Drammen, gestern - heute
Eine Stadt blüht auf

Drammen
Drammen | Foto: © Hans Martin Øien

Wie schafften es Bürger und Kommune aus einem ehemalige Industriestandort und ungeliebten Verkehrsmolloch eine grüne, lebendige und zukunftsweisende Stadt werden?

Heute präsentiert sich die Stadt in einem völlig neuen Selbstbewusstsein. Eine elegante Fußgängerbrücke spannt sich über den Drammenselva und verbindet die beiden zentralen Stadtteile miteinander, Mütter mit Kinderwagen flanieren entlang der gepflegten Uferpromenade und Angler fischen zappelnde Lachse aus dem heute wieder sauberen Fluss. Auf der südlichen Uferseite herrscht reges Studenten-Leben auf dem Gelände einer ehemaligen Papierfabrik. Innerhalb von nicht einmal dreißig Jahren durchlief Drammen eine umfassende und mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen belohnte Transformation. Worin besteht das Geheimnis dieses Erfolges?

Der Traum von Drammen

Ende der achtziger Jahre sah ein neuer Stadtplanungschef nicht nur die zahlreichen Herausforderungen und Probleme, sondern auch die Qualitäten seiner Stadt. Er suchte sich engagierte Bürger und Geschäftsleute als Partner und gemeinsam entwickelten sie eine Vision von Drammens Zukunft. Planer und Politiker fuhren auf Studientour, unter Anderem nach Kassel und Glasgow, um zu sehen wie andere europäische Städte vergleichbare Probleme gelöst hatten. Von Anfang wurden auch Einwohner und Presse aktiv in die Umgestaltung ihrer Stadt einbezogen. Ein Ideenwettbewerb mit dem Motto „Drømmen om Drammen“ gab schließlich die Richtung für die weitere städtebauliche Entwicklung vor: Eine moderne Stadt, die durch Bewahrung und Umnutzung stillgelegter Industrieanlagen ihrer Geschichte ebenso wie zukünftigen Bedürfnissen Rechnung trägt.

Zur selben Zeit suchte die regionale Hochschule nach Erweiterungsflächen – Drammen suchte nach jungen, gut ausgebildeten Einwohnern. Für beide Partner eröffneten sich durch eine Zusammenarbeit neue hoffnungsvolle Perspektiven.
In den folgenden Jahren wurde zunächst der Durchgangsverkehr, der bis dahin die Stadt zerschnitten hatte, in einen Tunnel unter die Stadt verbannt, der Fluss gereinigt und die Flussufer zu grünen Naherholungszonen verwandelt.
  Drammen Foto: © Drammen Kommune In Drammen wird Autoverkehr heute so weit wie möglich aus der Stadt herausgehalten und ein gut ausgebautes Fuß- und Radwegenetz bildet grüne und sichere Korridore, die die verschiedenen Stadtteile miteinander verbindet. Die behutsame Verdichtung zentraler Stadtquartiere und gute Busverbindungen tragen dazu bei, das Verkehrsaufkommen zu reduzieren. 2016 wurde Norwegens erstes Fahrrad-Hotel und ein Verleih für Elektro-Fahrräder eingeweiht, die Bewohnern und Besuchern der Stadt zur Verfügung stehen.

Wie anders sah es in Drammen noch vor wenigen Jahren aus:„Lieber ein Dramm (norwegischer Anis-Schnaps) in der Stunde, als eine Stunde in Drammen!“, war einst die Meinung vieler Durchreisenden, die die Stadt nur als ewig verstopften Verkehrsknotenpunkt auf dem Weg von Oslo nach Süd- oder Westnorwegen kannten. Und auch die Meinung Drammens Einwohner von ihrer Stadt war nicht weniger pessimistisch.

Neues Leben in alten Fabriken

Dabei hatte die einst stolze Siedlung zu beiden Seiten des Drammenflusses durchaus bessere Zeiten gesehen. Umgeben von waldreichen Gebieten und mit direktem Zugang zum Meer, war sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein attraktiver Standort für die holzverarbeitende Industrie. Die Anbindung an die Bahnstrecke nach Oslo brachte ihr Ansehen und Reichtum.

Doch nach dem zweiten Weltkrieg begannen die ersten Betriebe abzuwandern.
Mit dem autogerechten Ausbau der Stadt versuchte man dieser Tendenz entgegen zu wirken, mit dem Ergebnis, dass verstopfte Straßen, Lärm und Abgasbelastung die Lebensqualität der Einwohner immer weiter verschlechterte. Zudem erinnerte der Drammenselva, nachdem mehrere Jahrzehnte lang Industrieabwässer ungeklärt in den Fluss geleitet wurden, an eine übelriechende Kloake. Die Probleme schienen übermächtig - wer konnte zog fort.

Ein Ende der am Bürger orientierten Stadtentwicklung Drammens ist nicht in Sicht: Mit dem Wissenschafts-park `Papirbredden ´, auf dem Gelände der ehemaligen Union- Papierfabrik, entsteht derzeit ein lebendiger Stadtteil mit Wohnungen, Universitätsbetrieb, einer Innovationsschmiede und zahlreichen öffentlichen Einrichtungen. Als Vorbildprojekt des Umweltprogramms FutureBuilt erhält dabei eines der ersten Bürogebäude, das in Norwegen nach Passivhausstandart gebaut wurde, breites öffentliches Interesse und Ansehen.
Zum Erfolg den neuen Stadtteil zu einen attraktiven Treffunkt für alle Bürger zu machen, trägt auch das Konzept der Universitäts-Bibliothek bei, die nicht nur Studenten sondern auch der Öffentlichkeit zu Verfügung steht. Ihre Gestaltung mit einer zum Flussufer verglasten Fassade, ist zum Sinnbild für die Offenheit und Transparenz geworden, die den gesamten Umbau der Stadt in den letzten dreißig Jahren geprägt hat.
Ihr neues Lebensgefühl feiern die Einwohner Drammens bei dem jährlich im Sommer stattfindenden Flussfestival, einem der vielen neuen Feste der Stadt.