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Band des Monats
Apsilon

Kopf eines jungen Mannes vor einem nächtlichen Großstadt-Hintergrund
© Jumandy Guitarra

Apsilon, bürgerlich Arda, ist 1997 geboren und in Berlin-Moabit aufgewachsen. Die Gegend hat ihn nachhaltig geprägt und spielt in seinem Leben wie in seiner Musik eine wesentliche Rolle. Seine Großeltern kamen als türkische Gastarbeiter*innen in den 1970er Jahren nach Deutschland. Der Berliner Rapper hat als Kind schon gerne geschrieben und früh in seinem Leben eine Faszination für Reime entwickelt. Durch die damalige Berliner Rap-Landschaft stark beeinflusst fing er dann mit 14 Jahren an, eigene Rap-Texte zu verfassen. Diese behielt er aber lange Zeit bloß für sich, um ein für ihn zufriedenstellendes Niveau zu erreichen, bevor er sie für öffentlichkeitsreif befand.
 

Von Michel Lorenz-de Laigue

Anfänge: Frühe Faszination fürs Schreiben, Gastarbeiter in Almanya


Im Jahre 2021 wurde der junge Künstler über Twitter vom Rapper und Produzenten Ahzumjot entdeckt, was ihm zu einem ersten kleineren Durchbruch verhalf. Im Zuge dessen veröffentlichte er seine erste Doppelsingle Sport / Ich leb über das Label Four Music. Im Jahre 2022 folgte dann die erste EP Gast mit insgesamt sechs Songs, unter anderem das vielgehörte Lied Köfte, in dem Apsilon die prekären Lebens- und Arbeitsbedingungen der Gastarbeiter*innen, sowie die seiner Großeltern anprangert:

Opa für drei Groschen am Tag malochert
Jeden Monat bis zur Ohnmacht für den Tagelohn, ah
Kohlenstaub geschluckt für euren Nachkriegswohlstand
Minusgrade draußen, Minusgrad im Thorax

Hip-Hop: Heimat, Gefühle, Kiez und Politik


In dem Text findet Apsilon auch Worte für seine zerrissene Identität und seinen komplizierten Bezug zu Heimat:

Ich brauchte dreiundzwanzig Jahre, bis ich merkte, dass ich statt zwei'n
Keine Heimat habe außer meiner eignen Straße
Und den Kiez, in dem wir war'n, ja, die Beats, auf die ich sprach


Persönliche Probleme, Selbstzweifel und Zerrissenheit, auch multikultureller Natur, trägt Arda in sich und besingt sie. Er hält nicht viel von Nationalstolz und vom Heimatbegriff, wenngleich er sich in türkischer Musik und Deutschrap, bei Freund*innen und Familie, aber vor Allem auch in seinem Kiez in Berlin-Moabit beheimatet fühlt. Dieser findet in seinen Songs oft Erwähnung, mal um soziale Missstände zu beleuchten, mal um ihn zu würdigen, mal beides, wie auf der 2023 veröffentlichten Blei EP, nach Gast und 32 Zähne EP seine dritte EP:

Almanya hat uns nie geliebt
Wir hab’n Love in Moabit
Generell schreibt Apsilon viel über soziale Ungerechtigkeit, über das Leben migrantischer Menschen in Deutschland und den strukturellen Rassismus, mit dem jene konfrontiert sind. Seine Texte sind meist hochpolitisch und kapitalismus- und gesellschaftskritisch, aber nicht ausnahmslos. Dem Künstler, der sich vor seiner Musikerkarriere bereits regelmäßig politisch in linken Kreisen engagierte, ist die Auseinandersetzung mit diesen Themen in seinen Liedern wichtig: „Ich sehe den musikalischen, aber auch den politischen Teil als essenzielle Bestandteile meines Wesens und meiner Lebenswelt an. Somit ist es logisch für mich, dass ich beide Teile von mir in der Musik verbinde.

Es ist kein Zufall, dass Apsilons Musik teilweise der Stempel des Conscious-Rap aufgesetzt wurde, also Rap, der sich bewusst mit gesellschaftspolitischen Themen beschäftigt. Jedoch begrüßt der Rapper diese oft hierarchische Trennung zwischen vermeintlich intellektuellem, politischem Conscious-Rap und vermeintlich plumpem, gewalttätigem und protzigem Gangsta-Rap nicht. Vielmehr spiegele letzteres Genre die Lebensrealität der Rapper, sowie gesamtgesellschaftliche Verhältnisse wider, so auch die Verschränkung von Statussymbolen, Klassenzugehörigkeit und gesellschaftlichem Ansehen. Dennoch gilt für den Rapper insgesamt das Credo: „Musik sollte man generell nicht nach ihrem politischen Gehalt bewerten.“ Der Rapper macht keine Priorität daraus, notwendigerweise gewisse Messages in seiner Kunst zu verbreiten. Denn für Apsilon steht die Musik im Vordergrund, und diese soll zunächst einmal gut klingen und Gefühle vermitteln, bzw. wecken können: „Ich möchte aus künstlerischer Sicht authentische Emotionen vermitteln. Das ist der Vorteil von Musik und vor allem auch von Hip-Hop.

Weinende Väter


Stichwort Emotionen. Diese werden in migrantisch geprägten Kiezen, wo Menschen zahlreichen sozialen Problemen ausgesetzt sind, oft verdeckt, wie es Apsilon auf dem sich auf der Blei EP befindenden Feature 90 Kilo mit dem Berliner Rapper LUVRE47 poetisch ausdrückt:

Straßen hier hab'n Narben, ja, die Menschen, die hab'n Make-up (Yeah)
Tränen hat man hier nicht, ja, das hat man von den Vätern


Diese Zeile nahm inhaltlich die bisher mit Abstand meistgehörte Single des Rappers vorweg: Baba. In diesem gefühlvollen und ergreifenden Lied besingt Arda die komplexe Beziehung zu seinem Vater, den er für sein Durchhaltevermögen bewundert, aber vor Allem liebevoll dafür anprangert, zu viel einzustecken, ohne sich genug zu öffnen, um seine Gefühle und Leiden anzusprechen. Eine vermeintlich typisch männliche Verhaltensweise, die Apsilon teilweise übernommen hat, aber auch zu überwinden und durchbrechen versucht, ganz nach dem Motto: Auch Männer können (müssen?) weinen.
Mein Baba hat ein'n starken Rücken
Der schleppt viel mit sich rum bei Nacht
Ich wünscht, er wär ein bisschen schwächer
Dann hätt's ihn nicht kaputtgemacht
Ich wünscht, er wär ein bisschen echter
Dann könnt ich bisschen schwächer sein
Ich wünscht, er würd nicht immer lächeln
Dann könnt ich Schmerz, der echt ist, zeigen
Ich wünscht, er würd nicht immer renn'n
Und sich dabei die Beine brechen
Ich wünscht, er hätte mir gezeigt, ja
Dass man als Baba weint in echt


Im Musikvideo ist der Künstler mit seinem Großvater, der ihm mit gekonnten Handgriffen den Bart rasiert, zu sehen. So entsteht eine ruhige, aber bewegende und aussagekräftige Begegnung zweier Generationen. Für das Musikvideo startete Apsilon auch eine Aktion, bei welcher der Songtext von Zuhörer*innen in ihre jeweiligen Muttersprachen übersetzt werden konnte, sodass so viele Babas wie möglich das Lied uneingeschränkt verstehen und auf sich wirken lassen können.

Der fast ausschließlich gesungene Song wich stilistisch etwas von den vorangegangenen Releases ab, wo die Beats oft mehr am Trap angelehnt waren. Apsilon entwickelt sich aber stetig neu und hat einen hohen künstlerischen Anspruch an seine Musik. So legt er viel Wert auf jeden einzelnen Bestandteil: Texte, Melodien und die konzeptionelle Arbeit hinter Songs und Alben. Aufgrund dieser Ansprüche erblickt sein Debütalbum Haut wie Pelz erst dieses Jahr im Oktober das Licht der Welt. Mit dem Album wird zudem ein 200-seitiges Magazin publiziert, mit Text- und Fotobeiträgen diverser Redakteur*innen und Personen des öffentlichen Lebens wie Enissa Amani oder Tahdur.

Wo geht es für Apsilon zukünftig hin? Im November 2024 erst einmal auf Tour, um das Album auf die Bühne zu bringen. Und danach wieder unbefristet in seinen Kiez in Moabit.

 

Diskografie

Album
2024 Haut wie Pelz

EPs
2022 Gast
2022 32 Zähne EP
2023 Blei EP

Singles (Auswahl)
2021 Sport
2021 Kes
2021 Sonne Gold
2022 Problem
2022 BLBH (mit Wa22ermann)
2022 Zahnfleisch (mit Xaver)
2023 Blaurot (mit Wa22ermann)
2023 Ein Fuß vor den anderen (mit Bazzazian)
2023 Zufall
2023 90 Kilo (mit Luvre47)
2023 Baba
2024 Grau (mit Paula Hartmann)

Band des Monats auf Spotify

Hände und Gitarre © Colourbox.com, ldutko Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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