Michael Müller-Verweyen im Gespräch
Über neue Formen der sozialen Architektur
Im Interview für die Budapester Architekturzeitschrift Metszet erörtert der Leiter des Goethe-Instituts Budapest Michael Müller-Verweyen unter anderem den Begriff der „Partizipation“, der das soziale Engagement der klassischen Moderne neu deutet.
Das Gespräch wurde anlässlich der Budapester Präsentation der internationalen Ausstellung Think Global, Build Social! geführt, die auf Initiative des Goethe-Instituts ein Jahr lang in Ungarn gastiert.
Ein Auszug aus dem Gespräch – MMV: „Der Gedanke des sozialen Wohnungsbaus ist nicht neu, er prägte bereits die Anfänge der Moderne. Heute jedoch verstehen wir auch etwas Anderes unter sozial engagierter Architektur. Schlüsselwort dabei ist die Partizipation. Im klassischen Modernismus spielten Architekten und oberste Entscheidungsträger die Hauptrolle: Die errichteten Bauten spiegelten ihre Vorstellungen über eine Ideallösung für die Wohnungsarmut wider. Die partizipative Architektur ist hiervon grundsätzlich verschieden, sie setzt aktive Teilnahme der bedürftigen Gemeinschaft voraus und ist von einer parallelen Identitätsbildung dieser Gemeinschaft nicht zu trennen. Mit der Integration von Theorie und Praxis der Partizipation in die Arbeit ist daher eine neue Entwicklungstufe der sozialen Architektur der Modernität erreicht. Wenn sich eine Gemeinschaft aktiv und von Anfang an an der Ausgestaltung ihres Lebensraums beteiligt, so wird sie diesen auch später als ihren eigenen empfinden und sie wird sich um ihn kümmern. Dies zeitigt ein ganz anderes Verhältnis zur Wohnumgebung, als wenn sie den Bewohnern vom Staat oder einer sozialen Institution fertig zur Verfügung gestellt wird. Gemeinschaftliches Bauen trägt somit ein Extrapotenzial, das Instandhaltungsprozesse in natürlicher Weise erleichtert und sichert. Ein weiterer Aspekt partizipativer Architektur ist die Nutzung lokaler Rohstoffe und Energieträger, die nun wiederum mit dem Nachhaltigkeitsanspruch zusammenhängt: Sollen die Bewohner ihre Häuser selber warten, so setzt dies örtlich auffindbare Baumaterialien voraus, die man mit einfachen Werkzeugen bearbeiten kann.“
Die Ausstellung Think Global, Build Social! – Bauen für eine bessere Welt widmet sich der Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung zeitgenössischer Architektur. Konzipiert wurde sie vom Architekturzentrum Wien und dem Deutschen Architekturmuseum.
Nach der vom Goethe-Institut und dem Architekturstudio Hello Wood veranstalteten Frühjahrsstation in Budapest ist das um ungarische Beispiele ergänzte Material im Herbst auch in Debrecen zu sehen. Details hierzu finden Sie im Veranstaltungskalender des Instituts.