie eine von den Bibliotheken, die ihren Benutzern verbieten, sich zu unterhalten. Die Bibliothek soll ein Ort sein, den die Sprachkursteilnehmer/-innen genauso wie Student/-innen oder Intellektuelle nutzen können, um gemeinsam zu arbeiten und sich auszutauschen. Die Herausforderung besteht also darin, den verschiedenen Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werdenIch denke, wir versuchen hier eine neue Modell-Bibliothek zu schaffen, an der sich hoffentlich auch andere Bibliotheken in Ägypten ein Beispiel nehmen. Bücher bereitzustellen, reicht in der heutigen Zeit nicht mehr.  Eine zeitgemäße Bibliothek ist ein Ort, wo Informationen auf unterschiedliche Art  gewonnen werden – aus gedruckten und digitalen Medien, aber genauso auch aus dem Dialog zwischen Besuchern bei Veranstaltungen oder beim gemeinsamen Lernen. Das ist der Grundgedanke der neuen Bibliothek.“