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Nachhaltiger Tourismus
Eine alternative Art des Reisens fördern

Übertourismus hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt.
Übertourismus hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt. | Foto (Ausschnitt): pierrelaurentdurantin

Um den ökologischen Herausforderungen und den neuen Erwartungen der Reisenden gerecht zu werden, tritt der Tourismussektor allmählich in die Ära der nachhaltigen Entwicklung ein. Seltenere oder nähere Reisen, Gebäudeanpassungen, eine optimalere Handhabung bezüglich Ressourcen und Abfall, die Umsetzung der Grundsätze des fairen Handels... Die Initiativen engagierter Akteure vervielfachen sich.

Von Aurélie Le Floch

Im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung steht der Tourismus-Sektor vor vielfältigen Herausforderungen: Das kontinuierliche Wachstum des Flugverkehrs, die Zunahme von Kreuzfahrten oder die hohen Besuchszahlen bestimmter Orte (Übertourismus) haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, wie der übermäßige Flächenverbrauch bzw. die Veränderung natürlicher Lebensräume oder der Druck auf natürliche Ressourcen.

„Als weltweit führendes Land in diesem Sektor kann Frankreich eine Zukunftsvision aufzeigen", betont Guillaume Cromer, Vorsitzender der Organisation Akteure des nachhaltigen Tourismus (Acteurs du Tourisme durable) und Geschäftsführer des Ingenieurbüros ID-Tourisme. „Wollen wir weiterhin einen günstigen Massentourismus anbieten oder stellen wir uns einen anderen Weg vor?“ Sein Verband vereint 150 Mitglieder, professionelle Akteure aus dem öffentlichen wie privaten Sektor, die aus verschiedenen Sparten innerhalb des Tourismusbereichs kommen. Diese Verbandsstruktur zielt darauf ab, das Konzept der nachhaltigen Entwicklung in der Tourismusindustrie zu fördern sowie innovative und leicht reproduzierbare Lösungen zu testen und bekanntzumachen, um Entscheidungsträger zu inspirieren.

Der Tourismussektor angesichts des Klimawandels

„Offiziell interessiert sich der Tourismus seit dem UN-Umweltgipfel von Rio de Janeiro 1992 für die Frage der nachhaltigen Entwicklung“, erklärt Guillaume Cromer. „Konkret sind wir bei der Unterzeichnung des Übereinkommens von Paris im Jahr 2015 etwas im Abseits geblieben. Heute brauchen wir als Antwort auf das Umweltbewusstsein in der Gesellschaft zahlenbezogene Ziele und starke Maßnahmen.“
Um den Weg zu einem nachhaltigen Tourismus zu ebnen, geht es zunächst einmal darum, gut durchdachte Reisen zu begünstigen oder sogar einen Teil der Reisen an näher gelegene Ziele zu verlegen, um die Auswirkungen des Flugverkehrs, der ein großer CO2-Emittent darstellt, zu verringern. Einige französische Gemeinden, die die nachhaltige Entwicklung zu einem strategischen Schwerpunkt ihrer touristischen Entwicklung gemacht haben, setzen ebenfalls auf den intermodalen Verkehr, um zu vermeiden, dass Urlauber mit dem Auto fahren.

Der Sektor muss sich auch an den Klimawandel (zum Beispiel häufigere Hitzewellen) anpassen, indem Gebäude nach den Prinzipien der bioklimatischen Architektur entworfen werden oder indem die Begrünung von bebauten Flächen vorangetrieben wird. „Auch immer mehr Provider übernehmen das Gütesiegel „Clef Verte“ oder das europäische Umweltzeichen, das an Fachleute vergeben wird, die sorgfältig auf ihren Wasser- und Energieverbrauch achten", stellt Guillaume Cromer fest.
Ozeane und Traumstrände versinken in dem Müll, den wir selbst – auch als Touristen – produzieren. Ozeane und Traumstrände versinken in dem Müll, den wir selbst – auch als Touristen – produzieren. | Foto (Ausschnitt): Artem Beliaikin
 

Ressourcen schonen und Abfall reduzieren

Ressourcenschonung bedeutet auch, den verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln wie auch die durch den Tourismus verursachten Abfälle zu reduzieren. Frédéric Bischoff, der Geschäftsführer eines Gästehauses in La Turballe an der Atlantikküste, gehört seit kurzem der Zero-Waste-Bewegung an: „In drei Jahren habe ich einen recht langen Weg zurückgelegt“, erzählt er. „Einige Dinge, die mir unvermeidlich vorkamen, erscheinen mir jetzt absurd, wie das systematische Aufstellen kleiner Plastik-Wasserflaschen auf den Nachttischen oder die Bereitstellung von Einweg-Duschhauben. Ich habe auch Teebeutel und Portionsbutter durch lose Produkte ersetzt. Beim Einkaufen in Bioläden, auf Märkten oder bei regionalen Erzeugern stößt man kaum auf verpackte Waren. Außerdem stelle ich mein Waschmittel mit Waschsoda, Marseille-Seife und schwarzer Seife selbst her. Ergebnis: Der vom Haus produzierte Abfall der gesamten Saison 2019 hat in einen kleinen Mülleimer gepasst!“

Indem Frédéric Bischoff „lokal“ konsumiert, reduziert er seine Ausgaben und trägt zur Erhaltung eines dynamischen Wirtschaftsgefüges in der Region bei. Das bringt auch die Möglichkeit mit sich, seine Einkäufe mit einem Lastenfahrrad, einem umweltfreundlichen Verkehrsmittel, zu transportieren. Letztlich konnte er das Niveau der von ihm angebotenen Dienstleistungen heben. „Ich habe das Glück, eine Nischenkundschaft zu haben, die sich dieser Probleme bereits bewusst ist und die mich in meinem Vorhaben unterstützt“, stellt er klar. „Das ist ziemlich erfreulich!“

Dem Urlaub einen Sinn geben

Über die Umweltaspekte hinaus beinhaltet das Konzept der nachhaltigen Entwicklung eine wichtige soziale Komponente. Der Verband für fairen und solidarischen Tourismus (Association pour le Tourisme Équitable et Solidaire) fördert eine Form des Tourismus, die gemeinsam mit lokalen Akteuren aus dem Ausland aufgebaut und gestaltet wird: „Unsere Reiseveranstalter-Mitglieder bieten Aufenthalte von mindestens zwei Wochen in sehr kleinen Gruppen an, die das Eintauchen in die Welt der Einheimischen ermöglicht, damit Letztere von den wirtschaftlichen Vorteilen profitieren können“, erklärt Caroline Mignon, die Direktorin des Verbandes. „Es werden Sätze berechnet, die eine faire Vergütung der lokalen Akteure nach den Grundsätzen des fairen Handels gewährleisten.“

Gleichzeitig fließen drei bis fünf Prozent des für jeden Aufenthalt gezahlten Betrags in einen Entwicklungsfonds, der für nachhaltige Gemeinschaftsprojekte bestimmt ist, unterstützt von lokalen Partnern, die die Bedürfnisse der Bevölkerung frühzeitig erkannt haben (die Installation eines Solar-Ofens oder eines Bewässerungssystems, die Ausbildung von Frauen, damit sie Leitungspositionen von  kleinen Handwerksbetrieben übernehmen können, der Kauf von Schulausrüstung usw.). „Dieser Ansatz trägt dazu bei, die soziale Rolle der Frauen zu stärken, die sich in erster Linie beim Empfang von Reisenden engagieren, insbesondere als Reiseleiterinnen. Dies begrenzt auch die Landflucht von Männern, indem Familien eine ergänzende Tätigkeit zur Landwirtschaft angeboten wird. Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass der Tourismus nicht zu ihrer Haupteinnahmequelle wird, damit keine Abhängigkeit von dieser Tätigkeit entsteht.“

Um Reisende bei ihrer Wahl behilflich zu sein, hat ATES das Gütesiegel Garantie für fairen und solidarischen Tourismus (Garantie Tourisme Équitable et Solidaire) etabliert. Neben den Kriterien, die den Aufenthalt selbst betreffen, beachten die Reiseveranstalter, die dieses Gütesiegel erhalten haben, zahlreiche ethische Kriterien in ihren eigenen Unternehmensstrukturen. „Unsere 13 zertifizierten Reiseveranstalter bieten bereits 50 Reiseziele an", erläutert Caroline Mignon. „Wir haben das Gütesiegel so abgestimmt, dass es ab 2020 für alle Tourismusfachleute in Frankreich zugänglich ist, denn auch hier kann Tourismus fair sein!“

Auf dem Weg zu einer veränderten Erwartung von Touristen

Die ATES hat sich zudem zur Aufgabe gemacht, die Reisenden zu sensibilisieren: „Wir wollen die Idee verbreiten, dass noch eine andere Art des Reisens existiert, indem wir ein ausgewogeneres zwischenmenschliches Verhältnis zu den Bewohnern des Ziellandes herstellen, indem wir vielleicht weniger, aber besser reisen", erklärt die Leiterin. Tatsächlich bevorzugen Kunden, die sich für diesen Slow Tourism entscheiden, seltener wegzufahren, dafür aber alle zwei oder drei Jahre für einen längeren Zeitraum zu verreisen, um die Zeit zu haben, auch die Orte abseits der ausgetretenen Pfade zu entdecken.
Einheimische Handarbeiten im Etosha Nationalpark (Namibia) Einheimische Handarbeiten im Etosha Nationalpark (Namibia) | Foto (Ausschnitt): Olga Ernst (CC-BY-SA-4.0)
„Wie in anderen Sektoren auch, wird die Entwicklung der Erwartungen und der Konsumkriterien letztendlich eine Dynamik erzeugen“, hofft Guillaume Cromer. „Die Zivilgesellschaft wird dann den Gesetzgeber auffordern, diese neue Situation zur Kenntnis zu nehmen. Die internationale Zusammenarbeit stellt ein weiteres Mittel dar, alle Hebel in Bewegung zu setzen. In diesem Zusammenhang wäre es interessant, eine deutsch-französische Arbeitsgruppe zu bilden, die sich ganz dem nachhaltigen Tourismus widmet, um sich über Standpunkte und bewährte Methoden auszutauschen. In diesem Sinne möchte ich an Sie appellieren!“
 

Das Solar-Hotel: ein Pionierprojekt

Mit 34 Zimmern im 14. Arrondissement von Paris ist das Solar-Hotel das erste „ökologische, sparsame und militante" Hotel der Hauptstadt. Der Gründer, Franck Laval, ist sowohl ein sozial engagierter Akteur als auch ein Unternehmensleiter: „Unsere Idee war einen Prototyp-Betrieb vorzustellen, der im Hinblick auf das ökologische Engagement bis an die Grenzen des Möglichen geht und dabei ein Zwei-Sterne-Hotel zu einem bescheidenen Preis bleibt. Im Jahr 2009 konnten wir unsere CO2-Bilanz dank mehrerer Maßnahmen verbessern: durch die Installation von Energiesparlampen, einer neuen Kesselanlage und einem Wasserauffangsystem sowie die Bereitstellung von Fahrrädern für Kunden... Wir haben auch unterhaltsame Informationen über Energieeinsparung aufgehangen, um unsere Kunden zu informieren, ohne dass sie sich schuldig oder verärgert fühlen. Außerdem bieten wir ein 100-prozentiges Bio-Frühstück an, das im Übernachtungspreis inbegriffen ist. Wir halten unsere Tarife niedrig, indem wir auf unsere Lieferanten mit kurzen Vertriebswegen zurückgreifen und nicht zuletzt unsere Verwaltung vereinfacht haben.“

Das Hotel wurde mit dem „Clef Verte“ und dem Europäischen Umweltzeichen ausgezeichnet und ist mit recycelten Materialien eingerichtet und lösungsmittelfreien Farben gestrichen. Beides gewährleistet eine bessere Raumluftqualität. Das Hotel verfolgt auch einen sozialen Ansatz: Als Partner von Schulen, die den zweiten Bildungsweg ermöglichen, unterstützt es junge Menschen ohne Abschluss, um ihnen den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu erleichtern.

Dank seines nachhaltigen Ansatzes, der zudem ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bietet, baut das Solar Hotel eine enge Kundenbindung auf und erreicht eine außergewöhnliche Auslastung. Das durch diesen täglichen Einsatz motivierte Personal hat darüber hinaus eine geringe Fluktuationsrate. „Ich hoffe, dass das Hotel dazu beiträgt, den internen ökologischen Ansatz in die Unternehmenswelt zu tragen", sagt Franck Laval. Überträgt man seinen Ansatz auf eine größere Anzahl von Zwei-Sterne-Hotels in Frankreich, könnte dies eine nicht unerheblich positive Auswirkung haben: Von den 18.500 Betrieben innerhalb des französischen Hotelsektors sind die Hotels dieser Art am zahlreichsten vertreten und beherbergen die meisten Gäste.

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