Mohamed Abla im Gespräch mit Lilli Kobler
„Der Staat steht mit den Füßen auf dem Boden, Künstler*innen nicht.“
Anfang März 2024 hat der ägyptische Künstler Mohamed Abla angekündigt, die ihm 2022 verliehene Goethe-Medaille zurückgegeben, aus Protest gegen die Haltung der deutschen Politik zum Krieg in Gaza. In ihrem Antwortbrief auf Ablas Rückgabe betont Carola Lentz, Präsidentin des Goethe-Instituts, wie wichtig das Beibehalten des Dialogs heute sei und bringt ihre große Wertschätzung der Zusammenarbeit mit Mohamed Abla zum Ausdruck, mit dem man in Verbundenheit bliebe.
Die aktuelle Krise wirkt sich auch auf den Kulturdialog aus. Polarisierung und aufgeheizte Diskurse in der Region Nordafrika/Nahost und in Deutschland machen dies sehr schwierig. Was kann man gerade sagen, was nicht? Wer redet mit wem und wo steht man vor geschlossenen Türen? Wo schmerzt das Gespräch zu stark? Dialog zu führen, wo Meinungen und Perspektiven sehr unterschiedlich sind ist gar nicht so einfach. Und doch muss man ihn gerade heute führen – es bedeutet auch viel mehr, wenn man dies in schwierigen Zeiten schafft. Dialog in einfachen Zeiten ist keine solche Herausforderung. Menschliche Begegnungen, das Suchen von Gesprächen und das Zuhören sind dafür unerlässlich. Gespräche können Ängste und Hilflosigkeit abbauen. Und nur dann kann man auch darüber nachdenken, wie man gemeinsam oder auch unabhängig voneinander eine lebenswerte Zukunft für Gesellschaften, Kultur- und Bildungslandschaften gestalten kann.
Bei der Rückgabe der Medaille am 19. März 2024 führten die Leiterin des Goethe-Instituts in Nordafrika/Nahost, Lilli Kobler, und der ägyptische Künstler Mohammed Abla ein Gespräch, das wir hier in Auszügen wiedergeben.
Lilli Kobler: Guten Morgen, Mohamed Abla. Heute halte ich die Goethe-Medaille in den Händen, die Sie 2022 erhalten und heute als Protest gegen die Haltung der deutschen Regierung im Nahostkonflikt zurückgeben. Ihre Entscheidung können wir nachvollziehen und respektieren sie - ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie heute persönlich ans Goethe-Institut gekommen sind, um ein Gespräch mit uns zu führen. Wie geht es Ihnen gerade?
Mohamed Abla: Ich habe das Gefühl, dass es nicht genug ist, dass ich die Goethe-Medaille zurückgebe. Es ist merkwürdig, dass die Welt noch mehr Zeit braucht, um zu lernen. Ich habe immer geglaubt, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, aber Macht und Gier sind zu stark.
Lilli Kobler: Macht und Gier sind starke menschliche Emotionen, aber Sie sprechen im Rahmen der Rückgabe der Medaille auch von den Werten Goethes und in diesem Zusammenhang von "Menschlichkeit" – ist dies vielleicht ein Wert, der Menschen verbindet, egal woher sie kommen? Können damit Allianzen über unterschiedliche Meinungen hinweg geschlossen werden, die das gemeinsame Ziel haben, Leid zu beenden? Sie sprechen in dem Zusammenhang von einem langen Weg, der vor uns liegt - sicherlich vor uns allen. Wie sieht dieser Weg aus und welche Rolle kann Kunst und Kultur auf diesem Weg spielen?
Mohamed Abla: Künstler und Kinder können die Welt retten. Literatur und Kultur sind die einzige Hoffnung. Ohne Sprache, ohne zu erklären, kann man in der Kunst Botschaften lesen. Das Leben ist hart, aber Kunst macht es erträglich.
Lilli Kobler: Das verbindet uns. Daran glauben auch wir. Das Goethe-Institut als Kulturorganisation befindet sich immer in einer Art Vermittlerrolle: Wir arbeiten sowohl zu Deutschland, seiner Kultur und Gesellschaft und seinen Themen in einem internationalen Kontext, als auch zu unseren Gastländern und dem, was dort passiert.
Mohamed Abla: Man muss den Mittelweg finden. Die deutsche Politik ändert sich ständig: Es gibt sehr unterschiedliche Parteien und Meinungen. Wie kann das Goethe-Institut diesen Mittelweg finden? Es repräsentiert die deutsche Kultur, muss aber nicht die deutsche Politik repräsentieren.
Lilli Kobler: Das Goethe-Institut ist ein unabhängiger Verein, zu großen Teilen auch aus öffentlichen Mitteln finanziert. Kultur darf nie wieder missbraucht werden (können), das haben wir aus unserer Geschichte gelernt und deshalb ist uns diese Unabhängigkeit auch so wichtig. Wir müssen sie uns erhalten, gerade in einer Welt, in der sich Debatten immer stärker polarisieren. Wie sehen Sie das Verhältnis von Staaten und deren Politik auf der einen Seite und der Kultur und den Künstler*innen auf der anderen Seite?
Mohamed Abla: Künstler*innen sind immer gegen den Staat, weil sie träumen. Der Staat steht mit den Füßen auf dem Boden, Künstler*innen nicht.
Lilli Kobler: Wovon träumen Sie?
Mohamed Abla: Ich träume von einer Welt ohne Grenzen. Krieg wird es immer geben. Es gab aber Zeiten, da war Krieg notwendig. Dieser Krieg ist es nicht. Es ist klar, dass sich Israel in der Region anders integrieren muss. Vielleicht gibt es in 20 Jahren ein anderes Kräfteverhältnis.
Lilli Kobler: Krieg, Gewalt, Mauern und Grenzen führen nicht zu mehr Frieden. Das dadurch verursachte Leid hingegen ist unerträglich.
Mohamed Abla: Was ich will, ist einen kleinen Beitrag zur Verbesserung zu leisten. Vielleicht erfährt jemand in Deutschland davon, dass ich die Goethe-Medaille zurückgegeben habe, und denkt darüber nach.
„Einfach nur da zu sein reicht nicht.“
Lilli Kobler: Gibt es noch Fragen, die Sie an uns haben?
Mohamed Abla: Ich hoffe, das Goethe-Institut wird weiterhin eine Rolle spielen deutsche Kultur zu vermitteln. Einfach nur da zu sein reicht nicht. Es gibt von Deutschland noch viel zu lernen. Ich reise jedes Jahr nach Deutschland und gehe in die Museen. Man kann durch Reisen und Begegnungen viel voneinander lernen. In der Kultur sehen wir den Menschen.
Lilli Kobler: Verändert sich das gerade? Wollen Menschen noch mit deutscher Kultur zu tun haben?
Mohamed Abla: In der Tat, das Interesse oder die Bereitschaft nimmt sicherlich ab … Gerade jetzt wäre es wichtig palästinensischen Künstler*innen Räume und Plattformen zu geben.
Lilli Kobler: Das stimmt, wir versuchen in Projekten besonders jetzt den Austausch verschiedener Künstler*innen der Region zu unterstützen, auch mit palästinensischen Künstler*innen, die in unseren Projekten arbeiten – sei es in Gaza, der Westbank oder Künstler*innen, die sich auf die Flucht begeben haben.
Für mich ist diese Zeit in der Tat eine Art Zäsur, aber die menschlichen Begegnungen, der gelebte Dialog sei es in Deutschland, Ägypten oder anderen Teilen der Region sind unschätzbar. Auch wenn wir anderer Meinung sind und diese Unterschiede manchmal schwer auszuhalten sind, ist es wichtig, dass wir auch dazu weiterhin im Dialog miteinander stehen – nicht erklärend, sondern zuhörend und anerkennend, dass wir gerade unterschiedlicher Meinung sind. Das ist nicht einfach und erfordert auch Mut. Aber ich glaube, es gibt Menschen, die sich für solche längeren Begegnungen und Gespräche interessieren. Die Auseinandersetzung miteinander und mit unserer Geschichte ist wichtig.
Mohamed Abla: Nach meiner Rückkehr aus Deutschland 2006 habe ich deutsche Künstler*innen eingeladen für 6 Wochen in Ägypten zu leben, zu arbeiten und sich auszutauschen.
Lilli Kobler: Da haben wir ganz ähnliche Ideen, was zu tun ist, und ich hoffe wir können weiterhin unseren Beitrag dazu leisten.
Mohamed Abla: Ja, jeder leistet seinen Beitrag.
Die aktuelle Krise wirkt sich auch auf den Kulturdialog aus. Polarisierung und aufgeheizte Diskurse in der Region Nordafrika/Nahost und in Deutschland machen dies sehr schwierig. Was kann man gerade sagen, was nicht? Wer redet mit wem und wo steht man vor geschlossenen Türen? Wo schmerzt das Gespräch zu stark? Dialog zu führen, wo Meinungen und Perspektiven sehr unterschiedlich sind ist gar nicht so einfach. Und doch muss man ihn gerade heute führen – es bedeutet auch viel mehr, wenn man dies in schwierigen Zeiten schafft. Dialog in einfachen Zeiten ist keine solche Herausforderung. Menschliche Begegnungen, das Suchen von Gesprächen und das Zuhören sind dafür unerlässlich. Gespräche können Ängste und Hilflosigkeit abbauen. Und nur dann kann man auch darüber nachdenken, wie man gemeinsam oder auch unabhängig voneinander eine lebenswerte Zukunft für Gesellschaften, Kultur- und Bildungslandschaften gestalten kann.
Bei der Rückgabe der Medaille am 19. März 2024 führten die Leiterin des Goethe-Instituts in Nordafrika/Nahost, Lilli Kobler, und der ägyptische Künstler Mohammed Abla ein Gespräch, das wir hier in Auszügen wiedergeben.
Lilli Kobler: Guten Morgen, Mohamed Abla. Heute halte ich die Goethe-Medaille in den Händen, die Sie 2022 erhalten und heute als Protest gegen die Haltung der deutschen Regierung im Nahostkonflikt zurückgeben. Ihre Entscheidung können wir nachvollziehen und respektieren sie - ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie heute persönlich ans Goethe-Institut gekommen sind, um ein Gespräch mit uns zu führen. Wie geht es Ihnen gerade?
Mohamed Abla: Ich habe das Gefühl, dass es nicht genug ist, dass ich die Goethe-Medaille zurückgebe. Es ist merkwürdig, dass die Welt noch mehr Zeit braucht, um zu lernen. Ich habe immer geglaubt, dass sich die Geschichte nicht wiederholt, aber Macht und Gier sind zu stark.
Lilli Kobler: Macht und Gier sind starke menschliche Emotionen, aber Sie sprechen im Rahmen der Rückgabe der Medaille auch von den Werten Goethes und in diesem Zusammenhang von "Menschlichkeit" – ist dies vielleicht ein Wert, der Menschen verbindet, egal woher sie kommen? Können damit Allianzen über unterschiedliche Meinungen hinweg geschlossen werden, die das gemeinsame Ziel haben, Leid zu beenden? Sie sprechen in dem Zusammenhang von einem langen Weg, der vor uns liegt - sicherlich vor uns allen. Wie sieht dieser Weg aus und welche Rolle kann Kunst und Kultur auf diesem Weg spielen?
Mohamed Abla: Künstler und Kinder können die Welt retten. Literatur und Kultur sind die einzige Hoffnung. Ohne Sprache, ohne zu erklären, kann man in der Kunst Botschaften lesen. Das Leben ist hart, aber Kunst macht es erträglich.
Lilli Kobler: Das verbindet uns. Daran glauben auch wir. Das Goethe-Institut als Kulturorganisation befindet sich immer in einer Art Vermittlerrolle: Wir arbeiten sowohl zu Deutschland, seiner Kultur und Gesellschaft und seinen Themen in einem internationalen Kontext, als auch zu unseren Gastländern und dem, was dort passiert.
Mohamed Abla: Man muss den Mittelweg finden. Die deutsche Politik ändert sich ständig: Es gibt sehr unterschiedliche Parteien und Meinungen. Wie kann das Goethe-Institut diesen Mittelweg finden? Es repräsentiert die deutsche Kultur, muss aber nicht die deutsche Politik repräsentieren.
Lilli Kobler: Das Goethe-Institut ist ein unabhängiger Verein, zu großen Teilen auch aus öffentlichen Mitteln finanziert. Kultur darf nie wieder missbraucht werden (können), das haben wir aus unserer Geschichte gelernt und deshalb ist uns diese Unabhängigkeit auch so wichtig. Wir müssen sie uns erhalten, gerade in einer Welt, in der sich Debatten immer stärker polarisieren. Wie sehen Sie das Verhältnis von Staaten und deren Politik auf der einen Seite und der Kultur und den Künstler*innen auf der anderen Seite?
Mohamed Abla: Künstler*innen sind immer gegen den Staat, weil sie träumen. Der Staat steht mit den Füßen auf dem Boden, Künstler*innen nicht.
Lilli Kobler: Wovon träumen Sie?
Mohamed Abla: Ich träume von einer Welt ohne Grenzen. Krieg wird es immer geben. Es gab aber Zeiten, da war Krieg notwendig. Dieser Krieg ist es nicht. Es ist klar, dass sich Israel in der Region anders integrieren muss. Vielleicht gibt es in 20 Jahren ein anderes Kräfteverhältnis.
Lilli Kobler: Krieg, Gewalt, Mauern und Grenzen führen nicht zu mehr Frieden. Das dadurch verursachte Leid hingegen ist unerträglich.
Mohamed Abla: Was ich will, ist einen kleinen Beitrag zur Verbesserung zu leisten. Vielleicht erfährt jemand in Deutschland davon, dass ich die Goethe-Medaille zurückgegeben habe, und denkt darüber nach.
„Einfach nur da zu sein reicht nicht.“
Lilli Kobler: Gibt es noch Fragen, die Sie an uns haben?
Mohamed Abla: Ich hoffe, das Goethe-Institut wird weiterhin eine Rolle spielen deutsche Kultur zu vermitteln. Einfach nur da zu sein reicht nicht. Es gibt von Deutschland noch viel zu lernen. Ich reise jedes Jahr nach Deutschland und gehe in die Museen. Man kann durch Reisen und Begegnungen viel voneinander lernen. In der Kultur sehen wir den Menschen.
Lilli Kobler: Verändert sich das gerade? Wollen Menschen noch mit deutscher Kultur zu tun haben?
Mohamed Abla: In der Tat, das Interesse oder die Bereitschaft nimmt sicherlich ab … Gerade jetzt wäre es wichtig palästinensischen Künstler*innen Räume und Plattformen zu geben.
Lilli Kobler: Das stimmt, wir versuchen in Projekten besonders jetzt den Austausch verschiedener Künstler*innen der Region zu unterstützen, auch mit palästinensischen Künstler*innen, die in unseren Projekten arbeiten – sei es in Gaza, der Westbank oder Künstler*innen, die sich auf die Flucht begeben haben.
Für mich ist diese Zeit in der Tat eine Art Zäsur, aber die menschlichen Begegnungen, der gelebte Dialog sei es in Deutschland, Ägypten oder anderen Teilen der Region sind unschätzbar. Auch wenn wir anderer Meinung sind und diese Unterschiede manchmal schwer auszuhalten sind, ist es wichtig, dass wir auch dazu weiterhin im Dialog miteinander stehen – nicht erklärend, sondern zuhörend und anerkennend, dass wir gerade unterschiedlicher Meinung sind. Das ist nicht einfach und erfordert auch Mut. Aber ich glaube, es gibt Menschen, die sich für solche längeren Begegnungen und Gespräche interessieren. Die Auseinandersetzung miteinander und mit unserer Geschichte ist wichtig.
Mohamed Abla: Nach meiner Rückkehr aus Deutschland 2006 habe ich deutsche Künstler*innen eingeladen für 6 Wochen in Ägypten zu leben, zu arbeiten und sich auszutauschen.
Lilli Kobler: Da haben wir ganz ähnliche Ideen, was zu tun ist, und ich hoffe wir können weiterhin unseren Beitrag dazu leisten.
Mohamed Abla: Ja, jeder leistet seinen Beitrag.