Upcycling-Fashion-Store
Die andere Alternative
aluc | Foto und © (Ausschnitt): David Nassim
Der Upcycling-Fashion-Store in Berlin bietet Designern und Labels fernab der konventionellen Modeindustrie eine Plattform damit leistet er in Deutschland Pionierarbeit.
Altkleider zieren die Fassade. Auf der Eingangsstufe ein Mosaik aus Teppichfarbproben als Türvorleger. Designermode hängt an einer ausgefeilten Rohrkonstruktion. Carina Bischof dekoriert ein antikes Fenster, das nun als Tischplatte dient, mit Ohrringen aus Reißverschlüssen und mit Notizbüchern, in denen sich alte Buchseiten, Postkarten und Fotos verstecken.
Willkommen in der Welt des Upcycling
aluc | Foto und © David Nassim Die Mitbegründerin des Upcycling-Fashion-Stores erklärt die Geschäftsphilosophie: „Wir setzen auf neue kreative Ideen, außergewöhnliche und ungenutzte Materialen und ein schönes Design“. Die junge Frau trägt selbst ein Oberteil, hergestellt aus einem alten Hemd, und gibt auf diese Weise ein Antwort auf die neugierigen Fragen einiger Kunden, was dieses Upcycling überhaupt sei.aluc | Foto und © David Nassim „Recycling? Ich nenne es Down-cycling. Sie zerschlagen Ziegelsteine, sie zerschlagen alles. Was wir brauchen, ist Up-cycling bei dem alte Produkte einen höheren Wert erhalten, keinen geringeren”, beschwerte sich 1994 der Ingenieur Reiner Pilz in der britischen Zeitschrift Salvo und setzte den Begriff Upcycling erstmals in die Welt. In Deutschland sorgen Arianna Nicoletti, Carina Bischof, Luise Barsch und Jonathan Leupert mit ihrem Upcycling-Fashion-Store und ihrem Modelabel aluc dafür, dass Upcycling-Kleidung und aufbereitete Accessoires den Weg zur Kundschaft finden. Ihr Ladenkonzept ist ein Statement gegen die alltäglichen Sünden der Modeindustrie: Baumwollmonokulturen, Unterbezahlung der Näherinnen und Ressourcenverschwendung – um nur einige zu nennen.
Die drei Designerinnen Nicoletti, Bischof und Barsch lernten sich 2009 in London bei ihrer Arbeit für das Modelabel From Somewhere kennen und gründeten darauf hin gemeinsam mit dem befreundeten Betriebswissenschaftler Leupert das Label aluc. Im November 2011 folgte der nächste Schritt: die Eröffnung der Upcycling-Fashion-Stores in Berlin. „Vor drei Jahren kannte fast niemand in Deutschland die Bezeichnung Upcycling, das wollten wir ändern und haben es auch geschafft“, freut sich Carina. „Wir waren der erste Laden mit diesem Konzept in Berlin – sogar in ganz Deutschland.“
Originell, nachhaltig und sozial
Upcycling Fashion Store | Foto und © Luise Barsch Aluc – das sind Hemden, Blusen und Accessoires aus ungenutzten Rest- und Probestoffen einer Textilfabrik, die unter anderem für Hugo Boss produziert. „Freunde von uns haben eine Produktionsstätte für Upcycling in Bulgarien aufgebaut, dort lassen wir einen Teil unserer Sachen anfertigen“, berichtet Carina. Für andere Kollektionen arbeiten sie mit Behindertenwerkstätten in Berlin und Mitteldeutschland zusammen. Das Nachhaltigkeitskonzept ist in jedem Detail wiederzufinden. So stammen die Knöpfe stammen aus einem sozialen Projekt, in dem ausgedientes Material nach seiner weiteren Verwertbarkeit sortiert wird.aluc | Foto und © Marc Huth „Für uns ist es nicht realisierbar, nach einem Zero Waste Cut-Prinzip zu arbeiten. Ich bezeichne unsere Methode aber gern als Minimal Waste Cut“, bemerkt Carina. „Aus den anfallenden Reststoffen lassen wir Beutel, Portemonnaies und Handytaschen anfertigen.“ Auswechselbaren Kragen runden das Hemden-Design ab, durch sie lässt sich jedes Hemd individuell gestalten und gleichzeitig wird der frühzeitige Verschleiß verhindert.
„Es geht nicht nur darum, den Textilabfall zu verringern, sondern ihn sinnvoll zu nutzen“, betont Carina. Beginnend bei der Herstellung bis zur Entsorgung eines Kleidungsstücks fällt sehr viel unterschiedlichster Müll an. Wie aber kommen die Designer auf ihre ausgefallenen Ideen für eben diese Abfallprodukte? Für Carina ist das ein folgerichtiger Prozess: „Aus der Vielzahl der Materialien ergeben sich die unterschiedlichsten Herangehensweisen der Modeschöpfer.“ Viele von ihnen nutzen den sogenannten Pre-Consumer-Waste, das sind Nebenprodukte, die bei der Fertigung der Kleidung anfallen. Das Label From Somewhere arbeitet beispielsweise mit Fehlproduktionen, Verschnitten und Farbproben, die ursprünglich als wertlos galten und nun durch Weiterverarbeitung zu luxuriösen Designerstücken werden. Aus Alt mach Neu lautet das Prinzip des Kinderrecyclinglabels Kamaeleon, für die der Post-Consumer-Waste die Grundlage ihrer Arbeiten darstellt: Kamaeleon kreiert aus gebrauchten Textilien Kindermode, die durch das häufige Waschen von Chemikalien befreit ist.
Gemeinsam sind wir stärker
Upcycling Fashion Store | Foto und © (Ausschnitt): Luise Barsch Upcycling Fashion Store | Foto und © Marina Chahboune Die Türen zum Upcycling-Fashion-Store werden geöffnet. Carina räumt noch schnell die letzten zwei Getränkekästen zur Seite, die von dem gestrigen Modestammtisch „Strich und Faden“ übrig sind. Dort treffen sich Modemacher und Interessierte auf der Suche nach Inspiration und Unterstützung. Arianna Nicoletti hat eine Kooperation mit der Berliner Stadtmission ins Leben gerufen, die den Designern einen unkomplizierteren Zugang zu Alttextilen ermöglicht.Auf Fashion Weeks in Berlin und Paris präsentierten die Upcycling-Verfechterinnen ihre neue Idee der Modeproduktion und stießen auf viel positive Resonanz. „Wir leisten Aufklärungsarbeit über die katastrophalen Zustände in der Modeindustrie und gleichzeitig zeigen wir alternative Wege auf“, fasst Carina ihr gemeinsames Anliegen zusammen und widmet sich dann den ersten Kunden in ihrem Laden. Mit jedem neuen Besucher zieht die Idee des Upcyclings weitere Kreise.