© Luchterhand Literaturverlag, München, 2019
Europa ist eine unendliche Zugfahrt, glossiert der 1972 geborene Tscheche Jaroslav Rudiš seinen ersten auf Deutsch verfassten Roman Winterbergs letzte Reise. Und in den Zug quer durch Europa setzt er ein ziemlich ungleiches Paar: einen beinahe hundertjährigen, geschwätzigen Greis und seinen viel jüngeren Begleiter, der den totkranken Klienten eigentlich nur „an das andere Ufer geleiten“ sollte, und nicht von Berlin bis nach Sarajevo. Der große Experte für (mitteleuropäische) Geschichte Wenzel Winterberg muss allerdings noch eine letzte Reise unternehmen – er will die Gräber seiner in der Schlacht bei Königgrätz gefallenen Vorfahren finden und verfolgt zudem auch die Spuren einer lange erloschenen Liebe, die er in früheren Zeiten verraten hat. Sein tschechischer Krankenpfleger Jan Kraus kehrt so gegen seinen Willen in sein Heimatland, aus dem er geflohen ist, und in die eigene dunkle Vergangenheit zurück.
Ehrliches Geschichtsinteresse, Liebe zum Bier und zur Eisenbahn, eine gewisse Zuneigung für Sonderlinge, Melancholie, leicht durchschaubarer Humor und vor allem treffsichere Abschnitte in direkter Rede – das sind die bewährten Konstanten von Rudišs Prosawerken, auf die sich auch sein aktueller, tragikomischer Roman stützt, der für den Preis der Leipziger Buchmesse 2019 nominiert wurde.
Luchterhand Literaturverlag