Bautechnik
Holzbau in der Stadt
Das Image des Baustoffs Holz wandelt sich rapide. Beim Stichwort Holzbau dachte man bisher an Berghütten und Feldscheunen, an dünnwandige Notbaracken und simple amerikanische Siedlungshäuser. Inzwischen kann man mit Holz solide und präzise bauen, in technisch wie formal modernen Formen.
Einerseits geht es um die ökologischen Vorteile des Baustoffs Holz: Er ist als ressourcenschonender, nachwachsender Rohstoff, als CO2-Depot und wegen seines geringen Bedarfs an „grauer Energie“ für Produktion und Transport im Interesse des Weltklimas äußerst beliebt. Andererseits besinnt man sich mehr und mehr auf die großartigen Eigenschaften von Bauholz: Bei gleicher Tragfähigkeit ist es sehr viel leichter als Stahl. Holz hat fast die gleiche Druckfestigkeit wie Beton, kann aber auch Zugkräfte aufnehmen, für die bei Beton eine Stahlbewehrung notwendig ist. Es ist wärmedämmend, fühlt sich angenehm und warm an, hat also sinnlich wahrnehmbare und haptische Qualitäten.
Projekt 3xgrün in Berlin-Pankow | IfuH Institut für urbanen Holzbau mit atelier pk, roedig.schop architekten, rozynski_sturm architekten
| Foto: Stefan Müller
Wenn da nicht eine problematische Eigenschaft wäre: Holz brennt. Allerdings hat es gegenüber Stahltragwerken trotzdem Vorteile: Stahl braucht gegen Brandeinwirkung aufwendigen Schutz, denn er wird weich und verliert seine Tragfähigkeit. Ein Holzbalken hingegen brennt zunächst nur oberflächlich, der Restquerschnitt bleibt noch ausreichend lange stehen, um alle gefährdeten Personen retten zu können. Will man den Holzbau fördern, kommt es also darauf an, ihm durch neue Brandschutztechniken und -richtlinien gerecht zu werden.
Wohngebäude E3 in Berlin | Kaden Klingbeil Architekten
| Foto: Bernd Borchardt
Das gilt vor allem bei mehrgeschossigen Bauweisen, wie sie in Innenstädten üblich sind. Dort prägten im Mittelalter und in der Renaissance oft Straßenzüge mit dicht gedrängt stehenden Holzfachwerkhäusern das Stadtbild. Doch fast jede Stadtchronik berichtet von verheerenden Bränden ganzer Stadtteile. Erst die offene Bauweise und die veränderte Bauart der Häuser in der Neuzeit setzten den Stadtbränden ein Ende. Die Angst davor hat sich bis aber heute gehalten, und so ist für Architekten, die in Innenstädten Holzhäuser bauen wollen, die Auseinandersetzung mit dem Brandschutz noch immer die größte Herausforderung.
Wohngebäude E3 in Berlin | Kaden Klingbeil Architekten
| Foto: Bernd Borchardt
Vorreiter für den Holzbau ist Berlin, wo mittlerweile zahlreiche solcher Gebäude mit sechs oder sieben Geschossen in Baulücken der Gründerzeitquartiere entstanden sind. Anfangs legten die Behörden noch Wert auf extremen Brandschutz, was etwa 2008 zu Lösungen wie in der Esmarchstraße 3 (Kaden Klingbeil Architekten) führte, wo ein offenes Betontreppenhaus vom eigentlichen Gebäude durch Betonbrücken getrennt wurde. Inzwischen hat man die Gefährdungen genauer spezifiziert und Vorschriften entsprechend verfeinert. Mittlerweile gelten die Holzhäuser als absolut innenstadtkompatibel und sind mit ihren Paneel- und Glasfassaden nicht mehr als solche zu erkennen, wie zum Beispiel in das Wohnhaus 3xgrün in Berlin-Pankow (ArGe Atelier PK, roedig.schop Architekten und Rozynski-Sturm Architekten).
Projekt 3xgrün in Berlin-Pankow | IfuH Institut für urbanen Holzbau mit atelier pk, roedig.schop architekten, rozynski_sturm architekten
| Foto: Stefan Müller
Der Keller und oft auch das Erdgeschoss entstehen ohnehin in Massivbauweise, Treppenhäuser sind wie bei jedem Stahl- oder Betonskelettbau als aussteifende Betonkerne und gleichzeitig geschützte Fluchtwege ausgeführt. Für das tragende Skelett, aber auch für Decken, Trennwände und Außenwände, werden immer ausgeklügeltere Holzbausysteme entwickelt. Komplett im Werk mit hoher Präzision vorfabriziert, lassen sie sich vor Ort in wenigen Tagen aufrichten und zusammenfügen.
Gewerke wie Gipser, Maler und Bodenleger kommen oft gar nicht zum Einsatz, was den Bau weiterhin beschleunigt, vereinfacht und verbilligt. Monotonie und Schematismus sind nicht zu befürchten, denn angesichts der computergesteuerten Produktionsweise stellen individuelle Grundrisse, abwechslungsreiche Fassadengliederungen und Sonderlösungen kein Problem dar.
Wohngbäude C13 in Berlin | Kaden Klingbeil Architekten
| Foto: Bernd Borchardt
Schon werden an verschiedenen Orten Hochhäuser mit neun und mehr Geschossen aus Holz geplant. Viel mehr wäre möglich, denn Holz ist ein mitdenkender Baustoff. Versagt ein Bauteil, übernehmen die anderen die Last, das war schon vor Jahrhunderten in den Fachwerkhäusern so. Die Tragfähigkeit und die Belastbarkeit der Konstruktion ist also nie ein Problem, nur die Anpassung an geltende Brandschutzbestimmungen. Diese an die erreichten Standards anzugleichen, daran arbeiten die Verbände der Ingenieure und der Bauindustrie, der DIN-Normenausschuss und der Gesetzgeber.
Wohngbäude C13 in Berlin | Kaden Klingbeil Architekten
| Foto: Bernd Borchardt
Ein großes Potenzial bietet der Holzbau außerdem im Bereich der dringend notwendigen Nachverdichtung der Städte. Meist sind die älteren Bauten statisch in der Lage, noch ein, zwei Geschosse Aufstockung einer leichten Holzkonstruktion zu tragen. Auch hierfür gilt: Moderner Holzbau ist nicht nur im Außenbereich, sondern auch in den Innenstädten das Gebot der Stunde.
Buchhinweis: Bauen mit Holz - Wege in die Zukunft, Hg. Hermann Kaufmann und Winfried Nerdinger, Ausstellungskatalog, Prestel Verlag München 2016, ISBN 978-3-7913-5604-4