Selfmademen in Szentlászló
Loyalität, aber für wie lange?
Melinda Némethné Beck beim Interview | Foto: Gréta Kovács
Jung, unternehmungslustig, auf der Suche nach neuen Wegen – und sie sind nicht aus Szentlászló weggezogen. Diejenigen, die hier durchhalten, können dem Dorf auch etwas zurückgeben.
„Meine Familie ist der Hauptgrund, der mich im Dorf hält“
Melinda Némethné Beck und ihr Mann István Németh sind erfahrene Imker und betreiben eine Imkerei mit 100 Völkern, die bereits genug Honig produziert, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie kommen beide aus unterschiedlichen Berufen: Melinda hat die Handelsschule absolviert und im Tante-Emma-Laden ihres Vaters in Szentlászló gearbeitet. Ihr Mann hatte ursprünglich einen Tischlereibetrieb, verliebte sich dann aber auch in die Imkerei.Imkerei mit 100 Stöcken | Foto: Gréta Kovács Da Melinda Diabetikerin ist, kann sie den von ihr produzierten Honig nicht wirklich genießen. Nach der Geburt ihres Kindes entschied sie sich, ihre berufliche Laufbahn zu ändern: „Der kleine Laden bedeutete, jeden Tag vom ersten Januar bis zum einunddreißigsten Dezember zu öffnen, früh da zu sein, nach Ladenschluss Papierkram zu erledigen, Lager zu füllen und so weiter. Hinzu kam das Bedenken, dass meine Eltern mir nicht ewig würden helfen können. Und ich wollte solch eine intensive Arbeit nicht neben einem Kind machen.“
Das Honiggeschäft expandiert momentan noch: Sie verkaufen in den umliegenden Dörfern und haben einen Abnehmer, der ihnen den Honig auch in größeren Mengen abkauft. In naher Zukunft möchten sie ein eigenes Geschäft eröffnen, in dem sie nicht nur Honig, sondern auch verarbeitete Honigprodukte verkaufen.
In einer Gemeinde mit einer ähnlichen Beschaffenheit ist es gar nicht so einfach, eine Tätigkeit zu finden, die man gerne ausübt und die auch wirtschaftlich sinnvoll ist. Im Moment genießt Melinda es, ihre eigene Chefin zu sein und nicht mehr an genaue Arbeitszeiten gebunden zu sein wie früher und mehr Zeit für Familie und Freunde zu haben. Aber sie ärgert sich, wenn die Leute im Dorf hinter ihrem Rücken reden und sagen: „Ach ja, die hat ja Zeit für so etwas“, nur weil sie keine festen Arbeitszeiten hat. Aber man müsse sich daran gewöhnen, meint sie, denn so ist es auf dem Dorf eben: Jeder kennt jeden, und oft wird mehr über den anderen spekuliert als über einen selbst.
„Lasst uns das Sodawasser vor Ort herstellen, das ist für alle einfacher“
Lajos Belašić stellt seit 22 Jahren Sodawasser her. Sein eigenes Unternehmen liefert das Wasser in Siphonflaschen in einem Umkreis von etwa 100 km, der 110 Dörfer umfasst. Geschäfte, Kneipen und Restaurants verwenden das Wasser aus seinem eigenen Brunnen, das er in Einzelflaschen mit eigenem Etikett abgibt. Lajos (im Dorf nur als „Lui, der Sodamann“ bekannt) beschäftigt neun Personen: Er bedauert es, dass es keine ausgesprochen einheimischen Arbeitskräfte gibt, weil es schwierig ist, selbst in der näheren Umgebung geeignete Leute zu finden. Und das, obwohl er früher selbst Kurse in einer Berufsfachschule geleitet hat, aber „die meisten mussten durch die Prüfungen getreten werden“.Lajos Belašić | Foto: Gréta Kovács Lajos' Vater ist Kroate, er arbeitete seit den 1970er Jahren als Schlosser in Deutschland. Er lernte seine zukünftige Frau, die Mutter von Lajos, während eines Familienurlaubs in Harkány kennen, wo sie eine Freundin besuchte. Sie heirateten 1975 und drei Jahre später wurde ihr Sohn geboren. Sie kamen nach Szentlászló, indem sie begannen, den örtlichen ÁFÉSZ-Laden zu betreiben, zu dem auch eine Dienstwohnung über dem Laden gehörte. Kurz darauf bot sich ihnen die Gelegenheit, mit einem Freund einen Antrag auf die Übernahme des Ladens zu stellen: Da Lajos' Vater viele Jahre in Westdeutschland gearbeitet hatte, konnte er nun die Rente für die Jahre, die er dort verbracht hatte, in einer Summe beanspruchen: Davon investierten sie in den Erwerb des Ladens. Später trennten sie sich von ihrem Partner und eröffneten ein weiteres Geschäft neben der Sodafabrik, das 2018 endgültig geschlossen wurde, als die Eltern der Arbeit schon überdrüssig wurden.
Die Idee für die Sodafabrik selbst entstand dadurch, dass die älteren Leute im Dorf immer die Männer losjagten, um Soda zu besorgen. „So kam ich auf die Idee, Soda vor Ort herzustellen, das ist für alle besser und einfacher.“ Zuerst führte er die Flaschen im Dorf aus, dann in der Nachbarschaft, und als das Soda-Geschäft in Szigetvár für immer schloss, übernahm er auch dieses Gebiet. Neben der Herstellung von Sodawasser hat Lajos auch ein Hobby: Automechanik. Als junger Mann ging er nach Norditalien und wurde dort in einer Werkstatt angestellt und wird seither regelmäßig im Sommer für Reparaturen zurückgerufen. Für ihn bietet dies auch die Möglichkeit, sich zu entspannen, da er und seine Familie auch den Urlaub dort verbringen. Auch seine zweite Frau, eine Russin, lernte er in Italien kennen.
Lajos hält dem Dorf die Treue, wie er sagt, denn die meisten seiner Klassenkameraden haben dem Dorf bereits den Rücken gekehrt. Er ist besorgt, dass es mit dem Dorf bergab geht, weil die Intellektuellen das Dorf langsam verlassen. Er hat nicht vor, aus Szentlászló wegzuziehen, aber er könne nicht mit gutem Gewissen versprechen, dass er in 5–10 Jahren immer noch hier sein wird.
„Hoffen wir darauf, dass unser Tun ein Ziel hat“
Norbert Hideg ist in dem Dorf aufgewachsen und lebt heute mit seiner Frau und seinem im Sommer geborenen Kind in Szentlászló. Er ist Geschäftsführer von Aqua-Híd GmbH, dem größten lokalen Bauunternehmen.Die Aqua-Híd GmbH wurde Anfang der 90er Jahre von seinem Vater István Hideg gegründet, der von 2014 bis zu seinem Tod 2019 auch Bürgermeister der Gemeinde war. Der Vater begann als Maurer, baute dann nach dem Regimewechsel Geschäftsgebäude für Italiener in Budapest und gründete das Unternehmen mit dem Geld, das er dabei verdiente.
Nach mehreren Umstrukturierungen ist die Aqua-Híd GmbH heute hauptsächlich im Bereich der Erdarbeiten im Bautätigkeiten, und in der Renovierung von Schweinezuchtbetrieben und Familienhäusern im Dreieck Kaposvár-Pécs-Mohács tätig. Sie erhalten auch kommunale Aufträge in Szentlászló und den umliegenden Dörfern.
Norbert Hideg | Foto: Gréta Kovács „Ich bin Hochbautechniker, mein Bruder ist Maurer und seine Frau ist Designerin. Es ist also eine ziemlich runde Geschichte: wir arbeiten vom Entwurf bis zur Übergabe zusammen.“ – erklärt Hideg. In Zukunft will die Familie nicht nur Büros und Wohnungen bauen, sondern auch mit der Herstellung von Betonfertigteilen beginnen, teils um auch trotz des Mangels an Baumaterialien arbeiten zu können.
Norberts Cousin, Gábor Hideg, betreibt im Nachbardorf Boldogasszonyfa ebenfalls ein Bauunternehmen, man kann also sagen, dass die Familie auf mehreren Ebenen eng mit der Region verbunden ist: „Wir haben das neue Grundstück 2020 gekauft, weil wir in der Gegend bleiben möchten, weil wir Entwicklungspotenzial darin sehen, und wir suchen jetzt nach Partnern, um weitere Ideen zu entwickeln.“
Das Unternehmen benötigt nun neue Maschinen, um sich weiter zu entwickeln. Seit 2012 beantragen sie dafür regelmäßig EU-Fördermittel, mit Hilfe eines Unternehmens in Szigetvár, das auch für die umliegenden Gemeinden arbeitet. 2013 ist es ihnen auf diese Weise gelungen, eine Betonmühle anzuschaffen. „Wenn wir die Ausschreibung gewinnen, können wir in zwei oder drei Jahren mit dem Betrieb beginnen. Wenn wir nicht gewinnen, wird es eher ein Zehnjahresplan sein. Wir versuchen immer, die Bewerbungen unserer Größe entsprechend zu stellen : Man muss in der Lage sein, eine Zuzahlung leisten zu können, und ich denke, es ist eine fixe und begrenzte Summe, die einem Bezirk wie dem unseren zugewiesen wird. Natürlich gibt es mehrere Unternehmer, und wenn man nach zu vielem greift, bekommt ein kleinerer Unternehmer nichts zu fassen. Das muss man auch einkalkulieren.“
Ein weiterer Wachstumsfaktor sind die Arbeitskräfte. Obwohl er Ausbildungskurse organisiert, hat Norbert eher schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich sage immer: komm nicht zu mir um für mich zu arbeiten, komm um mit mir zu arbeiten. Jetzt, wo der Winter kommt, wollen sich wieder viele Leute bei mir bewerben, um bei mir über den Winter zu kommen. Aber im Moment fällt mir niemand ein, den ich gerne einstellen und dem ich eine 40-Millionen-Forint-Maschine anvertrauen würde.“
Er sieht sich selbst nicht als „sozial sensiblen“ Menschen und empfindet seine eigene Person als spaltend im Dorf, weshalb er nicht in die Fußstapfen seines Vaters als Bürgermeister treten will: Er glaubt nicht, dass er für seine Geschäftsprinzipien beliebt sein würde. „Mein Vater hat große Fehler gemacht – um ein Beispiel zu nennen – 'wir können diesen Arbeiter nicht entlassen, weil er drei Kinder hat', während dieser trank und ein Defizit produzierte. Ich denke, hier ist eine scharfe Grenze zu ziehen: Wir können das tun, aber dann werden wir nur zeitweilig funktionsfähig arbeiten können.“
Obwohl er nicht in der Politik tätig ist, pflegt die ganze Familie ein gutes Verhältnis zum derzeitigen Bürgermeister Zoltán Pasztorek: „Wir haben von Anfang an ihn unterstützt. Er ist ein agiler Unternehmer. Er ist selbstverständlich jung. Auf der anderen Seite denke ich aber, dass es eine sehr undankbare Aufgabe ist, Bürgermeister zu sein.“
Was die Zukunft des Dorfes betrifft, möchte er, dass Szentlászló wieder attraktiv für junge Familien wird, denn das ist es im Moment nicht. „Meiner Ansicht nach, müssen wir dazu etwas bieten und wir müssen zeigen, dass wir das Unsere auch dazu tun, und dann wird man uns unterstützen und es wird Geld dafür geben. Wenn wir in ausreichender Zahl genauso denken, dann werden wir die Möglichkeit haben, mit neuen Straßen, neuen Häusern, was auch immer, uns weiterzuentwickeln, um das Dorf sympathisch zu machen und neue Familien zum Zuzug zu bewegen. Hoffen wir darauf, dass wir ausharren und dass unser Tun ein Ziel hat.“