Interview 5 plus 1
Datenschutz soll Transparenz schaffen

Jens Krügermann
Jens Krügermann | Foto: ©Karin Ribbert

In unserer Interview-Reihe 5 plus 1 befragen wir Schriftsteller, Musiker, Filmemacher und andere interessante Zeitgenossen rund um ihr Leben. Diesmal: Jens Krügermann, Datenschutzbeauftragter aus Berlin.

Warum verbringen Sie so viel Ihrer Zeit mit dem Thema Datenschutz?

Es war die Nische in der Nische. Ich habe beim Rechtsanwalt gearbeitet, der sich vor allem mit Ehescheidungen und Nachbarschaftsstreitigkeiten beschäftigt hat. Dann gab es die Möglichkeit den Berliner Apotheker Verband im Datenschutz zu schulen. Danach habe ich gesagt: „Dankeschön, ich mache gar nichts mehr im Bereich Rechtsberatung und mache nur noch Datenschutz.“ Es ist so viel spannender. Ich habe jeden Tag mit Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu tun. Ich berate vom Krankenhaus bis zum Kosmetikhersteller verschiedenste Unternehmen. Es ist wahnsinnig breit gefächert und nicht so schlimm, wie wenn eine Ehe zerbricht oder Nachbarn nicht mehr miteinander reden.
 
Soziale Netzwerke, wie Instagram oder Snapchat, sind unter Jugendlichen sehr beliebt. Mit diesen Apps kann man nicht nur Fotos online stellen, sondern auch Live-Übertragungen per Video starten. Welche Einstellung haben Sie zu Instagram & Co?

Ich arbeite im Verband der Datenschutzbeauftragten mit und betreibe Datenschutz in der Schule. Dort reden wir mit Kindern und Jugendlichen über genau das Thema. Daher kann ich ein bisschen verstehen, warum Schüler Fotos hochladen und teilen. Wir alle wollen und brauchen Bestätigung. In den Schulen möchten wir erklären, welche Posts sie vermeiden sollten. Eine klassische Frage dafür ist „Darf deine Oma das Video sehen?“. Wenn ja, kannst du es posten. Wenn nicht, lass es. Natürlich kann man zeigen wo man ist. Besser jedoch erst nach der Reise. Es gibt eine Webseite namens „pleaserobme“, die durch soziale Netzwerke geht und zeigt, wer im Urlaub ist und welches Haus leer steht. Poste also die Bilder, wenn du wieder Zuhause bist. Wobei meine Erfahrung ist, dass sich das Verhalten momentan ein bisschen verändert. Die Kinder beachten, was sie posten und was über sie veröffentlicht wird. Sie zeigen in welcher Schul-AG, in welchem Verein sie sind und wie viele Preise sie gewonnen haben. Alles für potentielle Arbeitgeber.
                                                    
Die Verkaufszahlen von Drohnen sind in den letzten Jahren stark angestiegen. Auf öffentlichen Plätzen sieht man immer häufiger Quadrocopter fliegen. Was denken Sie über die Verbreitung dieser Technik?

Es ist ein tolles Spielzeug - wie früher ferngesteuerte Autos und jetzt fliegen die auch noch. Das Problem sind diese Kamera-Drohnen. In Deutschland haben wir bisher noch keine Kennzeichnungspflicht für Drohnen. Wenn mir so ein Ding auf den Kopf fällt, weiß ich nicht, wer schuld daran ist. Es ist ein Gesetz auf dem Weg, das dies ändern soll. Wir haben schon das Persönlichkeitsrecht und entscheiden, wer mich aufnehmen darf. Mit Drohnen ist es allerdings leicht, heimlich zu filmen. Genauso wie bei den Handykameras. Das Problem ist also kein neues. Wir haben zwar einen Rechtsrahmen, doch der wird bei weitem nicht ausgeschöpft. Auf der anderen Seite kann man tolle Sachen mit Drohnen machen. Beispielsweise kann man den Baufortschritt mit ihnen messen. Es muss jedoch klar sein, wer die Drohne fliegt und was mit den Bildern passiert. Datenschutz soll etwas regeln, Transparenz schaffen und keine Geheimnisse.
 
Nach Terroranschlägen wird oft der Ruf nach besserer Sicherheitsüberwachung lauter. An Flughäfen gibt es Körperscanner und an öffentlichen Plätzen werden Kameras installiert. Wo empfehlen Sie, die Grenze zwischen privatem Datenschutz und Schutz der Bevölkerung zuziehen?

Datenschutz und Sicherheit – das hat immer etwas mit Handel zu tun. In dem Moment, in dem ich mehr öffentliche Sicherheit habe, tausche ich ein Stück meiner eigenen Privatsphäre ein. Ich kann mich nicht mehr einfach so bewegen, wenn überall Kameras hängen. Das kann sozialen Druck ausüben, mich sozialadäquat zu verhalten. Häufig sind diese Videoüberwachungen manipulativ. Ich will ein soziales Verhalten auf dem Bahnhofsvorplatz erreichen und hänge dort eine Kamera gut sichtbar auf. Was passiert? Die Kriminalität findet außerhalb der Bahnhöfe zwei Straßen weiter statt. Und wer kontrolliert die Videobilder? In London sind so viele Kameras installiert, dass man inzwischen Private die Aufnahmen schauen lässt. Videoüberwachung hilft bei der Aufklärung, aber es verhindert keine Straftaten. Wir sehen es gerade in Berlin. Mit den Tätern in U-Bahnhöfen, die Leute die Treppe runterstoßen. Die wissen, dass dort eine Videokamera hängt und tun es trotzdem. Wir kriegen unsere Welt davor nicht sicherer, wenn wir nicht grundlegend die Welt ändern. Aber das ist wieder ein ganz anderes Thema. Gut, dass wir gerade in Oslo sind. Stichwort Friedensnobelpreis. Den Leuten fallen bestimmt 1000 Ideen ein, wie man Frieden in der Welt schafft. Die Frage ist, wie wollen wir unser Leben leben? Wollen wir ständig in Angst leben oder wollen wir es trotz allem genießen?
 
Kann man sich vor Datenmissbrauch am Smartphone oder Computer schützen?

Man kann bei jeder App vorher nachschauen, welche Rechte sie haben will. Man muss es nur tun. Das gleiche gilt für E-Mail Verschlüsselung. Web.de und gmx.de bieten das beispielsweise kostenlos an. Von allen Leuten, die dort registriert sind, machen es trotzdem nur 16 Prozent. Außerdem auf beliebte Dienste wie Facebook und WhatsApp verzichten oder sich darüber bewusst sein, was man dort postet. Für WhatsApp gibt es wirklich datenschutzfreundlichere Alternativen, wie Threema oder Telegram. Am besten lange Passwörter wählen, diese regelmäßig ändern und für jeden Dienst ein anderes Passwort einstellen. Auch wichtig: Handy immer sperren. Sonst hat derjenige, der das Smartphone findet, sofort Zugriff auf alle Apps.
 
Plus 1: Welchen anderen Beruf hätten Sie gerne ausgeübt, wenn Sie nicht Datenschutzbeauftragter geworden wären?

Legsetdesigner. Wenn heute jemand zu mir kommen und fragen würde „Jens, für Lego oder Datenschutz?“, würde ich mich für Lego entscheiden. Auf jeden Fall. In Großbritannien wurde vor kurzem eine Lego-Professur ausgeschrieben. Ein Traumjob!