Interview mit den Kuratorinnen vom Schwulen Museum Berlin
„Wir wollen Konflikte herausstellen“
Die Kuratorinnen der Ausstellung „Queer as German Folk“ | © Schwules Museum Berlin
Die Kuratorinnen der Ausstellung Queer as German Folk Birgit Bosold und Carina Klugbauer vom Schwulen Museum Berlin über queere Widerstände, ungehörte Stimmen und die Kunst der kontrovers geführten Debatte.
Was möchten Sie mit „Queer as German Folk“ erzählen, was nach 50 Jahren Stonewall noch nicht zum Thema gesagt worden ist?
Klugbauer: Wir nehmen die Stonewall-Proteste als Anlass, um queere Bewegungsgeschichte in Deutschland zu erzählen — wollen aber auch hinterfragen, wie diese Bewegungsgeschichte konstruiert wird. Stonewall war ein Moment, an dem sich etwas verschoben hat für einen Aufbruch. Aber dieser große Moment verdeckt auch viel. Es gab auch vor und neben Stonewall schon queeres Leben, und eben auch Widerstand und Aktivismus. Das wollen wir sichtbar machen, aber nicht als eine homogen geschriebene Geschichte, wie das sonst oft versucht wird. Wir wollen das neu erzählen: Bewegungsgeschichte in Form von Schlaglichtern.
Bosold: Wir versuchen, Überraschungsmomente herzustellen. Dass man Dinge in Kombination sieht, die man so vielleicht noch nie zusammen gedacht hat: westdeutsche Schwulenbewegung und lesbische Kirchengruppen in der DDR zum Beispiel; das erste deutsche Netzwerk schwarzer Frauen in den Achtzigerjahren und Trans*-Filmfestivals von heute. Es geht darum, die Konflikte herauszustellen. Wir wollen das Revoltenhafte einfangen. Alles, wo es ein bisschen geruckelt hat und immer noch ruckelt. Stimmen zu Wort kommen lassen, die sonst kaum gehört werden.
Welche Stimmen meinen Sie?
Bosold: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir die DDR-Perspektive sehr stark gemacht haben. Das wird sonst oft als Sonderkapitel abgehandelt, auch weil es über westdeutschen Aktivismus einfach viel mehr Material gibt. Wir haben versucht, die ostdeutschen queeren Bewegungen nicht nur mitzuerzählen, sondern ihnen einen angemessenen Raum zu geben.
Klugbauer: In vielen Stonewall-Erzählungen liegt der Fokus klar auf der Schwulenbewegung. Die spielt bei uns natürlich auch eine wichtige Rolle, aber wir haben zudem versucht, Personen, Perspektiven und Identitäten in diese Geschichte aufnehmen, die sonst nicht vorkommen — die People-of-Color-Community etwa, Feministinnen oder auch Trans*-Personen und intersexuelle Menschen.
Sind die Stonewall-Aufstände von 1969 als Befreiungsmoment für die deutsche Queer-Bewegung so wichtig wie für die nordamerikanische?
Bosold: Wichtig waren sie auch in Deutschland, aber auf eine ganz andere Art und Weise und mit viel Verzögerung. In den USA haben sie unmittelbar etwas Großes ins Rollen gebracht, da hat sich etwas entladen. In den beiden Deutschlands wurde viel später darauf Bezug genommen
Klugbauer: Erst 1979 gab es deutsche Pride Parades, die explizit als solche gelabelt wurden. Die Momente, die in Deutschland so einen Umschwungeffekt hatten wie Stonewall in den USA, waren ja andere: der Film von Rosa von Praunheim etwa, die lesbischen Proteste um den „Hexenprozess“ von Itzehoe oder auch die Abtreibungsdebatte. Die Art der Konfrontation war in den USA eine andere, eine viel offensivere. In Deutschland lief das etwas verkopfter ab.
Wie kam es zu der Idee einer Ausstellung „on demand"?
Klugbauer: Uns war es wichtig, dass die Ausstellung niedrigschwellig gezeigt werden kann, an verschiedensten Orten. Die Produktionskosten sind gering, weil wir ja keine Originale zeigen. Wir wollen queere Bewegungsgeschichte so für alle zugänglich machen — und diese Idee haben unsere großartigen Szenografen von der Agentur chezweitz wirklich toll umgesetzt. Was ich sehr spannend finde: Die Leute bauen das selber vor Ort auf und können die Ausstellungselemente immer anders positionieren, eigene neue Verbindungslinien zwischen den Schlaglichtern ziehen. Gleichzeitig können sich die Communitys vor Ort mit ihrer eigenen Geschichte in die Ausstellung einschreiben.
Bosold: Die Szenografie ist ein ganz integraler Anteil von Ausstellungen und chezweitz haben da eine unglaubliche Kompetenz. Die Objekte selber machen ja nicht einfach die Ausstellung, die müssen in einer Weise präsentiert werden, die eine Stimmung erzeugt, einen Grundton. Und diesen rauen Ton zu treffen, den wir über die Dokumente und die Textauswahl erzeugen — das in einer so einheitlichen Anmutung einzufangen, ist eine große Kunst.
Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut ab?
Bosold: Kurz gesagt: ein Traum. Überhaupt die Tatsache, dass so eine wichtige Institution eine Ausstellung über queere Bewegungsgeschichte initiiert, ist bemerkenswert. Dass man sie auf der ganzen Welt zeigen kann. Und dieses Konzept ist ja nicht eins, was wir uns im stillen Kämmerlein ausgedacht haben. Es gab ein intensives Hin und Her, da ist ein echter Austausch entstanden.
Klugbauer: Es war eine richtige Debattenkultur. Und Debatten, die lieben wir ja.
Klugbauer: Wir nehmen die Stonewall-Proteste als Anlass, um queere Bewegungsgeschichte in Deutschland zu erzählen — wollen aber auch hinterfragen, wie diese Bewegungsgeschichte konstruiert wird. Stonewall war ein Moment, an dem sich etwas verschoben hat für einen Aufbruch. Aber dieser große Moment verdeckt auch viel. Es gab auch vor und neben Stonewall schon queeres Leben, und eben auch Widerstand und Aktivismus. Das wollen wir sichtbar machen, aber nicht als eine homogen geschriebene Geschichte, wie das sonst oft versucht wird. Wir wollen das neu erzählen: Bewegungsgeschichte in Form von Schlaglichtern.
Bosold: Wir versuchen, Überraschungsmomente herzustellen. Dass man Dinge in Kombination sieht, die man so vielleicht noch nie zusammen gedacht hat: westdeutsche Schwulenbewegung und lesbische Kirchengruppen in der DDR zum Beispiel; das erste deutsche Netzwerk schwarzer Frauen in den Achtzigerjahren und Trans*-Filmfestivals von heute. Es geht darum, die Konflikte herauszustellen. Wir wollen das Revoltenhafte einfangen. Alles, wo es ein bisschen geruckelt hat und immer noch ruckelt. Stimmen zu Wort kommen lassen, die sonst kaum gehört werden.
Welche Stimmen meinen Sie?
Bosold: Ein wichtiger Punkt ist, dass wir die DDR-Perspektive sehr stark gemacht haben. Das wird sonst oft als Sonderkapitel abgehandelt, auch weil es über westdeutschen Aktivismus einfach viel mehr Material gibt. Wir haben versucht, die ostdeutschen queeren Bewegungen nicht nur mitzuerzählen, sondern ihnen einen angemessenen Raum zu geben.
Klugbauer: In vielen Stonewall-Erzählungen liegt der Fokus klar auf der Schwulenbewegung. Die spielt bei uns natürlich auch eine wichtige Rolle, aber wir haben zudem versucht, Personen, Perspektiven und Identitäten in diese Geschichte aufnehmen, die sonst nicht vorkommen — die People-of-Color-Community etwa, Feministinnen oder auch Trans*-Personen und intersexuelle Menschen.
Sind die Stonewall-Aufstände von 1969 als Befreiungsmoment für die deutsche Queer-Bewegung so wichtig wie für die nordamerikanische?
Bosold: Wichtig waren sie auch in Deutschland, aber auf eine ganz andere Art und Weise und mit viel Verzögerung. In den USA haben sie unmittelbar etwas Großes ins Rollen gebracht, da hat sich etwas entladen. In den beiden Deutschlands wurde viel später darauf Bezug genommen
Klugbauer: Erst 1979 gab es deutsche Pride Parades, die explizit als solche gelabelt wurden. Die Momente, die in Deutschland so einen Umschwungeffekt hatten wie Stonewall in den USA, waren ja andere: der Film von Rosa von Praunheim etwa, die lesbischen Proteste um den „Hexenprozess“ von Itzehoe oder auch die Abtreibungsdebatte. Die Art der Konfrontation war in den USA eine andere, eine viel offensivere. In Deutschland lief das etwas verkopfter ab.
Wie kam es zu der Idee einer Ausstellung „on demand"?
Klugbauer: Uns war es wichtig, dass die Ausstellung niedrigschwellig gezeigt werden kann, an verschiedensten Orten. Die Produktionskosten sind gering, weil wir ja keine Originale zeigen. Wir wollen queere Bewegungsgeschichte so für alle zugänglich machen — und diese Idee haben unsere großartigen Szenografen von der Agentur chezweitz wirklich toll umgesetzt. Was ich sehr spannend finde: Die Leute bauen das selber vor Ort auf und können die Ausstellungselemente immer anders positionieren, eigene neue Verbindungslinien zwischen den Schlaglichtern ziehen. Gleichzeitig können sich die Communitys vor Ort mit ihrer eigenen Geschichte in die Ausstellung einschreiben.
Bosold: Die Szenografie ist ein ganz integraler Anteil von Ausstellungen und chezweitz haben da eine unglaubliche Kompetenz. Die Objekte selber machen ja nicht einfach die Ausstellung, die müssen in einer Weise präsentiert werden, die eine Stimmung erzeugt, einen Grundton. Und diesen rauen Ton zu treffen, den wir über die Dokumente und die Textauswahl erzeugen — das in einer so einheitlichen Anmutung einzufangen, ist eine große Kunst.
Wie lief die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut ab?
Bosold: Kurz gesagt: ein Traum. Überhaupt die Tatsache, dass so eine wichtige Institution eine Ausstellung über queere Bewegungsgeschichte initiiert, ist bemerkenswert. Dass man sie auf der ganzen Welt zeigen kann. Und dieses Konzept ist ja nicht eins, was wir uns im stillen Kämmerlein ausgedacht haben. Es gab ein intensives Hin und Her, da ist ein echter Austausch entstanden.
Klugbauer: Es war eine richtige Debattenkultur. Und Debatten, die lieben wir ja.