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Italien

Literaturvermittlung und Kulturkommunikation
Die italienischen Literaturseiten und Kulturmagazine der letzten Jahre

Zeitschriften und Bücher
Photo by Giulia Bertelli on Unsplash

Gleichzeitig mit der Verbreitung der sozialen Medien und der Bookinfluencer, die die Literaturvermittlung und Kulturkommunikation revolutioniert haben, entstanden in Italien auch zahlreiche Literaturseiten und Kulturmagazine, die sich anspruchsvollen Textformaten widmen – nicht selten auch als Printausgabe.

Von Antonio Prudenzano

Wie bereits an anderer Stelle erzählt, hat die Verbreitung des Internets zuerst, der Boom der sozialen Medien später, die Literaturvermittlung und Kulturkommunikation revolutioniert, Hierarchien umgestürzt und neue Formate (von Stories bis Videos) ebenso wie neue Berufsbilder etabliert. Daraus folgte eine Krise der bestehenden Modelle und Dynamiken der Kulturvermittlung, die auf dem traditionellen Nutzungsverhalten beruhten.

Die Reaktion des Kulturjournalismus auf die sozialen Netzwerke

Schon 2018 hat sich Nicola Lagioia, Schriftsteller und Leiter der Turiner Buchmesse Salone del Libro in seiner Lectio für das Festival des Kulturjournalismus in Urbino, mit den Schwachstellen und der Zukunft des Kulturjournalismus und der Literaturkritik in Italien auseinandergesetzt. Diese haben auf unterschiedliche Art, unterschiedlich schnell und mit unterschiedlichen Ergebnissen auf den Wandel reagiert. Während viele historisch bedeutende Blätter ihre Kulturberichterstattung verstärkten, indem sie wöchentliche Beilagen ins Leben riefen (von La Lettura im Corriere della Sera, seit 2011, bis zu Robinson in La Repubblica, seit 2016, um zwei der wichtigsten zu nennen), ist ein großer Teil der kulturellen Debatte aus dem Feuilleton ins Netz abgewandert. Also in ein unendliches Universum, in dem nicht nur die Inhalte – Videos, Fotos, Beschreibungen – der Content Creator, Bookinfluencer und seit Neuestem Booktoker Platz finden, sondern auch die „Rezensionen“ der Leser*innen.

Einige in Italien aktive Websites und Magazine

Doch nicht nur diese. Während sich die Feeds der sozialen Medien mit Inhalten füllten, entstanden in Italien auch neue Literaturseiten und Kulturmagazine, die eine anspruchsvolle Auseinandersetzung in Form von Rezensionen, Interviews, Analysen und Longform-Beiträgen pflegen und damit jene Blogs ablösen, deren große Zeit langsam vorbei ist. Dieser Boom der Literaturseiten und Magazine verleiht einer neuen Generation von Autor*innen Sichtbarkeit. Nicht wenige heute bekannte Namen der Literatur konnten diese Publikationsformen als Sprungbrett nutzen, um später Bücher oder Artikel in den großen Tageszeitungen und Magazinen zu veröffentlichen.

Es ist nicht einfach, diese Seiten und Magazine einzuordnen, denn jede hat ihre eigene Linie und ihre Besonderheiten, auch wenn manche von ihnen zweifellos Ähnlichkeiten aufweisen. Es sind Seiten darunter, die ein breites Publikum erreichen, und solche, die ihre Nische pflegen, Seiten, auf denen es ausschließlich um Bücher geht, und solche, die sich auch für aktuelle Entwicklungen, gesellschaftliche Phänomene und andere Kunstformen interessieren.

Es gibt Seiten eher klassisch journalistischer Ausrichtung, die die Verlagswelt im Auge behalten, wie ilLibraio.it (die der Autor dieses Artikels leitet und die in dieser Form seit 2014 online ist, parallel zur Printausgabe Il Libraio), das Buchressort der Online-Tageszeitung Post, das Giornale della Libreria (das dem Verlegerverband Associazione Italiana Editori nahesteht) und die Seite BookBlister von Chiara Beretta Mazzotta.

Gute Artikel über Literaturthemen finden sich in Tascabile und in Rivista Studio, dem Onlineauftritt des gleichnamigen, quartalsweise erscheinenden Printmagazins, auf den Kulturseiten der italienischen Ausgaben von Esquire und Harper's Bazaar, ebenso in L’Indiscreto (dazu mehr später), in CheFare, im Blog von Kobo, in Cultweek, Limina, CrapulaClub, Pangea und in Not.

Wahre Institutionen der kulturellen Debatte im Internet sind Doppiozero, minima&moralia, La Balena Bianca, Le parole e le cose, La letteratura e noi und der schon historische kollektive Blog Nazione Indiana.

Gute Texte finden sich auch in einem der jüngsten Projekte, Maremosso, dem Magazin der Buchhandelskette lafeltrinelli.it, während andere schon seit Jahren Rezensionen veröffentlichen: etwai, CriticaLetteraria, SulRomanzo, Mangialibri, SoloLibri, Satisfiction und QLibri. Einen wiederum anderen Ansatz verfolgt Libreriamo. Und es gäbe noch verschiedene weitere Namen zu nennen.

Literaturmagazine, die Erzählungen veröffentlichen

Einen eigenen Artikel wiederum würden jene meist unabhängigen Literaturmagazine verdienen, die, ob gedruckt oder online oder beides, unveröffentlichte Erzählungen auswählen und veröffentlichen und damit jenen Autor*innen Entfaltungsraum bieten, die auf der Suche nach Publikationsmöglichkeiten sind, um sich bekannt zu machen (hier eine von ilLibraio.it erstellte Übersicht).

Zurück zum Papier?

Interessant und nur teilweise überraschend ist die Beobachtung, dass in der letzten Zeit verschiedene neue Projekte entstanden, die auf gedrucktes Papier setzen: Das Online-Magazin L’Indiscreto hat nun eine Printausgabe, die in Zusammenarbeit mit Tlon entstand; neu ist La Revue Dessinée Italia, ein Magazin mit Comic-Journalismus; bereits länger bestehen die von Nadia Terranova herausgegebene Literaturzeitschrift der Onlinezeitung Linkiesta K, das von Marino Sinibaldi geleitete Feltrinelli-Magazin Sotto il vulcano und das von il Post zusammen mit dem Verlag Iperborea herausgegebene Magazin Cose. Und auch diese Liste ließe sich fortsetzen.

Doch es bleibt schwierig

Doch natürlich ist in diesem wenn auch vielfältigen Bild nicht alles Sonnenschein: So sind zum Beispiel nicht alle dieser Magazine in der Lage, ihre Autor*innen zu bezahlen (wobei es sich in etlichen Fällen um nichtkommerzielle Angebote handelt, die von der Leidenschaft ihrer Gründer*innen leben), und neben der Schwierigkeit, ein tragfähiges Businessmodell zu entwickeln, gibt es auch noch jene, die Inhalte den Leser*innen schmackhaft zu machen. Und das ist keine Nebensächlichkeit … Denn die Konkurrenz ist riesig und oft erstklassig, und das nicht nur in dieser speziellen Sparte: Längst werden wir überrollt von Inhalten aller Art (auch von solchen mit Anspruch), auf den sozialen Netzwerken wie anderswo (um ganz in der Nähe zu bleiben: auch Podcasts und Newsletter werden immer mehr und sind oft sehr interessant). In den frenetischen Zeiten, in denen wir leben, beherrscht von Algorithmen und gekennzeichnet von Schlagworten wie Reizüberflutung, Schnelligkeit, Zerstreuung, digital fatigue, ist es kompliziert geworden, sein Publikum zu finden, selbst eines, das für eine bestimmte Art von Inhalten aufgeschlossen ist.

Was bringt die Zukunft?

Ein so veränderliches, vielfältiges und sich ständig weiterentwickelndes Panorama ruft unvermeidlich die Frage hervor, wie dessen Zukunft aussehen mag. Werden die neuen Generationen ebenso bereit sein, zwischen dem Gucken von Videos und dem Lesen von Artikeln und Langtexten hin- und herzuwechseln? Werden die Literaturseiten und Kulturmagazine ihre Sprache und ihr Angebot weiterhin aktuell halten können? Vorhersagen sind da kaum möglich, auch wenn die jüngste Entwicklung hin zu #BookTok und das große Interesse, das gerade die Jüngsten für das geschriebene Wort zeigen, Hoffnung machen.

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