Donnerstag, 23. Februar 2023 Virtueller Deutschlehrer*innentag Nordwesteuropa
Beim zweiten virtuellen Deutschlehrer*innentag für Nordwesteuropa geht es erneut um die Auseinandersetzung mit dem Thema „Diversität zusammen leben - an Schulen und im Deutschunterricht“. Lehrkräfte erhalten dieses Mal wichtige Impulse zur Reflexion über Diversitätssensibilität in Gesellschaft und Bildungsinstitutionen sowie in den im eigenen Unterricht verwendeten Lehrwerken. Außerdem gehen wir auf das Thema „Body Shaming und Lookismus im pädagogischen Kontext“ ein und auf den Einfluss afroamerikanischer Kulturen in Deutschland. In einer abschließenden Podiumsdiskussion widmen wir uns vor allem der Fragestellung, wie man Diversitätsthemen in den eigenen Unterricht integriert, um die wichtige Auseinandersetzung mit gesellschaftlicher Vielfalt kompetent und aktiv zu unterstützen.
Vortrag: Nina Simon
Rassismuskritische Fachdidaktik
Vortrag: Josephine Apraku
Diversität in Lehrwerken – Wie kann man Diversität anhand „nicht diverser“ Lehrwerke vermitteln?
17:45 – 18:30
45 Min
Vortrag: Nikola Poitzmann
Wer bestimmt, was schön ist?!
– Schönheitsideale, Body Shaming und Lookismus im pädagogischen Kontext
Workshop: Priscilla Layne
Einfluss afroamerikanischer Kulturen in Deutschland
18:30 – 19:15
45 Min
Podiumsdiskussion mit Nikola Poitzmann, Josephine Apraku und Priscilla Layne
19:15 – 19:30
15 Min
Abschluss und Feedback
Vorträge und Workshops
Karim Fereidooni geht in seinem Vortrag auf die Konstruktion von ‚Normalität‘ in unserer Gesellschaft und in unterschiedlichen Bildungsinstitutionen ein. Er problematisiert diesen Konstruktionsprozess, da hierdurch Ausschlüsse entstehen. Ferner stellt er unterschiedliche Theorien und Studien zum Thema Diversitätssensibilität dar und präsentiert Maßnahmen, die darauf angelegt sind, mit Diversität konstruktiv umzugehen.
Prof. Dr. Karim Fereidooni ist Juniorprofessor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Rassismuskritik in pädagogischen Institutionen, Schulforschung und Politische Bildung in der Migrationsgesellschaft und Diversitätssensible Lehrer*innenbildung. Darüber hinaus hat er 2020 bis 2021 das Regierungskabinett der Bundesrepublik Deutschland im Kabinettsausschuss der Bundesregierung zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beraten und berät seit 2021 das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat im Unabhängigen Expert*innenkreis Muslimfeindlichkeit, sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Nationalen Aktionsplans Integration zum Thema Integration durch Bildung.
Zudem hat er den 13. Integrationsgipfel der Bundesregierung am 09.03.2021 mit einer Keynote zum Themenfeld „Diversität gestalten, Teilhabe und Partizipation fördern: Erfolgsfaktoren für Zusammenwachsen und Zusammenhalt“ eröffnet. Am 26.11.2021 hat Prof. Dr. Karim Fereidooni den Walter-Jacobsen-Preis in der Kategorie „Innovation“ von der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung erhalten. Der Preis wurde Herrn Fereidooni für innovative Forschung und die Verankerung der Rassismuskritik in den Diskurs der politischen Bildung verliehen.
Der Vortrag von Nina Simon geht der Frage nach, unter welchen Prämissen rassismuskritische Fachdidaktik im Unterricht (er)möglich(t) werden kann und welche Herausforderungen damit verbunden sind. Der Ausgangspunkt ihrer Betrachtung stellt die Notwendigkeit einer bisher nur marginal vertretenen rassismuskritischen Perspektive auf rassismusrelevante Sachverhalte in den Fachdidaktiken dar; ferner, dass Fachdidaktiken, neben dem Generieren wissenschaftlicher Erkenntnisse, die Aufgabe zukommt, diese in Umsetzungsvorschläge für den Unterricht zu übersetzen. Durch rassismuskritische Fachdidaktiken erhielten Lehramtsstudent*innen, Referendar*innen und Lehrer*innen einen Zugang zu diesem Thema für die unterrichtliche Praxis. Nina Simon unterstützt ihre Thesen mit Erläuterungen zu Rassismus, Rassismuskritik sowie einem Plädoyer für eine theoretisch informierte, kritisch-reflexive und sich als Kulturwissenschaft verstehende Fachdidaktik.
Prof. Dr. Nina Simon ist Juniorprofessorin für DaF/DaZ mit dem Schwerpunkt Kulturstudien am Herder-Institut der Universität Leipzig. Sie hat in München die Fächer Deutsch, Deutsch als Zweitsprache, Sozialkunde und Darstellendes Spiel auf Lehramt an Gymnasien studiert und an verschiedenen Schularten v.a. Deutsch als Zweitsprache unterrichtet. Promoviert wurde sie mit einer Arbeit zur (Un)Möglichkeit herrschaftskritischer (Deutsch)(Hochschul)Didaktik. Sie arbeitet zu DaFZ-Fragestellungen in der Tradition der Cultural Studies und ist Vorstandsmitglied des Vereins Migrationspädagogische Zweitsprachdidaktik sowie Sprecherin des Clusters Kulturelle Bildung und Diversität des Netzwerks Forschung Kulturelle Bildung.
Das Goethe-Institut sowie Deutschlehrkräfte in verschiedenen Ländern rund um den Globus sind tagtäglich mit der Herausforderung konfrontiert, dass Materialien für ihren Unterricht (Lehrwerke, Arbeitsblätter, Prüfungsmaterialien etc.) häufig sehr traditionell sind und Stereotype vermitteln. So sind sie in vielen Fällen kein Spiegelbild der heutigen Gesellschaft, sondern halten Vorurteile aufrecht und marginalisieren einen Teil unserer Mitbürger*innen. Die Frage nach der Repräsentation eines möglichst authentischen und damit vielfältigen Gesellschaftsbildes ist für den Unterricht jedoch nicht unwichtig. Josephine Apraku legt in ihrem Vortrag anhand eigener Lehrwerksuntersuchungen dar, welche Fragestellungen dabei helfen, Stereotype und Diskriminierungen zu identifizieren, und wie Lehrkräfte mit den ihnen zur Verfügung stehenden Materialien „divers“ arbeiten können.
Josephine Apraku ist Afrikawissenschaftler*in und Referent*in für intersektionale rassismuskritische Bildungsarbeit. Als Lehrbeauftragte*r hat Josephine Apraku unter anderem an der Alice Salomon Hochschule und der Humboldt-Universität zu Berlin unterrichtet und als Kolumnist*in für Magazine wie EDITION F und Missy Magazine geschrieben.
„Lookismus“ beschreibt die Diskriminierung aufgrund des Aussehens. Menschen, die gesellschaftlichen Körper- und Schönheitsnormen nicht entsprechen, erfahren strukturelle Diskriminierung, Ausschlüsse oder Gewalt und sind weniger oder gar nicht öffentlich sichtbar. Gerade im Identitätsbildungsprozess Heranwachsender kann Lookismus schwerwiegende Folgen haben.
Wie äußert sich Lookismus in der Schule? Wie können wir intervenieren und Schüler*innen in ihrem Selbstvertrauen und ihrer körperlichen Selbstbestimmung stärken? Wie gelingt es uns, vielfältige Körper- und Erscheinungsformen zu normalisieren? Der Ausgangspunkt dieses Vortrags ist die Idee, schon früh den Blick auf vielfältige Körperformen zu lenken und die Botschaft mitzugeben, dass alle Körper gute Körper sind und auch Schönheit vielfältig zu betrachten (und vielleicht gar nicht so wichtig) ist. Der Ansatz der Gleichwertigkeit aller Menschen ist nicht nur Teil der Grund- und Menschenrechte, sondern auch eng mit dem Ansatz der universellen Prävention verknüpft. Nur wer sich in seiner Lernumgebung sicher, wertgeschätzt, repräsentiert und dadurch wohlfühlt, kann sich und sein Potenzial voll ausschöpfen, sich weiterentwickeln und gute soziale Beziehungen aufbauen.
Nikola Poitzmann ist im Hessischen Kultusministerium im Projekt "Gewaltprävention und Demokratielernen" tätig. Sie ist Diversity-Trainerin, Systemische Beraterin, Fachkraft zur Prävention und Intervention bei sexualisierter Gewalt, Sexualpädagogin, Prozessbegleiterin in der Schutzkonzeptentwicklung, Demokratiepädagogin, Organisationsentwicklerin und Trainerin für Gewaltfreie Kommunikation.
Trotz der heterogenen Kulturen innerhalb seiner Grenzen versteht sich Deutschland seit langem als weiße, christliche Nation. Aber auch für Menschen afrikanischer Abstammung ist Deutschland zeitweise ein notwendiges und zeitweise attraktives Ziel gewesen. Darüber hinaus hinderte die Tendenz der Deutschen, sich als Weiße vorzustellen, ihre Akzeptanz und sogar das Feiern der schwarzen Kultur nicht. Vom Zeitalter des Kolonialismus bis zur Gegenwart hat Schwarzsein sowohl eine Anziehungskraft als auch eine Gefahr für Deutsche dargestellt, insbesondere für diejenigen, die die schwarze Kultur als eine Herausforderung für die Traditionen der „alten Welt“ ansehen. In diesem Workshop untersuchen wir den Einfluss der afroamerikanischen Kultur auf Deutschland vom 19. Jahrhundert bis heute und reflektieren folgende Fragen: Wie erklärt sich die historische Angst und gleichzeitige Liebe der Deutschen zum Schwarzsein? Wie haben viele schwarze Intellektuelle und Künstler auf diese rätselhafte Binärität reagiert? Wie hat sich die Konstruktion von Blackness in Deutschland durch historische Verschiebungen z.B. vom Kolonialismus zum Postkolonialismus und vom Nationalstaat zur Europäischen Union geändert?
Priscilla Layne ist Associate Professorin für Deutsch und Associate Professorin für African, African American and Diaspora Studies an der University of North Carolina at Chapel Hill. Ihr Buch White Rebels in Black: German Appropriation of Black Popular Culture wurde 2018 von University of Michigan Press veröffentlicht. Neben Aufsätzen über türkisch-deutsche Kultur, Übersetzung und Punk und Filme übersetzte sie vor kurzem Olivia Wenzels Debütroman 1000 Serpentinen Angst vom Deutschen ins Englische. Zurzeit erstellt sie ein Manuskript über afrodeutschen Afrofuturismus und einen kritischen Leitfaden zu Rainer Maria Fassbinders Film Die Ehe der Maria Braun.
Anmeldung
Die Anmeldung zur Veranstaltung erfolgt über das Anmeldeformular. Sie erhalten per E-Mail eine Bestätigung.
Sie erhalten in der Woche vor dem Deutschlehrer*innentag die Zugangsdaten und den Link zur Veranstaltung.
Die ganze Veranstaltung wird in deutscher Sprache stattfinden.
Wir empfehlen, dass Interessierte mindestens das Sprachniveau B1 haben, um an der Veranstaltung teilnehmen zu können.
Nein. Sie müssen sich nicht im Voraus zu den einzelnen Vorträgen anmelden. Die Aufteilung für die parallel laufenden Vorträge erfolgt an dem Tag selbst. Plätze für die einzelne Vorträge sind nicht begrenzt.