Marcin Wilk empfiehlt
Der traurige Gast
Der neueste Roman von Matthias Nawrat, einem deutschen Prosaiker mit polnischen Wurzeln, ist nicht nur eine Erzählung über das Leben im heutigen Berlin, sondern auch ein literarisch gelungener Versuch der Auseinandersetzung mit einem weitaus schwierigeren Thema: dem philosophischen Nachdenken über den Menschen in der Krise.
Der namenlose Erzähler von Nawrats Der traurige Gast bewegt sich durch die Metropole wie durch einen Garten fremder Erfahrungen. Auf seinem Weg, oft an Orten, an denen man sich normalerweise nur kurzzeitig aufhält, etwa im Restaurant oder beim Friseur, begegnet er Menschen, die beginnen, ihr Leben mit ihm zu teilen. Ein ehemaliger Chirurg und Alkoholiker oder eine Architektin mit einer traumatischen Geschichte – mit Polen im Hintergrund – ziehen den Erzähler hinein in ihre Welten, erzählen scheinbar gewöhnliche Geschichten, wobei sie jedoch zugleich zu Fragen grundsätzlicher Natur provozieren: Was ist Gedächtnis? Woher kommen wir und wohin gehen wir? Welchen Sinn hat unser Leben? Auf diese Weise wird die Stadt gewissermaßen zu einem Hafen für verirrte Menschenseelen, lässt ungehemmte Traurigkeit zu, setzt Melancholie frei. Zugleich schwingt dieses Berlin in seinem eigenen Rhythmus. Hier findet Geschichte statt, etwa dann, wenn ein Terroranschlag abrupt die Beschaulichkeit eines Weihnachtsmarkts beendet. Der Autor hat das nicht erfunden; es hat sich im Jahr 2016 tatsächlich zugetragen.
Obwohl diejenigen, die Berlin lieben – wie der Verfasser dieser Zeilen –, ihr Vergnügen am Wiedererkennen der Schauplätze des Buches haben werden, auch wenn man darüber spekulieren kann, ob es sich beim Erzähler nicht um ein Alter Ego des Autors handelt (manche Einzelheit passen beunruhigend genau), lässt sich Der traurige Gast schwerlich auf eine autobiografische Impression reduzieren. Dieser zurückhaltende Roman mit seinem oft schlichten Satzbau enthält viele großartige Momente. Zum Beispiel dann, wenn unter der Schicht des fiktiven Universums eine philosophische Betrachtung über den Menschen in der Krise im Gange ist. Aus emotioneller oder psychologischer Sicht ist dies kein Grund zur Freude. In diesem Sinne ist der Titel des Werks überaus treffend. Andererseits aber, als intellektueller Entwurf ist Der traurige Gast ein wahrer Grund zum Feiern.
Rowohlt
Der namenlose Erzähler von Nawrats Der traurige Gast bewegt sich durch die Metropole wie durch einen Garten fremder Erfahrungen. Auf seinem Weg, oft an Orten, an denen man sich normalerweise nur kurzzeitig aufhält, etwa im Restaurant oder beim Friseur, begegnet er Menschen, die beginnen, ihr Leben mit ihm zu teilen. Ein ehemaliger Chirurg und Alkoholiker oder eine Architektin mit einer traumatischen Geschichte – mit Polen im Hintergrund – ziehen den Erzähler hinein in ihre Welten, erzählen scheinbar gewöhnliche Geschichten, wobei sie jedoch zugleich zu Fragen grundsätzlicher Natur provozieren: Was ist Gedächtnis? Woher kommen wir und wohin gehen wir? Welchen Sinn hat unser Leben? Auf diese Weise wird die Stadt gewissermaßen zu einem Hafen für verirrte Menschenseelen, lässt ungehemmte Traurigkeit zu, setzt Melancholie frei. Zugleich schwingt dieses Berlin in seinem eigenen Rhythmus. Hier findet Geschichte statt, etwa dann, wenn ein Terroranschlag abrupt die Beschaulichkeit eines Weihnachtsmarkts beendet. Der Autor hat das nicht erfunden; es hat sich im Jahr 2016 tatsächlich zugetragen.
Obwohl diejenigen, die Berlin lieben – wie der Verfasser dieser Zeilen –, ihr Vergnügen am Wiedererkennen der Schauplätze des Buches haben werden, auch wenn man darüber spekulieren kann, ob es sich beim Erzähler nicht um ein Alter Ego des Autors handelt (manche Einzelheit passen beunruhigend genau), lässt sich Der traurige Gast schwerlich auf eine autobiografische Impression reduzieren. Dieser zurückhaltende Roman mit seinem oft schlichten Satzbau enthält viele großartige Momente. Zum Beispiel dann, wenn unter der Schicht des fiktiven Universums eine philosophische Betrachtung über den Menschen in der Krise im Gange ist. Aus emotioneller oder psychologischer Sicht ist dies kein Grund zur Freude. In diesem Sinne ist der Titel des Werks überaus treffend. Andererseits aber, als intellektueller Entwurf ist Der traurige Gast ein wahrer Grund zum Feiern.
Rowohlt
Matthias Nawrat
Der traurige Gast
Rowohlt, Berlin, 2019
ISBN 978-3-498-04704-7
304 Seiten
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Rezensionen in deutschen Medien:
Perlentaucher
Rowohlt
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