Greenwashing
Grüne Lügen: Vertrauen ist schlecht, Kontrolle ist besser
Greenwashing täuscht nicht nur Verbraucher*innen, sondern steht auch echter Veränderung im Weg: Öko-Versprechen wie freiwillige Zertifizierungen haben der Öffentlichkeit lange vorgegaukelt, dass die Weltwirtschaft von sich aus grüner wird. Das ist allerdings nie eingetreten. Ein Gesetz soll es nun richten.
Von Kathrin Hartmann
„Save the Planet“ steht auf Hundefutter der Nestlé-Marke Terra Canis: Für jede verkaufte Fleischdose dieser Edition soll eine Spende in die Aufforstung von Wäldern, in die Produktion von Solarlichtern in Afrika oder die Ozeansäuberung fließen. Je mehr Fleischdosen gekauft werden, desto mehr Welt wird gerettet – dieser Anschein soll zumindest erweckt werden.
Was nicht auf der fleischhaltigen Hundefutter-Packung steht: Dass es gerade der immense und weltweit wachsende Fleischverzehr ist, der maßgeblich zur Zerstörung von Wäldern beiträgt. Diese werden unter anderem vernichtet, um Viehfutter wie Soja anzubauen, und das vorzugsweise in klimaschädlichen Monokulturen. Auch deshalb verursacht die Viehzucht laut der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) rund 14,5 Prozent der globalen Treibhausgasausemissionen.
Greenwashing nennt sich diese Strategie von Konzernen, die wie Nestlé versuchen, ihr umwelt- und klimaschädliches Kerngeschäft unter einem grünen Mäntelchen zu verstecken. Die Instrumente dafür sind unterschiedlich, die Funktionsweise aber immer dieselbe: Im Marketing wird das Umwelt-Engagement des Unternehmens mit schönen Worten und Bildern überbetont – das ebenso schädliche wie profitable Kerngeschäft hingegen wird nicht thematisiert. Konsument*innen wird so ein gutes Gewissen vermittelt. Dazu gehören auch wohlklingende Versprechen zur CO2-Reduktion. Selbst einige Öl-, Auto-, Beton- und Kohle-Konzerne versprechen heute „Zero Emissions“ bis 2050, dass ihre Industrien also bis 2050 keine Treibhausgase mehr ausstoßen werden. Auf ihr Kerngeschäft mit endlichen Rohstoffen wollen sie dabei nicht verzichten – sondern setzen darauf, ihre Emissionen etwa durch Aufforstungsmaßnahmen zu kompensieren. Der Umweltschaden, der durch den Abbau fossiler Brennstoffe entsteht, wird dadurch nicht vermieden. Und von zehn Aufforstungsprojekten scheitern neun.
Das leere Versprechen der Öko-Siegel
Greenwashing hat viele Gesichter. Einige Unternehmen greifen zu Spendenaktionen wie Nestlé, andere starten eigene Umweltprojekte oder arbeiten mit Naturschutzorganisationen zusammen. Zu einem wesentlichen Greenwashing-Instrument sind aber auch privatwirtschaftliche und freiwillige Zertifizierungssysteme geworden, wie es sie für Rohstoffe wie Holz, Palmöl, Soja, Baumwolle, Kakao, Kaffee und Tee gibt.
Solche Nachhaltigkeits-Siegel wecken nicht nur bei Verbraucher*innen besonderes Vertrauen – auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und sogar Teile der Politik haben bislang darauf gesetzt, dass sie die Wirtschaft auf einen nachhaltigen Weg lenken können. Das Argument: Wenn man Konzerne, die großen Schaden verursachen, mit solchen Initiativen dazu bringe, sich freiwillig an Umweltschutz- und Sozialstandards zu halten, könne die Zerstörung eingedämmt werden. Doch dieser Effekt ist bisher nicht eingetreten. Immer wieder stehen Zertifizierungsinitiativen zudem in der Kritik, weil sich herausstellt, dass die zertifizierten Produkte nicht oder nicht ausreichend nachhaltig produziert werden.
Selbstkontrolle funktioniert nicht
Vor einigen Jahren etwa warb die Tiefkühl-Firma Iglo noch damit, von jeder verkauften Packung Fischstäbchen ein paar Cent an ein Meeresschutzprojekt der Naturschutzorganisation WWF zu spenden. Heute verkauft Iglo nachhaltig zertifizierten Fisch mit MSC-Siegel. Das Label des Marine Stewartship Council prangt auf zwölf Prozent der Fischprodukte weltweit. Doch die Initiative wird seit Jahren kritisiert: 2012 belegte das Kieler Geomar-Institut, dass ein Drittel des MSC-zertifizierten Fischs aus überfischten Beständen stammt. Laut einem aktuellen Bericht der französischen NGO BLOOM werden bei 83 Prozent der MSC-zertifizierten Fänge zerstörerische Fangmethoden angewendet – etwa durch Schleppnetze von großen Industrieschiffen. Und das MSC-Label ist kein Einzelfall.
Im März 2021 legte Greenpeace die Studie „Destruction: Certified“ vor. Darin werden neun große Rohstoff-Zertifizierungssysteme untersucht, darunter der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl (RSPO), der Runde Tisch für verantwortliches Soja (RTRS), die Rainforest Alliance und das Forest Stewardship Council (FSC). Die Studie kommt zu dem Schluss, dass diese Systeme „ein schwaches Instrument gegen die globale Wald- und Ökosystemzerstörung“ darstellten. Die meisten der untersuchten Label erlaubten es den Firmen, mit ihren zerstörerischen Praktiken fortzufahren.
Der Grund dafür liege dabei nicht immer in zu schwachen Kriterien, sondern häufig auch in schlechter Umsetzung und Transparenz: Denn die Zertifizierungssysteme werden in ihren Gremien und Vorständen häufig von genau den Konzernen dominiert, die vom Abbau der Rohstoffe abhängig sind bzw. von diesen profitieren. So hat etwa der Runde Tisch für nachhaltiges Palmöl 1934 Vollmitglieder, darunter 973 Konsumgüter- und Handelsfirmen, 887 Palmölfirmen und 15 Banken – aber nur 50 NGOs. Entsprechend gibt es auch keine oder nur wenig wirksame Sanktionen, wenn die Mitglieder gegen die – oft ohnehin schwachen – Vorgaben verstoßen, die sie selbst mitbestimmen. Nicht mit in die Studie eingeflossen ist die Bio-Zertifizierung für Lebensmittel, die Greenpeace zufolge gut reguliert und sehr viel vertrauenswürdiger sei. Zwar gibt es auch daran Kritik – aber das Bio-Siegel ist staatlich, es gibt verbindliche Standards sowie Kontrollen und Sanktionen bei Verstößen.
Neue Gesetze statt Greenwashing
In den vergangenen 20 Jahren hat die freiwillige Verpflichtung von Unternehmen nichts nennenswert verändert – das hat nun auch die deutsche Politik erkannt und will Konzerne rechtlich verbindlich zur Verantwortung ziehen. Unter hohem Druck der Zivilgesellschaft verabschiedete die Bundesregierung im Sommer 2021 ein Lieferkettengesetz. Dieses soll Unternehmen dazu zwingen, ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette wahrzunehmen.
Lobbyverbänden der Industrie ist es zwar gelungen, den Gesetzesentwurf wesentlich abzuschwächen: Statt für Unternehmen ab 250 Beschäftigten gilt es zunächst nur für jene mit mindestens 3.000 Mitarbeiter*innen, es enthält keine zivilrechtliche Haftung und bezieht sich nur auf unmittelbare Zulieferbetriebe. Verhindern konnten sie es aber nicht. Die Zeit, in der freiwillige Verpflichtungen ausreichten, wird bald ablaufen.