Märchenhafte Wesen in Barcelona
Wer kennt sie nicht, die Figuren aus den Grimm’schen Märchen? Hänsel und Gretel und die böse Hexe, das arme Aschenputtel und ihre gemeinen Stiefschwestern, Frau Holle oder die Prinzessin und der verzauberte Frosch….
Zwei Figuren haben den Weg aus der Märchenwelt nach Barcelona geschafft und sind inzwischen so sehr Teil des Stadtbildes geworden, dass weder
Schneewittchen mit dem Rehkitz noch das
Rotkäppchen weiter auffallen.
Schneewittchen und die sieben Zwerge
Auf dem Plaza de Gal·la Placídia steht Schneewittchen neben einem Rehkitz. Die 1947 eingeweihte Skulptur des Bildhauers Josep Manuel Benedicto i Garcia ist eine Hommage an das Schneewittchen aus dem gleichnamigen Walt Disney Film, der 1938 entstanden war. Die sieben Zwerge und die sieben Berge müssen wir uns in unserer Fantasie dazu denken.
Jedes Kind kennt Sätze aus dem Märchen: „Wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ fragt ein Zwerg, als das hungrige Schneewittchen sich heimlich in das Haus schleicht und Essen stibitzt. Unvergessen auch der Satz der bösen Stiefmutter: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?“
Über Jahrhunderte vielleicht sogar Jahrtausende hinweg wurde diese und andere Geschichten mündlich weitergegeben, bis die Gebrüder Grimm auf die Idee kamen, sie zu sammeln und schriftlich festzuhalten.
Die Gebrüder Grimm
Jacob Grimm wurde 1785, sein Bruder Wilhelm ein Jahr später im hessischen Hanau geboren und stammen aus einer protestantischen Beamten-und Pfarrersfamilie.
Es waren bewegte Zeiten: Napoleon hielt seinen Siegeszug durch ganz Europa und bewirkte das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nationen. Eine neue politische Weltordnung trat in Kraft, aber viele ehemalige Bewunderer Napoleons wandten sich angesichts seiner kriegerischen Außenpolitik und anmaßenden Selbstkrönung zum Kaiser enttäuscht von ihm ab. So auch die deutschen Romantiker, zu deren Kreis neben den Grimm-Brüdern auch Bettina von Arnim und Clemens von Brentano gehörten. Man suchte nach einer deutschen Identität, die man den französischen Machthabern entgegenstellen konnte und fand sie in der deutschen Sprache und Mythologie.
Es war einmal…
Die deutsche Grammatik, ihr Wortschatz und ihre Märchen wurden von den Grimm-Brüdern genau erforscht. Sie sammelten alle Märchen und Geschichten, die sie finden konnten, schrieben sie auf und veröffentlichten sie erstmals 20.12.1812 unter dem Namen „Kinder und Hausmärchen“. Eine fruchtbare Quelle fanden sie in der Schneidersfrau Dorothea Viehmann, die den Brüdern unzählige Märchen erzählte. Ihre Vorfahren waren französische Hugenotten, deshalb gab es in der Sammlung auch viele französische Märchenvarianten. Heute aber wissen wir, dass einige Märchen wie z.B. Rumpelstilzchen oder Die Schöne und das Biest über 6000 Jahre alt sind und ursprünglich in einer Sprache erzählt wurden, aus der Deutsch, Englisch, Französisch etc. erst hervorgegangen sind.
Zunächst aber waren die veröffentlichten Märchen ein reines Forschungsprojekt und zum Vorlesen für Kinder kaum geeignet. Die Brüder machten sie dem größeren Publikum erst zugänglich, nachdem sie moralisch zweideutige Passagen weggelassen und viele Illustrationen hinzufügt hatten. Außerdem begannen die Märchen jetzt mit dem typischen: Es war einmal … und endeten mit dem Schlusssatz: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute beendeten.
Ab 1830 wuchs die Leserschaft stetig an. Heute ist das zweibändige Grimm‘sche Märchenbuch in mehr als 160 Sprachen übersetzt und neben der Bibel und dem Koran das meistgelesene Buch auf der Welt.
Bruderliebe
Ihr ganzes Leben lang verbrachten die Brüder zusammen und trennten sich nur ungern voneinander. Als Jacob Grimm zu einem Quellenstudium nach Paris gerufen wurde, hielt er es dort nur kurze Zeit ohne seinen Bruder aus. Seither beschlossen sie, sich niemals wieder zu trennen.
Ihre Schwester Lotte führte den beiden den Haushalt, bis sie heiratete. Daraufhin nahm Wilhelm kurz entschlossen seine Nachbarin Dorothea Wild zur Frau und alle drei lebten glücklich zusammen bis an ihr Lebensende!
Die Göttinger Sieben
Jacob und Wilhelm Grimm gehörten zu den „Göttinger Sieben“. Das war eine Gruppe von sieben Professoren, die gegen die Aufhebung der vier Jahre zuvor eingeführten liberalen Verfassung im Königreich Hannover protestierten. Die Brüder wurden deshalb vom König Ernst August I 1837 des Landes verwiesen und durften ihren Beruf als Professoren nicht mehr ausüben. Die Solidarität in der Bevölkerung war sehr groß, man sammelte Geld für Jacob und Wilhelm, um ihnen ihr Gehalt zu bezahlen. Drei Jahre später wurden sie vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV empfangen und rehabilitiert. Der Ruf der Göttinger Universität hatte durch die Entlassung der sieben hervorragenden Professoren auf lange Zeit großen Schaden angenommen.
Übrigens
So weiß wie Schnee so rot wie Blut so schwarz wie Ebenholz… so wünschte sich die Königin ihre Tochter. Ebenso weiß und ebenso schön wie Schneewittchen ist die
Rose, die ihren Namen trägt.
Rose "Schneewittchen"
Quelle:
Planet Wissen
© Text: Ulrike Fiedler, Annette Gutmann