Colonia Dignidad kommt ins Kino
Im Februar startet der Film „Colonia Dignidad. Es gibt kein Zurück“ von Florian Gallenberger in den deutschen Kinos, mit Stars wie Daniel Brühl und Emma Watson. Der Film behandelt die Missbrauchsbeziehungen zwischen Paul Schäfer und den Mitgliedern seiner Sekte. Zugleich entsteht auch ein chilenischer Film, der genau das anspricht, was „Colonia“ meidet.
Trotz allem scheint er meiner Meinung nach ein deutscher Film zu sein, der von deutschen Bürger*innen handelt und der versucht, die Beschützerrolle der deutschen Botschaft gegenüber Paul Schäfer und seinen Anhängern zu verurteilen. Natürlich werden Szenen des Militärputsches und der Verhafteten im Nationalstadion gezeigt (alles in Buenos Aires gefilmt), und auch die Tunnel, in denen die Gefangenen der DINA in der Colonia Dignidad gefoltert wurden kommen vor, aber der Mittelpunkt der Geschichte besteht in den perversen Machtspielen der Deutschen unter sich: zwischen den Kolonie-Bewohner*innen, zwischen Schäfer und seinen Anhängern, zwischen der Botschaft und den deutschen Bürger*innen, die ihrer Rechte beraubt worden waren.
Es kann darüber gestritten werden, ob das Drehbuch glaubwürdig ist oder nicht. Auch wenn sich diese Perspektive, ins Innere der Dignidad zu blicken, als interessant herausstellt, was bis jetzt im Kino weniger bekannt war, erscheint der Militärputsch eher als eine Ausrede des Drehbuchs zu sein, um die Figuren in Bewegung zu setzen. Es gibt wenig über die chilenischen Opfer und genau das wird in Chile beim Schauen des Filmes vermisst werden. Es werden alle möglichen Missbrauchstaten von Schäfer in der Colonia Dignidad dargelegt, aber keine chilenischen Opfer der ungezügelten Pädophilie des Sektenführers kommen zur Sprache.
All das, was Colonia Dignidad meidet, wird in dem Filmprojekt In the shade of the trees des jungen chilenischen Regisseurs Matías Rojas Valencia angesprochen, der 2014 am Coproduction Market der Berlinale teilnahm, um internationale Finanzierung zu erreichen. Matías Rojas Valencia will die Geschichte der Kolonie eben gerade durch die Perspektive eines der chilenischen Kinder erzählen, die von Schäfer missbraucht wurden, und die ihren Müttern rechtswidrig weggenommen wurden. Dies war das einzige Verbrechen, wofür Schäfer erfolgreich zur Rechenschaft gezogen wurde, aber es wird immer noch als großes Tabu wahrgenommen. Aus genau diesem Grund spricht der junge Regisseur dies aus den Augen eines Kindes an. Es ist nicht seine erste Erfahrung mit der Kindheit im Rahmen eines Filmes: sein erster Film Root ist der Road Movie eines Kindes, und wurde mit dem ersten Preis des Internationalen Filmfestival Valdivias 2015 ausgezeichnet. In the shade of the trees befindet sich noch in der Produktionsphase, und wir hoffen, dass er bald auf den Leinwänden der Welt erscheinen kann.