Internationales Theatertreffen
Internationales Forum beim Theatertreffen der Berliner Festspiele
Das Internationale Forum ist ein 18-tägiges Stipendienprogramm des Berliner Theatertreffens in Kooperation mit dem Goethe-Institut und Pro Helvetia, mit dem Künstler*innen aus allen Teilen der Welt während des Festivals gefördert werden. Es versteht sich als kreatives Experimentierfeld, transdisziplinäres Labor und selbstreflexives Moment des Theatertreffens. Im Sommer 2023 nahm an dem Internationalen Forum aus Ungarn der Dramaturg und Regisseur Kelemen Kristóf teil. Lesen Sie hier Auszüge aus seinem Bericht, der auf der Website szinhaz.net erschienen ist.
Die Informationen zum Open Call für 2024 findet ihr am Ende des Artikels.
Mit der diesjährigen Ausgabe des Berliner Theatertreffens hat sich auch die neue Leitung vorgestellt. Matthias Pees, der wiederum 2022 ernannte Intendant der Berliner Festspiele (des Dachverbands des Theatertreffens und anderer Festivals), hat vier Personen eingeladen, um die bisherige, nur aus einer Person bestehende Geschäftsführung zu ersetzen: Als rein weibliches Kuratorinnen-Team wurden die polnische Programmorganisatorin und Kuratorin Joanna Nuckowska, die deutsche Dramaturgin Carolin Hochleichter, die ukrainische Aktivistin und Theatermacherin Olena Apchel sowie die Wirtschafts- und Produktionsleiterin Marta Hewelt beauftragt. (Mittlerweile hat sich Hewelt aus der Zusammenarbeit zurückgezogen, somit ist das Team auf Drei-Personen-Stärke geschrumpft.) Die Vergangenheit und die Tradition des Festivals haben im Konzept von Matthias Pees eine wichtige Rolle gespielt: Das Gebäude der Berliner Festspiele selbst und die Entstehung der dort fokussierten Festivals (einschließlich der Berlinale) waren hauptsächlich von der Intention getrieben, dass West-Berlin seine kulturelle Dominanz gen Osten repräsentiert; nach dem Fall der Berliner Mauer wurde auch das institutionelle System selbst geeint, und dadurch begann der Prozess der Neudefinierung seiner Mission. Mit mehr als dreißig Jahren Abstand hat Pees es für lohnenswert gehalten, wieder auf die Thematisierung der in vielerlei Hinsicht unaufgearbeiteten Gegensätze zwischen der westlichen und östlichen Hälfte Europas zurückzukommen, und hat in diesem Sinne ein Kuratorinnen-Team zusammengestellt, das verschiedene Betrachtungswinkel vereint. Während das Thema Postkolonialismus langsam in den Mainstream der zeitgenössischen Kunst Berlins vordringt, scheint der öffentliche Diskurs in Deutschland weniger davon geprägt zu sein, dass die westlichen Mächte nach 1989 mit dem Kapitalfluss in den Osten eine im wirtschaftlichen und kulturellen Sinne ähnliche Attitüde an den Tag legten, wie als sie in der Vergangenheit ihr ehemaliges Kolonialreich „zivilisiert“ hatten.
Was bei mir angesichts der Festival-Auswahl mit am meisten ein Mangelgefühl hervorrief, war das Zurückdrängen hochaktueller gesellschaftlicher und politischer Themen, die im deutschen Theater eigentlich traditionell präsent sind. Im diesjährigen Programm scheint sich eine Art pseudopolitischer Geist ausgebreitet zu haben, wobei diejenigen Aufführungen in den Vordergrund gerückt sind, die das Publikum nach dem Prinzip „Lasst uns eine gute Zeit haben“ um jeden Preis ins Theater locken wollen, anstatt sich konfrontativen oder aufwühlenden Fragestellungen zuzuwenden. Diese Verschiebung wurde durch die Aufführung von „Der Bus nach Dachau“ abgemildert, einer Koproduktion des Schauspielhauses Bochum und des niederländischen Kollektivs De Warme Winkel, die das vom Holocaust handelnde, nicht realisierte Drehbuch des Vaters von einem der niederländischen Künstler neu interpretierte. Die niederländische Sichtweise ist auch deshalb wichtig, weil die Aufführung die Frage der Erinnerung an den Holocaust thematisiert: Inwieweit ist die Aufarbeitung nur Sache der Deutschen, und wie verdeckt die deutsche „Politik der Scham“ oft die Erinnerung an die Opfer des Holocaust? Obwohl es der Aufführung selbst theatralisch oft an Schwung und Kraft mangelte, schuf sie ein erkenntnisreiches Moment, indem sie neue Aspekte in diesen scheinbar unbeweglichen Diskurs einbrachte.
Der vollständige Artikel ist in ungarischer Sprache in szinhaz.net unter dem folgenden Link zu lesen:
Kelemen Kristóf: Távoli bolygók fölött cirkáló űrsiklók, vonzásban és taszításban – szinhaz.net
Das nächste Internationale Forum findet im Zeitraum vom 2. bis 20. Mai 2024 statt. Die Teilnehmer*innen erhalten ein Stipendium.
Künstlerinnen aus Ungarn können ihre Bewerbung für das Stipendium bei dem Goethe-Institut Budapest unter der Emailadresse bogata.sarossi@goethe.de einreichen. Alle weiteren Infos finden Sie hier:
https://www.goethe.de/de/kul/foe/inr.html
Bewerbungsschluss 7. Januar 2024