© Verbrecher Verlag, Berlin, 2018
Berlin als Symbol einer egalitären und kollegialen Mentalität verwandelt sich dank steigenden Miet- und Wohnkosten durch die Jahre fast unmerklich zum Musterbeispiel der Entwertung individueller, nicht-kapitalistischer, vor allem künstlerisch orientierter Lebensentwürfe. Keinen Entwurf zu haben und keine konkrete Familienplanung zu befolgen, scheint suspekt und irrational zu sein.
Anke Stelling trifft den Zeitgeist mehrerer Generationen zugleich, bricht das Tabu der still leidenden und sich aufopfernden Mutter, thematisiert die gefährliche Grenze zwischen dem „Schreiben über sich selbst“ und dem „Schreiben über die Intimsphäre der Anderen“. Das Leben der Anderen ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens, könnte man sagen. Das Leben der Mutter ein entscheidender Teil des Lebens eines jeden Kindes, zu oft vernachlässigt oder nicht angesprochen. Wie viel Information über das Leiden und die Träume der eigenen Mutter ist dem Kind zumutbar? Es sind oft die Mütter, die patriarchale Muster unkritisch weitergeben. Dagegen arbeitet Anke Stelling mit ihrer pointierten Aufklärungsarbeit, die manche als „Jammern“ abtun wollten – dabei ist es so viel mehr, da mit jeder Menge Intelligenz, (Selbst-)Ironie und sprachlicher Bravour geschrieben, wovon auch die zahlreichen Preise zeugen.
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