30 Jahre Goethe-Institut Riga

Das Goethe-Institut Riga feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. Dieses Jubiläum markiert nicht nur drei Jahrzehnte erfolgreicher kultureller Zusammenarbeit zwischen Lettland und Deutschland, sondern auch die beeindruckende Entwicklung Lettlands seit dem Zerfall der Sowjetunion.

Von Arendt Röskens

1993 nahm das Goethe-Institut Riga seine Arbeit auf – nur wenige Jahre nach der Wiedererlangung der staatlichen Unabhängigkeit Lettlands und der Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zu Deutschland. Der Austausch zwischen beiden Ländern auf der Ebene der Kultur und Bildung war ein Grundpfeiler in der umfassenden Wiederherstellung der Beziehungen. Ein starker Geist von Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung wehte durch ganz Osteuropa – alle Möglichkeiten schienen offen, als Lettland gemeinsam mit andere osteuropäischen Ländern Richtung Europäischer Union aufbrach.
In diesem Klima des Umbruchs und Neuanfangs wurden in den 1990er Jahren zahlreiche Goethe-Institute in Osteuropa gegründet – in demselben Jahr wie in Riga wurden auch die Goethe-Institute in Bratislava, Minsk, St. Petersburg und Kiew eröffnet.

Das Goethe-Institut hat Lettlands tiefgreifenden Transformationsprozess nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit eng begleitet; es hat durch Sprachkurse und Stipendien neue berufliche und persönliche Perspektiven geschaffen, mit der lettischen Kunst- und Kulturszene die Umwälzungen reflektiert und unterstützt sowie die Perspektiven in Lettland durch deutsche und europäische Stimmen ergänzt und erweitert.

Heute, 30 Jahre später, ist Lettland ein demokratisches Land in der Europäischen Union mit einer aktiven Zivilgesellschaft und einer vielfältigen Kulturszene. Von den erwähnten Goethe-Instituten, die auch 1993 ihre Arbeit aufgenommen haben, sind nur noch die Institute in Riga und Bratislava in Ländern aktiv, die das Zukunftsversprechen von Freiheit und Demokratie eingelöst haben; Belarus und Russland sind mittlerweile wieder fest in der Hand von autokratischen Regimen, das Goethe-Institut Minsk wurde von der belarussischen Regierung geschlossen, die Ukraine befindet sich mitten in einem Angriffskrieg, durch den Russland den von der Ukraine eingeschlagenen Weg Richtung Europa und staatlicher Selbstbestimmung verhindern will.

Dieses Schlaglicht auf die 1993 gegründeten Goethe-Institute zeigt, wie unterschiedlich sich die Welt nach dem Kalten Krieg entwickelt hat und wie stark sie heute von Multipolarität geprägt ist. Auch in den europäischen und westlichen Ländern finden illiberale und autoritäre Ideen immer stärkeren Widerhall. In dieser Gemengelage vertreten Deutschland und Lettland dieselben, wertebasierten Überzeugungen einer weltoffenen, freien und demokratischen Gesellschaft und verteidigen die durch gemeinsame Grundwerte verbundene Idee eines gemeinsamen Europa. 

Mit den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen hat sich auch die Arbeit des Goethe-Instituts in den vergangenen 30 Jahren grundlegend verändert. Kulturaustausch in Form von Repräsentationskultur tritt immer stärker in den Hintergrund zugunsten eines aktiven Austausches, Zusammenarbeit und Koproduktion. Die Arbeit des Goethe-Instituts in Lettland versteht sich nicht als Einbahnstraße, sondern wirkt nach Deutschland zurück, indem nachhaltige Netzwerke und Partnerstrukturen im Kultur- und Bildungsbereich aufbaut werden, so dass lettischen Stimmen, Perspektiven und Debatten auch in Deutschland gehört werden.

Das Goethe-Institut Riga setzt sich heute gemeinsam mit den lettischen Partner*innen vorrangig mit Themen wie Demokratie, Desinformation, gesellschaftliche Teilhabe von Minderheiten, Gleichberechtigung der Geschlechter, Narrative geschichtlicher Erinnerung,  Okkupation, NS-Besatzung und NS-Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung Lettlands auseinander.

Diese partnerschaftliche Zusammenarbeit bildet das Fundament, mit dem auf die Herausforderungen der Zukunft reagiert werden kann: die Auswirkungen des Ukrainekrieges auf Lettland, Deutschland und die gesamte Welt, das zunehmende Gewicht autokratischer und illiberaler Regime wie Russland und China im globalen Wettbewerb der Narrative, die Zukunft der Europäischen Union in einer neuen Weltordnung.

In diesem Sinne schauen wir zuversichtlich in die lettisch-deutsche Zukunft und auf die Herausforderungen, die wir nur gemeinsam meistern können.


Auf die nächsten 30 Jahre!

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