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Künstliche Intelligenz im Fremdsprachenunterricht
Wie verändert sich die Rolle der Unterrichtenden durch künstliche Intelligenz?

Mann mit Handy vor einem Hologramm einer Weltkugel im Hintergrund befinden sich verschiedene Symbole wie ein Flugzeug oder ein Computer.
© Goethe-Institut/GettyImages

Der Fremdsprachendidaktiker Prof. Dr. Torben Schmidt ist eine wichtige Stimme im Feld des digitalen Fremdsprachenlernens. Im Gespräch mit Dr. Moritz Dittmeyer erklärt er, wo das Potential von KI-Technologien im Fremdsprachenerwerb liegt und welche Herausforderungen es gibt.
 

Von Dr. Moritz Dittmeyer

Künstliche Intelligenz ist allgegenwärtig. Voranschreitende Technologien, insbesondere im Bereich des Natural Language Processings, und die Möglichkeit, gigantische Datenmengen zu verarbeiten, sorgen dafür, dass immer mehr Werkzeuge und Programme entwickelt werden, die uns im Alltag beim Sprechen und Schreiben unterstützen.

Doch wie wirken sich diese Entwicklungen auf den Bereich des Fremdsprachenlernens und didaktische Ansätze beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen aus? Welche KI-Technologien eignen sich besonders dafür den Fremdsprachenerwerb zu unterstützen und wo liegen die größten Herausforderungen bei der Anwendung? Und was bedeutet das alles für Lehrkräfte im Präsenz- und Onlineunterricht?

Dr. Torben Schmidt Dr. Torben Schmidt, Professor für Didaktik des Englischen | Leuphana Universität Lüneburg Prof Dr. Torben Schmidt ist Professor für Didaktik der englischen Sprache an der Leuphana Universität Lüneburg. Er sprach mit Moritz Dittmeyer, Referent für Künstliche Intelligenz im Goethe-Lab Sprache, einer interdisziplinären Innovationseinheit des Goethe-Instituts, zur Erforschung und Erprobung digitaler Lerntechnologien.

Herr Prof. Schmidt, Sie sind Professor für Didaktik der englischen Sprache. Was können wir vom Lernen und Lehren der englischen Sprache aufs Deutsche übertragen? Es gab ja im Hinblick auf technologiegestütztes Lernen in den letzten Jahren große Entwicklungen.

Die unterschiedlichen Fremdsprachendidaktiken, speziell Englisch und Deutsch als Fremdsprache (DaF), sind da gar nicht weit auseinander. Gerade auch, weil das digitale Lernen etwas sehr Verbindendes hat, sind wir tatsächlich eine große Community. Die Diskurse sind über Fachgrenzen und Sprachen hinweg ähnlich.
Dennoch denke ich, dass wir natürlich für das Fach Englisch gewisse Vorteile haben: erstmal durch die Tatsache, dass es deutlich mehr englische Sprecher*innen gibt. Dann haben wir auch weitaus mehr Linguistikprofessuren und Projekte im Bereich Computerlinguistik. Aus diesen Gründen konnten wir aus der Englischdidaktik in den letzten Jahren ein paar Impulse setzen, speziell wenn es um computergestütztes Fremdsprachenlernen geht.

Computergestütztes Fremdsprachenlernen, können Sie kurz erklären, was es damit auf sich hat?

Der Begriff des computergestützten Fremdsprachenlernens ist nicht neu. Computer Assisted Language Learning, kurz CALL, gibt es schon seit vielen Jahrzehnten. Allgemein befasst man sich dort mit Formen und Verfahren des Lernens und Lehrens von Fremdsprachen. Ich würde drei Bereiche unterscheiden:

Erstens geht es darum, intelligente Übungssysteme zu bauen, mit denen man beispielsweise Grammatik, Vokabeln oder Hörverstehen trainieren kann. Durch die Analyse und Aufbereitung von Daten sollen diese Programme Lernenden oder auch Lehrenden optimales Feedback bezüglich des Lernfortschritts geben.

Zweitens geht es um die Entwicklung von Werkzeugen, die Lernenden dabei helfen, beispielsweise Texte zu übersetzen oder selbst Essays zu schreiben. Auch beim Erstellen mündlicher Präsentationen gibt es Programme, die Studierende unterstützen. Sie helfen dabei Folien zu gestalten oder den Redetext sprachlich und inhaltlich zu verbessern und zu optimieren.

Der dritte Bereich ist der Einsatz von Medien im Unterricht im Sinne eines Inhalts- und Impulsgebers. Der Zugriff auf fremdsprachliche Materialien ist sehr einfach geworden. Durch die Integration entsprechender digitaler Materialien in den Unterricht können Schüler*innen authentische Diskurse und Sprachhandlungen kennenlernen.

Das sind alles Möglichkeiten, die natürlich auch das Handeln der Lehrkräfte massiv verändern.

Bevor wir auf die Veränderungen für Lehrkräfte genauer eingehen, möchte ich auf das Thema Künstliche Intelligenz zu sprechen kommen. Gerade im Bereich des computergestützten Fremdsprachenlernens spielt die Verwendung von KI mittlerweile eine große Rolle. Was sollen wir uns unter KI hier konkret vorstellen und inwiefern können wir im Bereich des Fremdsprachenlernens davon profitieren?

Mann mit Kopfhörern spricht in ein Handy © Colourbox Zu beobachten ist, dass viele Technologien, die für das Fremdsprachenlernen besonders interessant sind, auch in unserem Alltag eine große Rolle spielen. Das betrifft alle Techniken, die mit Spracherkennung und intelligenter Sprachverarbeitung zu tun haben. Da gibt es mittlerweile umfassende Systeme, die auf großen Sprach- und Textdatenmengen beruhen und Methoden Künstlicher Intelligenz nutzen, um diese zu verstehen und aufzubereiten. Wir alle kennen die unterschiedlichen Assistenten in unseren Smartphones, die wir fragen können, wie das Wetter morgen wird oder die uns dabei helfen, Texte fehlerfrei zu verfassen und zu übersetzen.

Wenn es um die Rolle von Künstlicher Intelligenz im Sprachunterricht geht, müssen wir uns erstmal fragen, was überhaupt die Kernaufgaben und Kompetenzen von Lehrkräften sind. Ich würde an dieser Stelle zwei Aspekte hervorheben, auch wenn natürlich weitaus mehr dazu gehört, eine gute Lehrkraft zu sein: Die Koordination von Übungen und Materialien auf der einen und die Analyse der Leistung Lernender auf der anderen Seite.

Das Anbieten eines Lerngerüsts und einer adaptiven Lernunterstützung im Übungsprozess mit hochwertigem wirksamem Feedback wäre das, was ich mir in diesem Kontext von einer Lehrkraft wünschen würde; also passgenaue, individualisierte Unterstützung im Lernprozess. Jede Lernende sollte auf Basis einer Analyse der aktuellen Fähigkeiten idealerweise das bekommen, was sie oder er für den nächsten Entwicklungsschritt gerade braucht.

Illustration intelligentes Übungssystem © Goethe-Institut Das ist etwas, wo wir in naher Zukunft deutlich mehr intelligente tutorielle Übungssysteme sehen werden. Die Intelligenz dieser Systeme zeichnet sich dadurch aus, dass sie zum Beispiel Lernpfade und Fehler von Kursteilnehmer*innen analysieren.

Es kann dann vorhergesagt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Lernende, mit den vom System identifizierten Kenntnissen, eine bestimmte Aufgabe erfolgreich bearbeiten kann. Außerdem sind die Systeme in der Lage einzuschätzen, was eine angemessene Rückmeldung für die Lernenden ist.

Was zeichnet diese intelligenten Systeme aus? Warum ist es sinnvoll Lehrkräfte hier mit KI-Methoden zu unterstützen?

In einer normalen Situation hat eine Lehrkraft 20 bis 30 Schüler*innen in einer Lerngruppe, deren Lernverhalten sie beobachten kann. Der Vorteil einer KI ist, dass hier Tausende von Lernenden lerngruppen- und schulübergreifend analysieren werden können. Da lässt sich dann noch besser, systematischer und viel schneller feststellen, welche Aufgaben für welche Lernenden zu welchem Zeitpunkt passend sind und welche nicht.

Aber auch jenseits des Übens kann KI helfen Material auszuwählen; also in gewisser Weise als Assistenzsysteme für Lehrkräfte oder auch Lehrwerkautor*innen. Heute ist es vereinfacht gesagt meist so, dass eine Lehrkraft für ein Thema einen Text aus einem Lehrwerk auswählt, den alle Schüler*innen dann bearbeiten müssen. Mit der Technologie kann eine Unterrichtende Texte nicht nur finden, sondern vereinfachen, aufbereiten oder gar komplett selbstständig erzeugen, um den Lernenden eine Art Menü mit sprachlich passenden und lernförderlichen Texten anzubieten. Dies wäre natürlich vor allem hinsichtlich der Differenzierung im Lernprozess ein entscheidender Vorteil.

Sie haben dargelegt, dass es bereits viele Programme gibt, die Lehrkräfte bei der Gestaltung eines spannenden, individuell angepassten und zukunftsorientierten Sprachunterrichts unterstützen können. Nun anders herum gefragt: Stellen die neuen technischen Möglichkeiten, gerade im Feld KI, eine Gefahr für klassische, menschliche Lehrkräfte dar? Was würden Sie einer Tutorin in einem Onlinesprachkurs sagen, die befürchtet über kurz oder lang abgeschafft zu werden?

Die Ängste sind absolut nicht berechtigt und ich kann an dieser Stelle nur beruhigen.
Wir werden weiterhin Lehrkräfte brauchen. Sehr gut ausgebildete Fremdsprachenexpert*innen, die kompetent, kritisch und reflektierend im Umgang mit wichtigen und interessanten fachspezifischen Inhalten und Methoden agieren. Auch bei der Unterrichtsplanung und wenn es darum geht, Lernende einzeln empathisch zu unterstützen, sind Lehrkräfte essentiell.

Sonst gibt es natürlich Bereiche, in denen Lerntechnologien weiterhin große Fortschritte machen werden. Das sind der Bereich des formfokussierten Übens, das Lernen einfacher Formen schriftlicher und mündlicher Kommunikation sowie die Nutzung von Werkzeugprogrammen beim Erwerb bestimmter sprachlicher Kompetenzen. Da denke ich, können intelligente Systeme sehr gut unterstützen.

Wichtig ist hier aber wieder die Data Literacy bei Lehrkräften. Es ist zentral, dass Lehrende entsprechende Anwendungen kennen und in der Lage sind, die hierbei aufbereiteten Daten und Ergebnisse kompetent zu nutzen. Es gibt mittlerweile einige Studien, die zeigen, dass die Verwendung intelligenter digitaler Systeme im Unterricht, zum Beispiel beim Üben, zu besseren Lernergebnissen führt.

Heute ist das analoge Üben im Unterricht häufig ein ziemlicher Blindflug. Assistenzprogramme können der Lehrkraft helfen, den Lernstand zu analysieren und entsprechend zu planen. Wenn Lehrkräfte verstärkt auf digitale Übungsumgebungen umsteigen und sogenannte Teacher-Dashboards in den Übungsphasen nutzen, die die Daten der Lernenden aufbereiten, dann werden sie automatisch darüber informiert, welche Lernenden gerade die größten Probleme haben und worin die Probleme bestehen und ob ein geplanter nächster Unterrichtsschritt bereits Sinn macht oder hier noch Vertiefungen nötig sind.

Lehrkräfte können dann direkt auf die Lernenden persönlich zugehen, ihnen gewisse Dinge nochmal erklären und andere, unter Umständen vom System vorgeschlagene Aufgaben zur Verfügung stellen.

Ich würde mir wünschen, dass in diesem Bereich Lehrkräfte stark unterstützt werden, damit wir sie befähigen, insbesondere in der Übungsphase, digitale Systeme kompetent einzusetzen.

Die Zukunft des Sprachenlernens wird im Blended Learning liegen: Eine Mischung aus passgenauem, computerfreien Unterricht mit spannenden, zeitgemäßen Inhalten und digitalen Übungsphasen mit adaptiven und personalisierten Materialien und der Verwendung von sämtlichen intelligenten Werkzeugprogrammen.

Zum Abschluss unseres Gesprächs möchte ich noch auf unsere Arbeit am Goethe-Institut zu sprechen kommen.Was würden Sie uns am Goethe-Institut empfehlen? Sollen wir auch eine smarte Sprachlern-App für die Hand- oder Hosentasche entwickeln oder eher versuchen unsere bisherigen, inhaltlich und didaktisch hochwertigen aber eher klassisch strukturierten Kurse weiter zu modernisieren?

Ich denke, dass es lohnend wäre, punktuell neue Technologien Schritt für Schritt in die bestehenden Kurse zu integrieren. Man sollte in jedem Fall weiter von der goethe-spezifischen Zielgruppe und dem, was die Goethe-Kurse ausmacht, ausgehen.

Es wäre nicht unbedingt sinnvoll anzufangen, die bestmögliche adaptive Deutsch-Grammatikplattform selbst zu entwickeln. Dazu müsste man ganz anders ansetzen und erstmal riesige Mengen an Sprachdaten generieren.

Ich würde also sehen, wie die Kurse bisher aufgebaut sind und an welchen Stellen sie lokal durch vorhandene Technologien und Ansätze verbessert werden können. Denkbar wären Tools, die die Sprechkompetenz speziell fördern. Mit Chatbots kann man Lernende mit definierten Szenen an bestimmte Kommunikationsformen heranführen.

© Colourbox
Darüber hinaus würde ich überlegen in welchen Bereichen eine kleinere eigene Entwicklung sinnvoll wäre. Da denke ich durchaus an ein KI-Tool, mit dem man zum Beispiel die 1000 häufigsten Wörter der deutschen Sprache intelligent üben kann. Auch wenn es hier schon Programme gibt, könnte man durch eine Kooperation eine goethe-spezifische Anwendung entwickeln, wo dann das Vokabular aus den Kursen des Goethe-Instituts im Mittelpunkt steht.

Außerdem ist der Bereich der Diagnose und des Feedbacks sehr wichtig. Hier geht es zum Beispiel um die Frage, wie Lernende durch intelligente Systeme besser über ihren Lernprozess sowie ihre Fortschritte und Defizite informiert werden können. Es ist aber auch sehr sinnvoll über verschiedene Kurse hinweg Daten zu generieren, um zu erfahren was die typischen Fehler und Schwierigkeiten der Lernenden sind. So lässt sich herausfinden, wie Kurse und Feedback zukünftig gestaltet werden müssen, um einen bestmöglichen Lernerfolg zu ermöglichen.

Insgesamt können Sie da ruhig mutiger sein! Sie sitzen auf einem riesigen Korpus an Daten. Wenn Sie den zusammen mit KI-Methoden nutzen, können Sie das, was Sie sowieso schon gut machen, noch besser machen.

Vielen Dank Herr Schmidt für diese abschließenden Impulse und Anregungen! Ich bedanke mich für das Interview.

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