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Berlinale-Blogger 2020
Berlinale 2020: Handys und soziale Medien als Medium für Filme

„Mignonnes („Die Süßen“) von Maïmouna Doucouré
„Mignonnes (Die Süßen“) von Maïmouna Doucouré | Foto (Detail): © Jean-Michel Papazian/Bien ou Bien Productions

Die sozialen Medien sind wie geöffnete Fenster, die einen Blick in das Leben der Menschen gewähren. Diese moderne Art der zwischenmenschlichen Nähe zeigte sich nicht nur in den Drehbüchern der Berlinale – Künstler*innen nutzten diese Medien auch, um Geschichten von heute zu erzählen.

Von Neelam Tailor

Ich habe mich Riz Ahmed als Zaheer in Mogul Mowgli so verbunden gefühlt und das liegt sicherlich auch daran, dass es Filmemacher Bassam Tariq und Ahmed wichtig war, den Film aus Zaheers Perspektive zu erzählen. Und zwar durch dessen tatsächliche eigene Linse. Die Filmfigur Zaheer hält wie so viele Promis ihr Leben mithilfe einer Handykamera fest. Die leicht verschwommenen Bilder dieses Filmporträts kommen auf der großen Leinwand echter und intuitiver rüber als diejenigen, die einer konventionellen Kinokameralinse entstammen.

Mignonnes: Perfektes Bild eines präpubertierenden Immigrantenkindes

Der französische Film Mignonnes, der in der Kinder- und Jugendlichen-Sektion „Generation” gezeigt wurde, hat mich umgehauen. Die französisch-senegalesische Regisseurin Maïmouna Doucouré zeichnete das perfekte Bild eines präpubertierenden Immigrantenkindes, das im Westen aufwächst. Die Elfjährige in mir fühlte sich ertappt, als mir all diese Unsicherheiten, dieser Wunsch nach Bestätigung und der Kampf zwischen Tradition und Moderne auf der Leinwand präsentiert wurden. Wobei ich nicht mit den sozialen Medien aufgewachsen bin, dieser Kummer blieb mir erspart. Anders als die Hauptfigur Amy. Doucouré führte diese Kämpfe sogar noch einen Schritt weiter, indem sie im Film all die Sehnsüchte, die Frauwerdung, Akzeptanz und den Status des jungen Mädchens in die Welt von Youtube und Instagram überführt.

Amy stammt aus einer traditionellen senegalesischen Familie, aber sie wünscht sich nichts sehnlicher, als von den beliebten Mädchen der Schule akzeptiert zu werden. Die ihr vermittelten traditionellen Werte flackern kurz auf, als sie dabei ist, sich vom Kind zu einer jungen Frau zu entwickeln. Nachdem sie das Handy einer Familienfreundin gestohlen hat, verbringt Amy ihre Tage damit, die Frauen nachzuahmen, die in hyper-sexualisierten Youtube-Videos zu Reggaeton tanzen. All die Anstregungen unternimmt sie, um in der beliebten Mädchentanzgruppe der Schule aufgenommen zu werden.

Düstere Reflexionen: Schmollmund für Likes

Ilanah Cami-Goursolas, Esther Gohourou, Médina El Aidi-Azouni, Fathia Youssouf in „Mignonnes“ („Die Süßen“ ) von Maïmouna Doucouré

Ilanah Cami-Goursolas, Esther Gohourou, Médina El Aidi-Azouni, Fathia Youssouf in „Mignonnes“ („Die Süßen“ ) von Maïmouna Doucouré | Foto (Detail): © Jean-Michel Papazian-Bien ou Bien Productions

Das Publikum und ich lachten über die kleine Amy, die Schmollmünder übte und ihre Fotos mit Filter optimierte, um sie anschließend auf Instagram zu veröffentlichen. Aber dies war eine düstere Reflexion der Wirklichkeit. Die Mechanismen der Sozialen Medien bringen Amy dazu, sich den Mainstream-Ideen, wie Frauen zu sein haben, zu unterwerfen. Sie schminkt sich, um Likes für ihre Fotos zu bekommen.

Amys Wunsch nach Aufmerksamkeit durch die sozialen Medien läuft in eine fatale Richtung, als sie ein Nacktfoto von sich veröffentlicht und dadurch mit einer ungewollten Art von Aufmerksamkeit konfrontiert wird. Wir als Zuschauer*innen fühlen mit dem jungen Mädchen und ihr Schmerz rührt uns sehr. Die Fähigkeit der  Filmemacher*innen, die sozialen Medien als Kunstform auf der Berlinale einzusetzen, war ein überzeugender Schlüssel, um ihre Macht und ihre Gefahrenpotenzial zu beleuchten.

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