Humboldts Höhenrekord
Die Besteigung des
Vulkans Chimborazo
Von Swantje Schütz
Geplant hatte Alexander von Humboldt eine Weltreise, bereist hat er stattdessen dann von 1799 bis 1804 fünf Jahre lang Amerika. Zu seinem und unserem Glück. Die Besteigung des erloschenen Vulkans Chimborazo in den Anden mit seinem Reisegefährten, dem französischen Botaniker und Arzt Aimé Bonpland, und dem in Ecuador geborenen Adligen Carlos Montúfar, brachte beispielsweise bedeutende Forschungsergebnisse zutage, die noch heute unser Verständnis von den Vegetationszonen der Erde prägen. Obwohl sie 1802 den Gipfel des 6.263 Meter hohen Berges nicht erreichten und auf der Höhe von 5.917 Meter umkehrten, war es dennoch ein Höhenrekord für lange Zeit.
Luis Miguel Campos als Carlos Montúfar und Jan Josef Liefers als Alexander von Humboldt
| ©DEFA-Stiftung/Wolfgang Ebert, Dietram Kleist
Verfilmt
Die Besteigung des damals höchsten Berges und wie es dazu kam, wurde vom deutschen Regisseur Rainer Simon 1989 verfilmt. Noch zu DDR-Zeiten wurde an Originalschauplätzen gedreht. Der Film macht die enormen Strapazen deutlich, die Humboldt und seine Begleiter erlebt haben. Eisige Kälte, eine der damaligen Zeit entsprechende Ausrüstung, keine Handschuhe und die Höhenkrankheit mit Schwindel, Übelkeit und Blutungen – schlimmer geht es fast nicht.
Die Besteigung des Chimborazo
| ©Goethe-Institut
Humboldt als Vorbild
Michael Martin, ein deutscher Geograf und bekannter Wüstenfotograf hat den Chimborazo 2017 im Rahmen seines weltweiten Fotoprojektes „Planet Erde“ bestiegen, eines Projektes, das 2020 veröffentlicht wird. Ideengeber war Humboldt mit seiner Besteigung des Vulkans, die Martin aus Andrea Wulfs Buch „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“ kannte. Martin über seine Motive:
„Der Berg war für Humboldt der Ideengeber für seine Abfolge der Höhenstufen. Und es ist der Punkt, der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist.“
Michael Martin
Martin bezeichnet Humboldts Besteigung als „einen unglaublichen Kraft- und Willensakt“. Er hat während seiner Besteigung 2017 auch an den berühmten Erstbesteiger gedacht, „zumal wir in gleicher Höhe umkehren mussten. Ich bewunderte seine Leistung, da seine Ausrüstung so schlecht war.“ Die Höhe ist laut Martin das schwierigste am Chimborazo. Der Sauerstoffmangel aber auch Schnee und Sturm waren dafür verantwortlich, dass auch dieses Team den Gipfel nicht erreichte.
Bergsteigen um zu erkunden
Auf der Website des deutschen Magazins Der Spiegel schreibt Fotograf Martin über seine Besteigung:
„Kletterpassagen erfordern Steigeisen, Pickel und Seil. Ohne Bergführer ist der Chimborazo nur für sehr erfahrene Bergsteiger zu schaffen.“
Michael Martin
Der berühmte Naturforscher war ein solcher. Er war sogar einer der erfahrensten Bergsteiger der Welt und das zu einer Zeit, als das Erklimmen von Bergen noch überhaupt nicht angesagt war. Viele Berge hatte er schon vor seiner Amerikareise bestiegen, insbesondere als Training für die richtig hohen Gebirge, in denen er verschiedene Messungen vornehmen wollte. Bei seinen Vorbereitungen hielt er sich 1797 auch in den deutsch-österreichischen Alpen auf – bewusst in den Wintermonaten, da auch in den Anden die Berge schnee- und eisbedeckt sein würden. Dadurch lernte Humboldt das Salzburger Land, Berchtesgaden und die Gegend um den 2.713 Meter hohen Watzmann kennen.
Es ist heutzutage kaum vorstellbar, was der 32-jährige Humboldt und seine Begleiter durchgemacht haben.
Unverkennbar die Zeichen der Höhe und Kälte
| ©DEFA-Stiftung/Wolfgang Ebert, Dietram Kleist
Sein Wille und Forscherdrang waren offensichtlich grenzenlos. Andrea Wulf schreibt in ihrem Buch:
„Trotz aller Schwierigkeiten brachte Humboldt immer noch genügend Energie auf, um seine Instrumente alle paar Hundert Meter aufzustellen. Im eisigen Wind waren die Messinggeräte so kalt, dass es fast unmöglich war, die feinen Schrauben und Hebel mit halb erfrorenen Händen zu bedienen.“
Andrea Wulf
Humboldt selbst beschreibt es so:
„Wie stiegen höher, […] aber die Kälte nahm mit jedem Schritt zu. Auch das Atmen wurde stark beeinträchtigt, und noch unangenehmer war, dass alle Übelkeit, einen Drang sich zu erbrechen verspürten. […] Außerdem bluteten uns Zahnfleisch und die Lippen. Das Weiße unserer Augen war blutunterlaufen. Bei Montúfar, dessen Körper das meiste Blut enthielt, waren diese Phänomene am schlimmsten.“
Alexander von Humboldt
Ein berühmtes Naturgemälde
Ergebnisse seiner Forschungtour hat Humboldt in seinem Naturgemälde festgehalten, dem „Tableau physique des Andes et Pays voisins“ von 1807. Es zeigt einen Querschnitt durch den Chimborazo und den südamerikanischen Kontinent. Zahlreiche Pflanzenarten sind in klimatische Schichten aufgeteilt und die Natur wird als Einheit aus vielfältigen Beziehungen und Verknüpfungen dargestellt.