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Gebäude, Organisation, Dialog – drei Beispiele für die Nachhaltigkeitsbestrebungen deutscher Theater

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© Goethe-Institut Budapest | Elekes Réka

Großformatige Produktionen, hoher Energieverbrauch und sanierungsbedürftige Gebäude: Auch die Theaterwelt steht in puncto Nachhaltigkeit vor großen Herausforderungen.

Neben der energetischen Sanierung und dem nachhaltigen Betrieb von Theatergebäuden sind auch die organisatorischen Abläufe und die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks von Produktionen ernstzunehmende Aufgaben, die klare Zielsetzungen und das koordinierte Handeln von vielen Beteiligten erfordern. Der Artikel stellt drei Beispiele aus deutschen Theatern vor, die durch die Umgestaltung ihrer Gebäude und Betriebsabläufe respektive durch die Weiterentwicklung ihrer Sensibilisierungsmaßnahmen Vorreiter in diesem Prozess sind.

Die Kernsanierung des Theaters Koblenz – Ziel ist der klimaneutrale Betrieb

Der Schlüssel zur Umstellung auf Nachhaltigkeit ist bei massiv gebauten Theatern das Gebäude selbst. Nach Angaben des Deutschen Bühnenvereins gibt es in Deutschland etwa 140 öffentlich geförderte Theater, 200 Privattheater und 130 Opern-, Sinfonie- und Kammerorchester. Zahlreiche Theater wurden in der Nachkriegszeit gebaut, und laut einigen Expertenmeinungen sind mehr als achtzig Prozent der Bauwerke sanierungsbedürftig.

Aus Sicht der Klimaziele ist es von besonderer Bedeutung, die Umweltbelastung während der Sanierung zu minimieren und nach erfolgter Sanierung auch die mit dem Gebäudebetrieb einhergehenden CO2-Emissionen zu senken. Der erste Schritt in diese Richtung besteht darin, den Energiebedarf zu senken und anschließend die Effizienz durch moderne technische Systeme und den Einsatz erneuerbarer Energien zu steigern.

In diesem Sinne wird das Theater Koblenz unter Federführung des britischen Ingenieurbüros Buro Happold, das auch auf Kulturbauten spezialisiert ist, erneuert. Bei der Sanierung kommt dem Ausbau der gebäudetechnischen Infrastruktur zur Verbesserung der Energieeffizienz eine herausragende Rolle zu. Das oberste Ziel ist ein klimaneutraler Betrieb.

Das Gebäude dient seit dem 18. Jahrhundert dem kulturellen Leben der Stadt Koblenz. Das ursprüngliche Theatergebäude stammt aus dem Jahr 1787 und wurde im 20. Jahrhundert schrittweise erweitert. Im Zuge der jüngsten Erweiterung zum Beispiel wurde das Gebäude um neue Werkstätten, Probebühnen und Schulungsräume ergänzt. Bei dem 21000 m2 großen Theaterkomplex, der sich so herausgebildet hat, sind das Durcheinander von nachträglich entstandenen Einheiten sowie die schwer zu wartende, veraltete Ausstattung die größten Herausforderungen.

Ziel des Projekts ist es, die Nachhaltigkeit des Theaters langfristig zu sichern, wobei die Sanierung der historischen Gebäudeteile auch den Anforderungen des Denkmalschutzes gerecht werden soll. Während der Arbeiten wird das Theater mit modernsten Technologien ausgestattet, die den geringstmöglichen CO2-Ausstoß aufweisen. Dies bedeutet unter anderem die Modernisierung der Kühl- und Heizanlagen, der Gebäudeleittechnik und der Stromversorgung. Der kombinierte Einsatz von Wärmepumpen, Photovoltaikanlagen und anderen Lösungen mit niedrigem Kohlenstoffausstoß trägt dazu bei, die Betriebskosten des Theaters zu senken und die Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren. Bei der Sanierung wurde Wert darauf gelegt, die bestehenden Anlagen so weit wie möglich beizubehalten, damit unnötige Eingriffe in die Bausubstanz und der Einbau neuer Materialien weitestmöglich vermieden werden können.

Theater Koblenz © MVRD

Das „Theatre Green Book“: Wissensaustausch und Unterstützung für die Umstellung

Buro Happold verfügt über umfassende Erfahrung bei der Sanierung kultureller Infrastrukturen weltweit und hat dieses Fachwissen in Zusammenarbeit mit britischen Theaterorganisationen und Fachleuten in einer auf die Praxis ausgerichteten Buchreihe mit dem Titel „Theatre Green Book“ veröffentlicht. In diesem dreibändigen Werk geht es um Aspekte der Nachhaltigkeit hinsichtlich der Realisierung von Produktionen, der Gebäudeverwaltung sowie der organisatorischen Abläufe. Der Leitfaden beschreibt eine Reihe von relevanten Branchenrichtlinien und -standards und hilft Theatern unterschiedlicher Größe und Art bei der Entscheidung zugunsten geeigneter Maßnahmen. Dank der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft steht auch eine deutsche Übersetzung der Publikation zur Verfügung.

Das „Pina Bausch Zentrum“ in Wuppertal

Das „Tanztheater Wuppertal“ wird seine Türen unter dem Namen „Pina Bausch Zentrum“ wieder öffnen, wo neben dem renovierten Tanztheater auch das Produktionszentrum für Gastspiele und die nach Pina Bausch benannte Stiftung („Pina Bausch Foundation“) ihren Sitz haben werden. Es entsteht eine offene, interdisziplinäre Kulturinstitution des 21. Jahrhunderts, die auf dem Dialog zwischen den Künsten und anderen Bereichen basiert und dem geistigen Erbe der weltberühmten Tanzkünstlerin würdig ist. Dementsprechend darf im Konzept auch der Nachhaltigkeitsgedanke nicht fehlen.

Der Gebäudekomplex wird nach den Plänen des New Yorker Architekturbüros Diller Scofidio + Renfro wiedergeboren. Umweltbewusste Lösungen werden auch bei der Planung vorrangig berücksichtigt, und die Institution ist bestrebt, die gesamten Organisationsabläufe diesem Aspekt zu unterordnen.

Pina Bausch Zentrum © Diller Scofidio Renfro

Das Projekt „Pina Bausch Zentrum als ganzheitlich nachhaltiger Ansatz“ ist ein Modellversuch. Ziel des Projekts ist „ein perfektes Beispiel für Nachhaltigkeit“ zu werden, und dies betrifft sowohl die Satzung, die verbrauchten Ressourcen, die Verwaltung, das Personal als auch die präsentierten künstlerischen Inhalte.

Im Rahmen des Projekts werden drei konkrete Initiativen umgesetzt.
Eine davon ist eine Workshop-Reihe zur Szenografie mit ökologischer Themensetzung unter dem Titel „Something old, something new, something borrowed, something blue“ („Etwas Altes, etwas Neues, etwas Geliehenes, etwas Blaues“). Die vier Fach-Workshops ergründen den Zusammenhang zwischen Bühnenbild und Nachhaltigkeit und suchen nach Möglichkeiten der Materialauswahl und -lagerung, der Kreislaufwirtschaft, der Materialausleihe und neuer Arbeitsmethoden.

Ein weiterer Bestandteil des Projekts ist „FRAGILE“, ein auf junge Künstler*innen ausgerichtetes Tanz-Musik-Theater-Festival, zu dem über einen Open Call internationale Initiativen, Produzent*innen und Künstler*innen erwartet werden, deren Arbeit sich auf den Themenkomplex Kunst und Ökologie konzentriert.

Drittens wird im Rahmen des Projekts eine „Tanzhütte“ namens „FABRICA“ entstehen, die – anknüpfend an die Bauhaus-Idee – als Ort für interdisziplinäre Workshops, Vorträge, Debatten und Austausch zum Thema Nachhaltigkeit und Kunst dienen soll.

Das Projekt kooperiert mit einer Reihe von relevanten Fachorganisationen, darunter das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie.

All dies wird mit Unterstützung des Programms „Zero – Klimaneutrale Kunst- und Kulturprojekte“ der Kulturstiftung des Bundes realisiert. Ziel der Förderform ist es, Kultureinrichtungen beim Übergang zum klimaneutralen Betrieb zu unterstützen. Neben der Zuerkennung von Projektförderungen wird dieser Prozess auch durch Schulungen und die Organisation regionaler Netzwerke zum Wissensaustausch gefördert.

„Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) in der Stadt Dresden

Der Dresdner Kulturentwicklungsplan (2020) betrachtet Klimaschutz und Nachhaltigkeit als Querschnittsaufgabe und schreibt dem lokalen Kulturbereich vor, einen sektorübergreifenden Aktionsplan zu entwickeln. Dem Plan zufolge müssen bis 2030 alle Dresdner Kultureinrichtungen über eine Nachhaltigkeitsstrategie mit gesellschaftlicher Ausstrahlung verfügen. Darüber hinaus soll neben Kunstprogrammen ein umfassendes Bildungsangebot erstellt werden, das alle Generationen anspricht. Partnerschaften mit Wissenschafts- und Umweltschutzinstituten sollen darauf abzielen, horizontales Denken und Handeln zu fördern. Die Stadt unterstützt den Prozess auch mit konkreten Maßnahmen. Im November 2023 wurde beispielsweise der speziell für den Kulturbereich konzipierte webbasierte CO2-Rechner, das „E-Tool Culture“ eingeführt. Durch die einzigartige Software wird auch die Schlüsselrolle der Transparenz im Übergangsprozess verdeutlicht.

Seit 2021 verfügen alle Kultureinrichtungen über eine Nachhaltigkeitsstrategie, die Klimaschutzmaßnahmen wie den ressourcenschonenden Betrieb, umweltfreundliche Energienutzung und Technologien sowie die Kommunikation ohne Druckerzeugnisse umfasst.

Auch der soziale Aspekt der Nachhaltigkeit spielt dabei eine wichtige Rolle. Man ist bestrebt, auch die internen Organisations- und Wirtschaftsstrukturen nachhaltig zu gestalten und darüber hinaus Geschlechter- und Altersgerechtigkeit, faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen zu gewährleisten.

Hellerau © Hellerau

Beim Übergangsprozess kommt dem Aktionsplan „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE) eine Schlüsselrolle zu. Um die Inhalte von BNE umzusetzen, startete das Kulturamt 2020 in Zusammenarbeit mit „Hellerau – Europäisches Zentrum der Künste Dresden“ ein Pilotprojekt. Ziel war es, BNE stärker im Organisationsbetrieb zu verankern. Im Zuge des Projekts wurden die für Lehrkräfte und Schüler*innen organisierten Lehrgänge überprüft; anschließend wurde die Nachhaltigkeitsstrategie auch auf den Bereich Kommunikation und Information ausgeweitet sowie das Programmangebot zum Thema erweitert.

Ziel des Prozesses war es herauszufinden, wie dieser Ausbildungsbereich in den Kultureinrichtungen strukturell gestärkt werden kann, sodass „die Themen in den Köpfen (durch Wissensvermittlung), Händen (durch Findung praktischer Umsetzungsmöglichkeiten) und Herzen (indem es zum Gesprächsthema wurde) der Menschen eine Rolle spielen“.

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