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Subjektiver Bericht
Als Rundfunkjournalistin der deutschen Minderheit beim Bayerischen Rundfunk

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© Heidi Vágyi

Seit mehreren Jahren führt das Goethe-Institut ein Fortbildungsprogramm für Medienschaffende der deutschen Minderheit in verschiedenen Ländern durch, das ihnen die Möglichkeit gibt, mit Unterstützung renommierter Medienvertreter in Deutschland neues Wissen, Anregungen und nicht zuletzt neue berufliche Kontakte zu gewinnen.

In diesem Jahr ermöglichte das Ausbildungsprogramm des Bayerischen Rundfunks der Redakteurin und Reporterin Heidi Vágyi einen Blick hinter die Kulissen des Rundfunks in Deutschland. Die junge Radiojournalistin der deutschen Minderheit aus Pécs erzählte uns von ihren Erfahrungen in München, ihren Inspirationen und den Unterschieden zwischen der ungarischen und dem deutschen Rundfunkarbeit:

„Als freie Mitarbeiterin (Redakteurin und Reporterin) der ungarndeutschen Medien mache ich bei der Produktion von Rundfunk- und Fernsehprogrammen mit. In dieser Eigenschaft hatte ich zwischen dem 30. April und 5. Mai 2023 die Gelegenheit, meine Kenntnisse im Rahmen einer Fortbildung beim Bayerischen Rundfunk in München zu vertiefen. Das Seminar wurde von Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern – Serbien, Lettland, Polen, Tschechien, Rumänien, Kasachstan, der Ukraine und Ungarn – besucht, die der deutschen Minderheit angehören. Im Mittelpunkt des Kurses stand die technische Seite der Rundfunkarbeit sowohl in Theorie als auch in Praxis.“

Die Teilnehmer:innen wurden in eine Bandbreite an technischen Geräten eingeführt und erhielten einen Einblick in die klassischen Rundfunkgenres. Außerdem erstellten sie ethnografische Berichte, die später in den BR-Studios bearbeitet wurden, und erkundeten auch experimentelle Genres, die sich speziell an junge Menschen richten und auf sozialen Medien basieren.
Während des Kurses entdeckte Heidi bedeutende Unterschiede zwischen dem deutschen und dem ungarischen Radio (bzw. dem der deutschen Minderheit). Sie fasste ihre Erfahrungen wie folgt zusammen:

„In der ungarndeutschen Redaktion werden keine Live-Sendungen mit Eingeladenen gemacht, wir senden lediglich im Voraus aufgezeichnete, geschnittene, redigierte Interviews und Reportagen. Der Grund dafür liegt einerseits in der Programmstruktur: Wir haben täglich 2 Stunden Sendezeit jeweils am Vormittag, in der wir zumeist Nachrichten, Berichte über aktuelle Ereignisse der ungarndeutschen Nationalität sowie Musik bringen.
Ein bedeutender Unterschied besteht außerdem in der Ansprechbarkeit mancher Akteure des ungarndeutschen öffentlichen oder kulturellen Lebens: Trotz der ungarndeutschen Abstammung und Zugehörigkeit beherrscht nicht jeder die deutsche Sprache auf einem angemessenen Niveau, das sprachlich richtige oder zumindest akzeptable Äußerungen in einer Sendung – ob vorher aufgezeichnet oder gar live – ermöglicht. Das erweist sich, verglichen mit dem Rundfunk in Deutschland, ganz klar als Nachteil, zumal wir beim Aussuchen von Gesprächspartnern auch diesen Umstand berücksichtigen müssen. Kompetenter Sprachgebrauch ist dagegen im (ungarischen oder deutschen) nationalen Rundfunk eine Selbstverständlichkeit.
Verglichen mit der Rundfunkarbeit sowohl in Ungarn als auch in Deutschland ergeben sich bei uns weitere wichtige Unterschiede aus den knappen Sendezeiten und den thematischen Engpässen. Nationalitätenmedien haben nämlich spezielle Aufgaben wahrzunehmen und haben nicht das Ziel, eine Art „Konkurrenz“ zu den Medien der jeweiligen Nationalsprache zu schaffen. Ihre Sendungen sollen ausdrücklich für die betreffende Minderheit über deren Leben und Ereignisse zusammengestellt werden, daher beschränkt sich die Themenwahl größtenteils auf Anliegen der Nationalität; Ausblicke auf die deutsche Sprache und/oder Kultur betreffende Neuigkeiten aus den Mutterländern (Deutschland und Österreich) sind eher selten. Das hängt auch mit dem speziellen Aufgabenbereich – Identitätsstärkung, Entwicklung (mutter)sprachlicher Kompetenzen, Vermittlung populärwissenschaftlicher Kenntnisse bezüglich unserer Nationalität –, den Minderheitenmedien wahrzunehmen haben, zusammen. Somit ergeben sich erhebliche Unterschiede zu den nationalen Medien, deren Sendungen sowohl die Genres als auch die Inhalte betreffend weitgehend spezialisiert  sind: Im nationalen Rundfunk werden Nachrichtensendungen, populärwissenschaftliche, literarische, Unterhaltungs- und Sportsendungen, Studiogespräche usw. produziert, während Minderheitenredaktionen ihren komplexen Aufgaben mit relativ geringen technischen und Humanressourcen in täglich nur zwei Stunden gerecht werden müssen (beziehungsweise sollten).“

BR © Heidi Vágyi
Auf die Frage, ob es Aspekte der Radioarbeit gibt, die sie dort entdeckt hat und was sie an dem Kurs in München inspirierend fand, äußerte sich die Radiojournalistin:

„Eine Neuigkeit war für mich die Vielfalt des sprachlichen frage- und gesprächstechnischen Inventars, in dem sich auch die gegenwärtigen Entwicklungstendenzen der deutschen Sprache abzeichnen, was die gesendeten Gespräche noch lebendiger und authentischer macht. Eine Adaptation dieses Instrumentariums kann auch zur Verwirklichung unserer Aufgabe bezüglich der muttersprachlichen Erziehung der ungarndeutschen Minderheit (Rundfunk als Vermittler der Sprachnorm) beitragen.
Inspirierend war die Erkenntnis, dass man auch anhand einfacher Themen spannende Beiträge zusammenstellen kann. So wurden zum Beispiel während des Ausflugs keine besonders zusammengesetzten Inhalte bearbeitet, die entstandenen Beiträge waren trotzdem ziemlich komplex und spannend. Diese Erkenntnis kann bei der Erweiterung des thematischen Horizonts unserer Sendungen äußerst hilfreich sein.“
BR_report © Heidi Vágyi
Heidi Vágyi hatte auch die Gelegenheit, bei den Arbeiten ein experimentelles Genre speziell für junge Menschen kennenzulernen, das auf sozialen Medien (insb. Snapchat) basiert. Deswegen fragten wir nach dem möglichen Potenzial einer Kombination von Radioproduktion und digitaler Inhaltsproduktion im ungarischen Kontext:

„Dass Jugendliche nicht viel Interesse für Fernseh- und Radiosendungen zeigen, gilt auch für die Nationalitätenmedien. Es sind die sozialen Medienplattformen wie Facebook, Instagram, Tiktok oder Snapchat, über die sie leichter angesprochen werden können. In diesen sollte einerseits Werbung für die Inhalte von in Fernseh- und Rundfunksendungen gemacht werden. Außerdem können einzelne, eigens für diese Plattformen produzierte Inhalte die Traditionen der Ungarndeutschen der Jugend näher bringen. Im Gegensatz zu der bayrischen Serie sollte hier kein realistisch anmutende, aber immerhin fiktive Story erzählt, sondern einzelne Schwerpunkte wie Brauchtum, Traditionen, Geschichte und Gegenwart der Ungarndeutschen auf einfallsreiche Art und Weise bearbeitet werden.“

So fasste die junge Radiojournalistin ihre Eindrücke vom Kurs zusammen:

„Zusammenfassend kann ich feststellen, dass ich während der fast einwöchigen Fortbildung zahlreiche neue Kenntnisse erworben habe. Ich habe auf allen behandelten Gebieten etwas dazugelernt, insbesondere was die Anwendung von Computerprogrammen betrifft. Die neuen Erfahrungen und Informationen werde ich auch in meinem Arbeitsalltag beim ungarndeutschen Rundfunk und Fernsehen einsetzen können.“
 

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