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Péter Nádori
Was kann die Rechtsprechung gegen Fake news tun?

Klartexte, Grafik: Kristóf Ducki
© Goethe-Institut Ungarn

Die Rufe nach neuen juristischen Regelungen im Kampf gegen sogenannte Fake news werden immer lauter. Ein zweischneidiges Schwert: Zwar können Regelungen Medienkonsumentinnen und -konsumeten davor bewahren, der Desinformation ausgesetzt zu sein. Es besteht aber auch die Gefahr, dass Machthaber sie einsetzen, um Kritikerinnen und -kritiker mundtot zu machen und zu kriminalisieren. Statt auf den Inhalten, sollte deshalb die Aufmerksamkeit der Rechtsprechung auf den Werkzeugen und Methoden der Verbreitung von Fake news liegen.

Laut den Suchdaten von Google interessierte sich bis zum Tag der US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 weltweit kaum jemand für den Ausdruck Fake news. Nach Donald Trumps Wahlsieg änderte sich das schlagartig – nicht nur in den Vereinigten Staaten oder im vom Brexit-Referendum im Juni 2016 zerrütteten Vereinigten Königreich. Zwischen Dezember 2017 und Dezember 2018 wurde am häufigsten in Brasilien nach dem Stichwort Fake news gegoogelt, unter den ersten zehn Staaten des Rankings befanden sich auch Singapur, die Philippinen, Italien und Malaysia.
 
Von Fake news spricht man im Allgemeinen dann, wenn im Dienste eines bestimmten, aktuellen politischen Ziels – meist die Einflussnahme auf Wahlen – als Desinformation einzustufende Inhalte in großen Mengen auf verschiedenen Webseiten mit häufig ungeklärtem Hintergrund beziehungsweise in den sozialen Netzwerken (Facebook, Twitter) publiziert werden.

Staatliches Vorgehen gegen Fake-News

Ein Ausschuss des britischen Parlaments stellte im Rahmen einer Untersuchung des Phänomens im Sommer 2018 fest, dass Fake news das Fundament der Demokratie gefährden. (Beachtenswert ist, dass die dortige Regierung einige Monate später festlegte, dass in offiziellen Dokumenten anstatt des nicht ausreichend definierten Ausdrucks fake news der Ausdruck disinformation verwendet werden muss.) Ähnlich kritisch werden Fake news von Politikerinnen, Experten, Journalistinnen und Wählern in weiten Teilen der Welt beurteilt.
 
Laut dem amerikanischen Poynter Institute haben bis Oktober 2018 Regierungen beziehungsweise Parlamente in fünfunddreißig Ländern in Sachen Fake news Maßnahmen ergriffen. Mancherorts wurden Kampagnen zur Förderung der Medienkompetenz gestartet, anderenorts wurden zentrale Aktionsgruppen ins Leben gerufen, die potenzielle Versuche einer ausländischen Einflussnahme auf Wahlen aufdecken sollen. Gleichzeitig wurden – oder werden derzeit – in mehreren Ländern Rechtsnormen ausgearbeitet, die die Publikation beziehungsweise Verbreitung von Fehlinformationen verbieten und unter Strafe stellen.

Geht es um den Schutz glaubwürdiger Informationen oder um das Blockieren von Kritik?

Das französische Parlament beschloss im Juli 2018 eine neue Rechtsnorm, die die es den Behörden während der Wahlkampfzeit erleichtert, eine richterliche Genehmigung zur Blockierung manipulativer und absichtlich irreführender Inhalte zu bekommen. Die Initiative dazu kam von Staatspräsident Emmanuel Macron und löste bei Opposition und Medien heftige Proteste aus. Kritikerinnen und Kritiker sehen darin lediglich ein Instrument, das der Regierung die Zensur des öffentlichen Diskurses ermöglicht.
 
Die wachsende Verbreitung und den schädlichen Charakter von Fake news prangern häufig auch Autokraten oder radikale Populisten an. Mindestens fünfzehn verschiedene „Despoten“ folgten bereits dem Beispiel des US-Präsidenten Donald Trump, indem sie Berichte über die Missstände ihrer Machtausübung beziehungsweise die Oppositionspresse als Fake news (de)klassifizierten. In zahlreichen Ländern wurden unter Berufung auf die Notwendigkeit von Schutz vor Fake news Rechtsnormen verabschiedet, hinter denen ihre Gegnerinnen und Gegner ein anderes Ziel vermuten: das Tilgen von Informationen aus der Öffentlichkeit, die für die Machthaber ungünstig sind.
 
In den meisten Rechtssystemen gab es auch früher schon Mittel, um gegen die Verbreitung von Meldungen vorzugehen, die die nationale Sicherheit bedrohen. Diese kommen jedoch unter demokratischen Bedingungen in Zeiten des Friedens üblicherweise nur äußerst selten zur Anwendung. Die neuen juristischen Instrumente des „Fake-news-Zeitalters“ bauen häufig auf diesen früheren Lösungen auf.
 
Laut einer Statistik der NGO Komitees zum Schutz von Journalisten (Committee to Protect Journalists, CPJ) kamen im Jahr 2017 weltweit 21 professionelle Journalistinnen und Journalisten aufgrund einer Rechtsnorm ins Gefängnis, die die Publikation von Fake news unter Strafe stellt.
 
In Ägypten wurde die Menschenrechtsaktivistin Amal Fathy im September 2018 wegen Verbreitung von Fake news zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, nachdem sie ein Video auf Facebook gepostet hatte, in dem sie gegen sexuellen Missbrauch protestierte. Bevor es zum Urteil kam, hatte Fathy bereits fast fünf Monate in Untersuchungshaft verbracht. Im Oktober 2018 wurde der Autor und Herausgeber eines Buches, in welchem er die Wirtschaftspolitik der Regierung kritisierte, aufgrund desselben Vorwurfs verhaftet.
 
In Malaysia war es ein dänischer Staatsbürger, der als Erster wegen des Vorwurfs der Verbreitung von Fake news im Internet vor Gericht stand. Bei der Verhandlung sagte der Angeklagte aus, er habe einen Fehler begangen, als er die – letztlich auch von ihm als falsch bezeichnete – Information, die Polizei sei verspätet am Tatort eines Anschlags eingetroffen, auf YouTube postete.

Die Grenzen der Informationsfreiheit

Das häufigste Argument gegen Rechtsnormen, die die Tätigkeit von Autorinnen und Autoren und Plattformen mit Strafe bedrohen, ist, dass in einem demokratischen Rechtssystem der Staat oder die Regierung nicht darüber entscheiden dürfe, was richtig ist und was nicht. Wo die Regierung die Möglichkeit bekomme, auf Inhaltsebene zwischen Nachrichten zu selektieren und bestimmte Publikationen als für die Gesellschaft akzeptabel und andere als schädlich einzustufen, dort sei die Informations- und Publikationsfreiheit in Gefahr.
 
Allerdings gilt dieses Grundprinzip selbst in den liberalsten Demokratien nicht absolut. In Fällen, die als außergewöhnlich und/oder besonders schwerwiegend erachtet werden, geht der Staat beinahe überall „im Dienste des allgemeinen Interesses“ gegen bestimmte Veröffentlichungen vor – zum Beispiel beim Aufruf zu Gewalt oder bei Hassrede. Der Staat sanktioniert auch durch das Zivilrecht die Veröffentlichung und Verbreitung von Fehlinformationen, indem er Personen, über die Unwahrheiten behauptet werden, Rechtsschutz bietet. Rechtsnormen gegen Fake news sind also nicht beispiellos. Ob die Bedrohung durch Fake news einen Ausnahmefall darstellt, der eine Kontrolle oder ein Einschreiten seitens der Regierung rechtfertigt, ist Auslegungssache.
 
Nicht immer und überall missbilligen die Verfechter der freien Meinungsäußerung ein juristisches Vorgehen gegen Fake news. Auf den Philippinen zum Beispiel machte die Opposition einen Gesetzesvorschlag, der eine Strafe für die Verbreitung von Fake news durch offizielle Personen vorgesehen hätte. Der – schnell abgelehnte – Gesetzesvorschlag hatte sich natürlich gegen populistischen Präsidenten Duterte gerichtet, der in der Kritik steht, selbst Fake-News zu verbreiten.
 
Der US-amerikanische Sonderstaatsanwalt Robert Mueller untersuchte eine mögliche Einflussnahme seitens der russischen Regierung auf die Trump-Kampagne 2016. Im Februar 2018 erhob Mueller Anklage gegen dreizehn russische Staatsbürger. Ihnen wurde vorgeworfen, für die Organisation Internet Research Agency in den sozialen Netzwerken amerikanische Wählerinnen und Wähler manipuliert zu haben.
 
Die indonesischen Behörden nutzten zum Teil die Ergebnisse einer Investigativrecherche der liberalen britischen Tageszeitung The Guardian, um im April 2018 eine online operierende islamistische Terrororganisation auszuheben, der unter anderem vorgeworfen wurde, mittels Fake news, Hass zu schüren und das Land zu destabilisieren. Die Polizei nahm vierzehn Personen fest.
 
Die letzten zwei Beispiele zeigen, dass für das Vorgehen gegen eine bestimmte Art von Fake news in vielen Fällen keine neuen Rechtsnormen notwendig sind: Der US-amerikanische Staatsanwalt und die indonesische Polizei verrichteten ihre Arbeit ohne Weiteres auf Basis der bestehenden Gesetze.

Einschränkung der Instrumente statt der Inhalte

Der Fall der Internet Research Agency führt vor Augen, dass der Kampf gegen Massenmanipulation effizienter sein kann, wenn er sich nicht auf die manipulativen Inhalte, sondern auf die Instrumente und Methoden der Manipulation konzentriert. In mehreren Ländern werden nun Rechtsnormen vorbereitet, die diese Instrumente und Methoden als illegal einstufen sollen.
 
Der US-Senat beispielsweise verhandelt seit Herbst 2017 über einen Gesetzesvorschlag, der transparent machen soll, wer in einer Kampagne für wie viel Geld welche Anzeigen auf den großen Internet-Plattformen kauft. In Irland setzen sich Parlament und Regierung seit Dezember 2017 mit einem Vorschlag auseinander, der teilweise ähnliche Vorschriften enthält: Der Einsatz von automatisierten Werkzeugen („Bots“) in der politischen Kommunikation im Internet soll strafbar gemacht werden. In Italien wurde im September 2018 ein Angeklagter zu einer neunmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt, weil er unter verschiedenen Decknamen geschriebene, gefälschte Trip-Advisor-Bewertungen zum Verkauf angeboten hatte.
 
Es gibt reichlich Einwände gegen diese Art von rechtlichen Lösungen – sowohl aus Sicht der Redefreiheit als auch der praktischen Realisierbarkeit –, doch gewiss ist, dass sie im Gegensatz zu Herangehensweisen, die den Inhalt sanktionieren, weniger der gesellschaftlichen Polarisierung um den Begriff Wahrheit ausgeliefert sind. Ob Donald Trump ein guter Präsident ist, wird immer umstritten sein; ob allerdings eine Firma 20.000 Fake-Profile auf Facebook betrieben hat, lässt sich entweder beweisen oder nicht. Daraus folgt auch, dass eine auf die Werkzeuge der Manipulation ausgerichtete Regelung viel weniger geeignet ist, um einzelne Menschen oder Medien, Ansichten oder Meinungen verstummen zu lassen.

Eine Prognose

Dort, wo das Ziel der Regierung gerade darin besteht, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen, wird wohl in den kommenden Jahren der Fokus des Kampfes gegen Fake news auch weiterhin auf den Inhalt einzelner Veröffentlichungen gerichtet sein und darauf, einzelne Autorinnen und Autoren, vielleicht sogar Verbreiterinnen und Verbreiter zur Verantwortung zu ziehen. Dort hingegen, wo man tatsächlich gegen die massenhafte, systematische Manipulation vorgehen will, wird der Schwerpunkt der Regulierung wahrscheinlich auf dem Schaffen von Transparenz sowie auf der Verfolgung irreführender Praktiken liegen.

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