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Arbeiten wie Kafka
Zehn Genies mit verrückten Brot-Berufen

Genies mit verrückten Brot-Berufen
Was haben Franz Kafka, Mayim Bialik, Mark Twain, Stella Rimington und Geoffrey Owens gemeinsam? Sie alle sind Genies mit verrückten Brot-Berufen! | Collage: Tobi Schrank © Goethe-Institut

Franz Kafka war nicht nur Schriftsteller, sondern hat während seines ganzen Lebens nebenbei arbeiten müssen, um über die Runden zu kommen. Damit war er nicht allein. Zehn Beispiele für kreative Köpfe mit eintönigen und abwegigen Jobs.

Von Guillermo Martínez

Franz Kafka (1883–1924), Autor von Die Verwandlung, Der Process und Das Schloss, der erste moderne Schriftsteller“ – das ist vielleicht die gängigste Beschreibung der Tätigkeit des Prager Künstlers. Eine andere wäre: „Kafka, der Angestellte der Arbeiterunfallversicherung“. Jenseits seiner Leidenschaft für das Schreiben erledigte er hier tagein tagaus unvorstellbar langweilige und eintönige Büroarbeit. Zwischen 1908 und 1922 ging er jeden Tag von 8 Uhr bis 14 Uhr ins Büro, um sich zu seinen wenigen Einnahmen als Schriftsteller ein regelmäßiges Gehalt dazu zu verdienen. Aber das war nicht sein einziger gewöhnlicher Job. Im Jahr 1911 arbeitete er zeitweise in der Leitung des Familienunternehmens Prager Asbestwerke Hermann & Co.

Von der Arbeit inspirierte Romane

Auch wenn Mark Twain (1835–1910) weltweit als der Autor von unsterblichen Romanen wie Tom Sawyers Abenteuer oder Die Abenteuer des Huckleberry Finn bekannt ist, begann er seine Laufbahn in verschiedenen Berufen meilenweit entfernt von der Schriftstellerei. Samuel Langhorn Clemens, wie der US-amerikanische Schriftsteller eigentlich hieß, war Kapitän eines Dampfschiffes, Soldat im amerikanischen Bürgerkrieg, Minenarbeiter in Nevada, Holzhändler und zuletzt Journalist.

Stella Rimington (*1935) schrieb ihren ersten Roman im Jahr 2004. Lange Zeit zuvor, zwischen 1992 und 1996, war sie die erste Frau, die jemals den britischen Geheimdienst, besser bekannt als MI5, leitete. Diese Erfahrung inspirierte die Londonerin Stella Whitehouse, wie sie hieß, bevor sie heiratete, zu ihrem ersten großen Roman, der von einem perfekt getarnten Terroranschlag handelt. Der Roman trägt den Titel Stille Gefahr. Weitere Kriminalromane folgten.

Aller Anfang ist schwer

Erst Sekretärin im Pentagon und Coversängerin, dann erfolgreiche Schauspielerin. Das sind die Erfahrungen, die Taraji P. Henson (*1970) gesammelt hat. Abends sang und tanzte sie auf einem Kreuzfahrtschiff, während sie morgens – so wie einige ihrer Familienangehörigen auch – für die Regierung arbeitete. 2001 wurde sie durch ihre Rolle in dem Film Baby Boy schlagartig berühmt.

Henry Miller (1891–1980) gehörte zu den Schriftstellern, die im 20. Jahrhundert unter den Zensurbehörden zu leiden hatten. Aber zuvor stieg er bis zum Personalchef der Western Union Telegraph Company auf. Der Autor von Büchern wie Im Wendekreis des Krebses oder Im Wendekreis des Steinbocks fand erst in seinen Vierzigern seinen Weg zur Literatur. Der provokative Inhalt seiner Bücher wurde zwar von der Zensur verboten, hatte aber trotzdem Einfluss auf die Schriftsteller der sogenannten Beat Generation.

Langeweile in Großraumbüros

Der Fall von Wallace Stevens (1879–1955) unterscheidet sich nicht maßgeblich von dem unseres Protagonisten Kafka. Der US-amerikanische Dichter war ebenfalls in der Versicherungsbranche tätig, genauer gesagt bei der Hartford Accident and Indemnity Company, wo er als Anwalt arbeitete. Tatsächlich war er dort bis zu seinem Tod beschäftigt, so dass er ein Leben lang seine Leidenschaft für die Literatur mit der Büroarbeit unter einen Hut bringen musste.

Und was wäre gewesen, wenn Harper Lee (1926–2016) weiter ihrem Job als Telefonistin bei einer Fluglinie nachgegangen wäre, wo sie die Ticketreservierungen entgegennahm? Wir hätten sicherlich nie Werke wie Wer die Nachtigall stört gelesen. Harper Lee verließ die Eastern Airlines nur, weil ein Freund ihr riet, sich eine Auszeit für ihre literarische Karriere zu nehmen. Sie folgte seinem Rat, und kurze Zeit später veröffentlichte sie ihr berühmtestes Buch.

Person und Rolle verschmelzen

Der Name Mayim Bialik (*1975) ist vielleicht weniger bekannt als der Name Amy aus der Serie The Big Bang Theory. Aber es handelt sich um ein und dieselbe Person: Mayim Bialik spielt die Rolle der Amy. Die Kalifornierin hat sieben Jahre lang studiert und ist von Beruf Neurowissenschaftlerin. Mittlerweile verbindet sie ihre Schauspielkarriere mit ihrer akademischen Ausbildung, indem sie in verschiedenen Formaten wissenschaftliche Themen verständlich erklärt.

Geoffrey Owens (*1961) wurde durch seine Auftritte in der bekannten The Cosby Show berühmt. Nur wenige wussten damals, dass er davor in einem Supermarkt der Kette Trader Joe‘s gearbeitet hatte. Als er das öffentlich zugab, machten sich in den sozialen Medien viele Menschen über ihn lustig. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten: Bekannte Gesichter aus der Unterhaltungsindustrie und viele andere User*innen der sozialen Medien unterstützen ihn. „Es gibt keine Berufe, die besser sind als andere. Jede Arbeit ist wichtig und wertvoll“, betonte der Schauspieler später.

Noch aktueller ist Peter Hein (*1957), Sänger der deutschen Punkband Fehlfarben. In einem Interview im Spiegel versicherte er, dass er niemals von der Musik alleine leben könnte. „Davon kannst du vielleicht mal in den Urlaub fahren, mehr nicht“, brachte er es auf den Punkt. Er werde immer auch noch einen anderen Job haben: „Vor den Fehlfarben, während der Fehlfarben, und danach auch“, sagte er mit Bezug auf den Erfolg der Band vor einigen Jahrzehnten. Lieber ein Arbeiter mit einem prekären Leben sein als ein Popstar, so die Entscheidung des Punksängers. So erfuhr er am eigenen Leib wie Wirtschaftskrisen immer zuerst die schwächsten auf dem Arbeitsmarkt treffen.

Von der Kunst zu leben, egal ob von Film, Literatur oder Musik, ist grundsätzlich nicht leicht, zumindest zu Beginn. Manchmal aus Berufung, aber meistens aus reiner Notwendigkeit, sehen sich viele später gefeierte Persönlichkeiten gezwungen, zumindest zeitweise in anderen Bereichen ihr Brot zu verdienen. Einige schaffen es, beide Facetten zu verbinden. Dass die Arbeit nicht unbedingt mit der Inspiration und Imagination im Widerstreit steht, hat Kafka selber gezeigt. Wie viele Menschen mit einem auf den ersten Blick einfachen und langweiligen Job verstecken wohl eine ganz andere kreative Welt in ihrem Innern?

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