Pluralismus und Pressefreiheit
Griechenland und die Welt in der Fake-News-Ära
Seit einiger Zeit ist die griechische Medienlandschaft von einer Reihe negativer Phänomene geprägt, die mit entsprechenden problematischen Prozessen im politischen System, in der Wirtschaft und den staatlichen Institutionen einhergehen.
Von Jorgos Pleios
Dazu zählen die in vielerlei Hinsicht eingeschränkte Pressefreiheit (Morde an Journalisten, Vergeltungsklagen, Zwangsvorführungen, Falschbeschuldigungen, Gewaltausübung, Verleumdung, Entlassungen), die machtpolitisch oder wirtschaftlich motivierte Einflussnahme auf Medien und deren fehlende finanzielle Unabhängigkeit, die unzureichende Ausbildung vieler Journalisten oder der Mangel an Korrespondenten. Hinzukommen neuerdings die Produktion, die Verbreitung und der Konsum von Fake News.
Der genaue Anteil gefälschter oder unterdrückter Nachrichten pro Jahr in Griechenland ist nicht bekannt. Er steigt jedenfalls immer dann deutlich an, wenn eine der beiden folgenden Bedingungen erfüllt ist, und insbesondere, wenn beide Bedingungen zugleich gegeben sind: Erstens, wenn Fake News zunächst im Internet veröffentlicht und im Anschluss über das Internet verbreitet werden. Zweitens, wenn gleichzeitig eine Krise auftritt und besonders, wenn das zugrunde liegende gesellschaftliche Problem zum Zeitpunkt der Nachrichtenverbreitung eine weitreichende Bedeutung hat. Derartige Krisen waren in Griechenland vor allem die Finanzkrise der 2010er Jahre, die Flüchtlingskrise, die im Jahr 2015 ihren Höhepunkt erreichte, und die COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020-2022. Als externe Krisen sind teilweise die bereits genannte Covid-19-Gesundheitskrise zu betrachten, vor allem bestimmte Auswirkungen dieser Krise, sowie in jüngster Zeit der Krieg in der Ukraine und der Krieg im Gazastreifen.
Beispielhaft seien folgende Desinformationen genannt, die während der Finanzkrise im Umlauf waren: Es wurde behauptet, dass die Staatsverschuldung tragbar sei und es wurde verschwiegen, dass im Sommer des kritischen Jahres 2012 Millionen von Euro an Hilfsgeldern nach Griechenland geflossen sind.
Die Flüchtlingskrise war ebenfalls eine Krise, bei der vermehrt verfälschte Nachrichten kursierten. Genannt seien auch dafür einige Beispiele: Migranten hätten auf Lesbos das Hissen der Flagge verhindert oder ein Kreuz zerstört, welches die Zuwanderung von geflüchteten Muslimen hätte abwenden können – Berichte, die von rechtsextremistischen Gruppierungen für ihre rassistischen Kampagnen ausgenutzt wurden. Migranten hätten Ikonen aus Kirchen entfernt oder geschändet oder Tiere gestohlen und geschlachtet oder Weihnachtsbäume zerstört, weil dies ein christlicher Brauch sei. Oder sie hätten versucht, minderjährige Mitbürgerinnen oder griechische Frauen zu vergewaltigen bzw. es angeblich sogar getan.
Während der Pandemie kursierten in großem Ausmaß Fehlinformationen über die Gefährlichkeit des Virus, in denen es hieß, es handele sich um eine einfache Grippe oder dass bei religiösen Praktiken, wie etwa der Eucharistie, bei der derselbe Löffel von mehreren Personen benutzt wird, kein erhöhtes Ansteckungsrisiko bestünde, bis hin zur Behauptung, das Coronavirus könne durch die Einnahme von Weihwasser oder Wachssalben wirksam behandelt werden. Auch vor dem Hintergrund der Kriege in der Ukraine und im Gazastreifen verbreiteten sich (und verbreiten sich immer noch mit großer Geschwindigkeit) Desinformationen seitens der beteiligten Parteien, besonders im Netz.
Leider besteht das Grundproblem mit den Fake News nicht darin, dass jemand eine unwahre oder gefälschte Geschichte in einem Medium veröffentlicht, sondern dass Tausende von anderen daran glauben und sie in ihren eigenen Netzwerken reproduzieren. Dies bedeutet, dass es genug Menschen gibt, die bereit sind, einer Nachricht Glauben zu schenken, bevor sie überhaupt existiert, nur weil sie mit ihren bereits bestehenden Überzeugungen im Einklang steht. Deswegen stellen Fake News ein komplexes gesellschaftliches Phänomen dar und lassen sich nicht einfach nur durch gesetzliche Verbote oder Sanktionen und Zensur bekämpfen. Im Gegenteil, durch solche Praktiken verschärft sich das Problem noch.
Es erfordert eine Reihe von Maßnahmen, wie die Überprüfung der Zuverlässigkeit von Nachrichtenquellen durch staatliche Behörden und die institutionalisierte Veröffentlichung der Überprüfungsergebnisse auf selbem Wege wie die ursprüngliche Veröffentlichung der Fake News, die Aufklärung der Bevölkerung darüber, was Nachrichten ausmacht und wie sie produziert werden, die Stärkung der gesellschaftspolitischen Partizipation, vor allem aber das Verringern der sozialen Ungleichheit, die dazu führt, dass Menschen verzerrte Ansichten annehmen und somit Fake News glauben, bevor sie überhaupt entstehen.