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Feminismus heute: die fünf wichtigsten Fragen

Der Feminismus hat in den letzten Jahren enorm an medialer Aufmerksamkeit gewonnen. Aber wo stehen wir derzeit wirklich? Welche Entwicklungen beobachten wir bei den großen feministischen Themen wie geschlechtsspezifischer Gewalt oder Schönheitsidealen? Wie sieht es aus mit den Machtverhältnissen in der neuen Arbeitswelt und einer ökologischeren Wirtschaftsordung? Welche Bedeutung hat Geschlecht unter Bedingungen einer Pandemie?

Feminismus Prinzessin EmpowermentFoto: irina_levitskaya © fotolia.com
Empowerment, Gleichberechtigung, Feminismus, BusinessfrauFoto: skypicsstudio © Fotolia.com
Empowerment, Gleichberechtigung, Feminismus, Frauenbild mit MaskeFoto: skypicsstudio © Fotolia.com

Feminismus 4.0 - Jung, kreativ und frech

Das Internet und die sozialen Medien haben frischen Wind in die Frauenbewegung gebracht. Die Cyberaktivistinnen nutzen es, um sich zu vernetzen und sich auszutauschen, um zu informieren oder zu mobilisieren. Aber es gibt auch feministische Kritik am Netz.
 


Schöne neue Welt - wie möchten wir zusammen leben?

Wie sind Beziehungen, Fürsorge und Erwerbstätigkeit unter einen Hut zu bringen? Noch immer werden Frauen, ganz im Sinne eines klassischen Rollenmodells, pflegende und sorgende Tätigkeiten zugeschrieben. Aber in der deutschen Gesellschaft sind Alleinerziehende ebenso die Regel wie Patchwork-Familien, queere, trans- oder polyamouröse Beziehungen. Welche Formen des Zusammenlebens passen in die heutige Zeit? Und was ändert sich im Berufsleben?

 


Wer bin ich – und wer will ich sein?

Mann, Frau – und sonst nichts? Wer sich in keiner dieser Kategorien zu Hause fühlt, löst Verwirrung aus. Der aktuelle Feminismus setzt auf Vielfalt und fragt: Muss der Unterschied zwischen Mann und Frau in Stein gemeißelt sein? Unterdrücken uns diese Geschlechter-Zuordnungen nicht eher?


Kinder, Kinder - wem gehört mein Bauch?

„Ob Kinder oder keine, entscheiden wir alleine“ – die Hoheit über den eigenen Körper war lange Zeit eine der wichtigsten feministischen Forderungen. Das ist noch immer so – allerdings unter anderen Vorzeichen. Mittlerweile können Menschen Kinder bekommen, denen dies früher versagt gewesen wäre. Zugleich können schon früh Aussagen über genetische Anomalien getroffen werden. In welchem Zusammenhang stehen Ethik der Reproduktion und technologischer Fortschritt? Sechs Kulturschaffende erzählen ihren persönlichen Standpunkt. Von Kirsten Achtelik

  • Frl. Wunder AG Foto (Ausschnitt): © Frl. Wunder AG

    Frl. Wunder AG: „Irritationen aushalten und Wege eröffnen“

    Ob Abtreibung, künstliche Befruchtung oder Klonen: Je mehr medizinisch und technisch möglich ist, desto schwieriger wird es, eindeutig Position zu beziehen – auch aus feministischer Perspektive. Diese häufig emotional aufgeladenen Debatten werfen jenseits von wichtigen Forderungen wie etwa der nach einem Selbstbestimmungsrecht über den weiblichen Körper komplexe ethische Fragen auf subjektiver wie gesamtgesellschaftlicher Ebene auf. Mit Theater und Performance können wir andere Zugänge schaffen, normative Strukturen offenlegen und verhandelbar machen. Sie können persönlich sein, berühren, provozieren und gleichzeitig zum Lachen bringen. So entsteht ein utopischer Raum, in dem wir jenseits von Eindeutigkeiten mit dem Publikum etwas entwickeln, was Irritationen aushält und Wege eröffnet.

    Das Theater- und Performancekollektiv Frl. Wunder AG besteht aus sieben Menschen unterschiedlichen Geschlechts, hat Abtreibungen wie auch Auseinandersetzungen mit Unfruchtbarkeit hinter sich und bis heute sieben (nicht nur biologische) Kinder.
  • Ninia Binias Foto (Ausschnitt): © Nina Binias

    Ninia LaGrande: „Zu klein, um ein Kind zu haben.“

    Keine Angst, es wird nicht so wie Sie“, sagt der Pränataldiagnostiker und lächelt mich fröhlich an. Nicht so wie ich. Nicht so fehlerhaft. Nicht so klein. Nicht so anders.
    „Bleibt es denn auch so klein?“ fragt der fremde Mann auf der Straße. So klein wie ich. So klein. Zu klein. Um so klein zu bleiben, muss es erstmal größer werden. „Wie groß ist denn der Vater?“ Gibt es noch eine Chance für das Kind? Wird es vielleicht doch normal? Wird es groß? „Ist das Ihr Kind?“ ruft die Frau erstaunt. „Sie sind doch selbst noch ein Kind“, setzt sie hinterher. Mit 34 zu Kind, um ein Kind zu haben. Zu klein, um ein Kind zu haben. „Keine Auffälligkeiten“, sagt die Humangenetikerin. Keine Auffälligkeiten. Kein Anlass zu handeln. Ein Anlass zur Beruhigung. Alles wie vorgesehen. Alles in Ordnung?!

    Ninia LaGrande lebt und arbeitet in Hannover unter anderem als Poetry Slammerin. Seit 34 Jahren erlebt sie die Welt aus einer anderen Perspektive und schreibt darüber, um nicht ständig den Kopf auf den Tisch hauen zu müssen.
  • Sookee Foto (Ausschnitt): © Sookee

    Sookee: „Ich arbeite daran, ein Problembewusstsein zu schaffen.“

    Mir sind queere Perspektiven im Themenfeld sexuelle und reproduktive Rechte und Familie besonders nahe, sie spielen auch in meiner Musik eine wesentliche Rolle. Ich selber bin als pan*-cis*Frau froh darüber, dass die Möglichkeit schwanger zu werden und als Familie zu leben, für mich unkompliziert lief [Anm.d.Red.: pan* bezeichnet eine Person, die Menschen unabhängig von deren Geschlecht begehrt, cis* eine Person in Übereinstimmung mit ihrem zugewiesenen Geschlecht]. Dass nichtbinären, homosexuellen und transgeschlechtlichen Menschen der Weg zur Familiengründung massiv erschwert wird, ist unerträglich. Mit dem Song Queere Tiere und dem Seepferdchen als Symbol für (trans)männliche Schwangerschaft und Elternschaft adressiere ich das Thema, immer wieder auch über meine Musik hinaus zum Beispiel in Interviews. Das klappt ganz gut: Ich habe in vielen Gesprächen die Groschen fallen hören. Ich habe keine realpolitischen Lösungen parat, arbeite aber daran, ein Problembewusstsein zu schaffen. 

    Sookee lebt als Rapperin und Feministin in Berlin und streut von dort aus Idealismus und kritische Analysen auf Bühnen, Podien und in die Biografien vieler Menschen.
  • Milo Rau Foto (Ausschnitt): © IIPM/Thomas Müller

    Milo Rau: „In der Schwangerschaft aussortiert, in der Kunst gefeiert“

    Für Die 120 Tage von Sodom, das ich zusammen mit Schauspielerinnen und Schauspielern des Theaters HORA am Schauspielhaus Zürich inszenierte, die fast alle mit Trisomie 21 leben, beschäftigte ich mich mit Pränataldiagnostik: also der Möglichkeit, den Zustand des Fötus zu untersuchen. An sich eine gute Sache (wie alles, was die Entscheidungsfreiheit schwangerer Frauen oder Paare erhöht), aber es führt dazu, dass in der Schweiz neun von zehn Föten mit Trisomie 21 abgetrieben werden. Ein paradoxer Befund: Das hart erkämpfte Recht auf Abtreibung wird in der Praxis zur Selektion. Diese Paradoxie wird dadurch verschärft, dass die HORA-Truppe in der europäischen Theaterszene mit den höchsten Preisen ausgezeichnet wird. In der Schwangerschaft aussortiert, in der Kunst gefeiert. Diesen Widerspruch – oder diese Dialektik der Freiheit – haben wir in Die 120 Tage von Sodom zum Thema gemacht.

    Milo Rau ist Autor, Film- und Theaterregisseur und künstlerischer Leiter des IIPM – International Institute of Political Murder.
  • Anne Zohra Berrached Foto (Ausschnitt): © Anne Zohra Berrached

    Anne Zohra Berrached: „Viele Beteiligte schämen sich und schweigen.“

    Spätabtreibung, Leihmutterschaft, Eizellspende: Kaum eine medizinische Sparte hat sich in den vergangenen Jahren so rasant weiterentwickelt wie die Reproduktionsmedizin. Es ist heute möglich, Schwangerschaft auszulagern und die eigene befruchtete Eizelle von einer anderen Frau austragen zu lassen. Frauen können Kinder gebären, mit denen sie biologisch nicht verwandt sind. Genauso wie über Spätabtreibung wird auch über diese Themen in Deutschland kaum öffentlich diskutiert. Viele Beteiligte schämen sich und schweigen. Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft solche Themen gemeinsam anschaut, ohne zu verurteilen sondern stattdessen fragt welche Ängste, Sorgen und Wünsche sich dahinter verbergen. In meinen eigenen Arbeiten versuche ich ohne erhobenen Zeigefinger, Menschen und ihre Geschichten fühlbar zu machen.

    Anne Zohra Berrached ist Regisseurin und Drehbuchautorin der Filme „24 Wochen“ und „Zwei Mütter“.
  • Moira Zoitl Foto (Ausschnitt): © Moira Zoitl

    Moira Zoitl: „Der Blick auf den Fötus hat sich verändert.“

    Der Titel meiner Arbeit Misplaced Concreteness meint die „Konkretion am falschen, am ver-rückten Ort“, wie es die Medizinhistorikerin Barbara Duden ausgedrückt hat, und ist eine Anspielung auf Lennart Nilssons Fotografien der Entstehung des Lebens. Die Bilder des Fötus‘ im Uterus erschienen 1965 im Life-Magazin: Mit fotografischen Mitteln war es nicht möglich, den Fötus abzubilden, und so erschuf er durch Montage eine interpretative Darstellungen der Wirklichkeit. Der Fötus „im Porträt“ wird so bereits pränatal zum schützenswerten Lebewesen gemacht. Dieser sich verändernde Blick auf den Fötus legitimierte, Schwangerschaft immer mehr staatlich zu kontrollieren. Die Eigenverantwortung und Selbstwahrnehmung der einzelnen Frau über die Vorgänge in ihrem Körper ging so zunehmend verloren.

    Moira Zoitl ist bildende Künstlerin. Sie beschäftigt sich in ihren Videoinstallationen mit rituellen Gegenständen, Abbildungen und Darstellungen der Fertilität. Diese setzt sie ins Verhältnis zum Umgang mit dem menschlichen Körper im Gesundheitswesen.

Prinzessin to go – Wie seht ihr mich?

Bin ich zu dick, zu alt, nicht schön genug? Bilder idealisierter Weiblichkeit prasseln tagtäglich auf uns ein, verunsichern uns und vermitteln traditionelle Rollenbilder, die Frauen auf ihr Äußeres reduzieren. Feministische Debatten setzen diesen Images „empowernde“ Strategien der Selbstbehauptung entgegen.


Black and the City - Eine Frage der Haut

In einer Zeit, in der rechtspopulistische Strömungen gesellschaftsfähig werden, macht sich der Feminismus vermehrt für Antirassismus und die Integration von People of Colour stark. Nicht nur, weil nicht-weiße Frauen in ganz anderer Weise von Sexismus betroffen sind, als weiße, westliche Frauen. Auch, weil das rassistische Klischee des „gefährlichen dunklen Fremden“ zunehmend politisch instrumentalisiert wird. 


Selbsttest: Wie viel Feministin steckt in mir?





Lange war Feminismus in Deutschland „igitt“ und allein der Begriff löste Ängste und Ablehnungen aus. Doch diese Zeiten sind jetzt vorbei: Feministische Slogans prangen sogar auf T-Shirts jeder größeren Bekleidungskette. Ein günstiger Moment, bei sich selbst den Check zu machen: Konnten abseits von kurzlebigen Modetrends feministische Überzeugungen auch in meinem Leben Fuß fassen? Wie viel Feminismus steckt in mir? Finde es heraus: Klick auf [Start], und los geht's.
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