FOOD DESIGN AND BEHAVIOR
Im Jahr 2003 gründeten Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter das Design-Atelier Honey & Bunny, ein interdisziplinäres Studio für 'eat art' und Food Design. Ursprünglich als Architekten ausgebildet, begannen sie ihre Reise im Food Design fast spontan als sie während einer Reise nach Japan von der Kultur rund ums Essen inspiriert wurden. Während Lebensmitteldesign typischerweise mit der Herstellung neuer Produkte in Verbindung gebracht wird, hinterfragt ihre Praxis die Flut neuer Produkte und versucht stattdessen, neue Denkweisen über bereits existierende Produkte zu entwickeln.
Für Honey & Bunny geht es beim Food Design um drei Designparameter: die fünf Sinne, Funktion und Kultur. Hablesreiter zitiert eine Studie, wonach die menschliche Nase 278 verschiedene Gerüche unterscheiden kann, während unsere Zunge nur sechs Geschmacksrichtungen erkennt. Warum sagt man in Europa, dass das rote Gummibärchen am leckersten ist, während es in Japan das weiße Gummibärchen ist, fragt er. "Es geht um ein strenges Prinzip der Ästhetik, wenn wir die Ästhetik ändern, haben wir die Möglichkeit, den Lebensstil zu ändern", sagt er.
Food Design XL (2005) erforscht die Ursprünge des Essens, um zu verstehen, wie und warum wir so essen, wie wir es tun. In dem Buch stellt Stummerer fest, dass "das Design von Essen und Trinken den Lebensstil ganzer Gesellschaften bestimmen kann." Das Kollektiv untersucht alles, von der Frage, warum Pizzen rund sind, bis hin zur Frage, warum Fischstäbchen rechteckig sind. "Jede Zivilisation hat Lebensmittel konserviert, transportiert, geschnitten, gekocht, gerührt und kombiniert, und diese Geschichten beeinflussen bis heute die Art und Weise, wie unser Essverhalten gestaltet ist", so Hablesreiter weiter.
"Essen ist das wichtigste tägliche Element des Lebens und nur eine Handvoll Designer beschäftigt sich damit", sagt das Duo. Sie zeigen, wie beispielsweise das Design von Etwas so Einfachem wie Brot oft widersprüchliche Geschichten beinhalten kann. "Die Ursprünge der Croissants?", fragen sie, könnten zu Ehren der Bäcker entstanden sein, die die Türken daran hinderten, die Stadt Wien einzunehmen. Oder vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass man seinen Feind isst! - das Croissant als Halbmond. Design, Performance und Kunst verflechten sich in genau der Art und Weise, wie sie Gesellschaften dazu auffordern, ihre Essensrituale zu hinterfragen.
Hinter ihrer experimentellen Theatralik verbergen sich Performances, die sich über die gängigen Normen lustig machen und sie als so willkürlich entlarven wie die eines Clowns. In ihrer Performance 'Eat Rules Design' entwerfen Honey & Bunny in Clownsschminke ein farbkodiertes Esserlebnis auf einem drei Meter langen Tisch. Das Esserlebnis wird von einer fremdartigen Etikette bestimmt, die dazu führt, dass das Publikum verzweifelt versucht, einen Platz am Tisch zu finden. 'Eat Design', veröffentlicht 2012, ist eine Dokumentation von Interventionen und Performances, in denen das Duo die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigt, wie Essinstrumente, Möbel und Räume neu gestaltet werden können. "Warum essen wir mit Waffen auf dem Tisch, und warum essen wir in Restaurants und nicht auf Parkplätzen?", fragen sie.
In jedem Szenario machen die Performance-Künstler "etwas falsch", stellen die Möglichkeit der Veränderung vor und nehmen uns das Gefühl der Unvermeidlichkeit in der Art, wie wir essen. Der Supermarkt ist Honey & Bunnys Lieblingsort für eine Performance. Wenn Menschen zwischen verschiedenen Reissorten wählen oder sich für ein Kinderei entscheiden, ein vermeintlich innovatives Produkt, treffen sie eine Entscheidung, die eine schädliche Agenda vorantreiben kann. In den überfüllten Gängen des Supermarktes fragen sie die Käufer: "Wie weit sind wir bereit zu gehen, um diese Objekte zu produzieren?" Für sie kann eine Reform der Lebensmittelindustrie nur durch eine Verhaltensänderung erreicht werden.
Stummerer und Hablesreiter glauben, dass Design ein sehr politischer Akt sein kann, da es an der Schnittstelle von Konsum und Produktion existiert; es birgt das Potenzial, Systeme durch Objekte wie Lebensmittel zu verändern. Hablesreiter glaubt, "es geht nicht darum, Fleisch aus unserer Ernährung zu streichen. Vielmehr geht es darum, zu erkennen, was wir zu gewinnen hätten, wenn wir weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren und uns bewusster ernähren würden." Ihre Serie 'Sustainable Eatshow', drei aufgezeichnete Performances, erforscht Möglichkeiten einer Reform des Lebensmittelsystems, indem sie die Zuschauer dazu inspirieren, über alternative Ernährungsweisen nachzudenken. In 'Sustainable Eatshow 1' zupft das Duo Karotten aus dem Boden, während ein Kellner über ihnen schwebt. Dem gegenüber steht das zweite Video, in dem ihre Körper und ihr Essen komplett in Klarsichtfolie gehüllt sind. Die Gestaltung dieser Essensszenarien zeigt, dass individuelle Verhaltensweisen und Entscheidungen in Bezug auf Essen zu einer politischen Reform des Lebensmittelsystems beitragen können.
Die Arbeit des Kollektivs beruht auf der Überzeugung, dass eine Veränderung der Kultur und des Verhaltens rund ums Essen zu einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem führen kann. Durch ihre ausgefallenen Szenarien verändern sie das Narrativ um Klimawandel, Lebensmittelverschwendung und unethische Lieferketten.
Sonja Stummerer und Martin Hablesreiter studierten beide an verschiedenen europäischen Universitäten Architektur. Nach ihrem Abschluss arbeiteten sie in Tokio, bevor sie das transdisziplinäre Studio Honey & Bunny in Wien gründeten, das sich auf soziale und ökologische Nachhaltigkeit konzentriert. Sie führten Regie bei dem Film "Food Design", nahmen an zahlreichen Ausstellungen zu dem Thema teil, und riefen eine Ausstellung unter dem Titel "Food Design Humanity" in Lodz/ PL ins Leben. Sie haben zwei Bücher zum Thema Food Design veröffentlich, viele internationale Vorträge dazu gehalten und lehren derzeit an der Neuen Design-Universität St. Pölten und der Universität Salzburg.