Judith Raum | Artist and Author
Ich war im Jahr 2011 mit der Installation und der Lecture Performance harmless entrepreneurs im Goethe Institut Dublin zu Gast. Beide Arbeiten drehten sich um die wirtschaftskolonialen Interessen - so die heutige kritische Perspektive auf die damaligen Unternehmungen - des Deutschen Reiches im Osmanischen Reich vor dem Ersten Weltkrieg, allem voran das legendäre Bagdadbahn-Bauprojekt, das von der Deutschen Bank finanziert wurde. Als Künstlerin ging es mir darum, Momenten von Improvisation, von behelfsmäßigen Konstruktionen und von Widerständen aufzuspüren, also letztlich alternative Formen von Unternehmertum in dem ansonsten mit großen Gesten, viel Kapital und Maschinenpower vorangetriebenen geopolitischen Projekt.
Der Titel der Installation, even running, verwies auf den ‚gleichmäßigen‘ oder ‚reibungslosen‘ Lauf, der für Baumwollspinnmaschinen ebenso anvisiert wurde wie für den Bahnbetrieb. Baumwolle wurde über die Bagdadbahn aus Anatolien ins Deutsche Reich importiert, deutsche textile Waren dann wiederum in das osmanische Reich exportiert. Ich war auf die Geschichte von textilien Rohstoffen und von Textilien innerhalb dieser eigentlich von Stahl und Stein dominierten Erzählung gestoßen. In der Installation ging es also nicht darum, Bilder an die Wand zu hängen, sondern Stoffe durch den Raum zu spannen - und weiter waren deshalb für die Installation und Performance provisorische Gesten der Hängung und Fixierung wichtig: lange Stahlrohre zwischen Decke und Boden behelfsmäßig verkeilen, große Baumwollbahnen an unterschiedlichen Punkten an Decke und Wand befestigen.
Die Räume des Goethe-Institut Dublin waren für diese Arbeiten ein besonderer Ort, mit ihren historistischen Elementen wie Oberlicht, Stuck, Bodenleisten und Parkettboden. Ich konnte den Holzboden nicht verkratzen. In das Oberlicht aus Glas, in den Stuck liessen sich keine Haken für Hängungen von der Decke bohren. Ich musste viel vorsichtiger als in einem eher industriell gehaltenen Ambiente mit Betonestrich o.ä. agieren.
Das hat den Gesten in der Performance aber auch eine besondere Behutsamkeit gegeben. Bei aller Kraft und Genauigkeit, die bei der Aufstellung der Stahlrohren im Raum immer nötig war, war dieses Behutsame eine schöne Zutat, die auch dem Kernthema der Arbeiten entsprach - nach unterschiedlichen Formen der Berührung von Dingen zu fragen. Aus dem Oberlicht in der Return Gallery fiel ein besonderes Licht auf die farbig bearbeitete Baumwolle. Der relativ kleine Raum mit seiner hohen Deckenhöhe betonte und rahmte das Vertikale der langen Stoffbahnen, dadurch kam die Zelt-artige Hängung besonders gut zur Geltung.
Dass in Dublin eine enge Freundin und geschätzte Kollegin, Aleana Egan, wohnt, mit der ich rund um den Aufbau viel Zeit verbrachte, in Dublin und schließlich auch in ihrem Ferienhaus in Donegal, machte den Aufenthalt insgesamt unvergesslich.