Interview 5 plus 1
Begegnungen zwischen Menschen schaffen

Das Büro der Institutsleitung
Bettina Senff hat den Platz von Martin Bach übernommen | Foto: ©Goethe-Institut Norwegen

Über einen Monat arbeitete Bettina Senff als neue Leiterin des GI Norwegens digital mit ihrem Team in Oslo, da sie aufgrund der Corona-Bestimmungen noch nicht einreisen durfte. Seit Juni ist sie Nachfolgerin von Martin Bach.

Im Juli konnten Sie endlich in Norwegen einreisen. Zuvor waren Sie Leiterin des Goethe-Instituts Kopenhagen. Gibt es etwas in Oslo, was Ihnen schon auf den ersten Eindruck anders erschien, verglichen mit der dänischen Hauptstadt?

Oslo ist eine sehr grüne Stadt mit vielen Bäumen, Alleen und Vorgärten, das gefällt mir sehr. Ich habe unglaublich viele Fliederbüsche gesehen, im Frühjahr muss das ganz wunderbar sein. Und es gibt eine Straßenbahn, mein Lieblingsverkehrsmittel, und die braucht man auch, denn Oslo ist ziemlich hügelig, während Kopenhagen flach wie ein Brett ist und damit natürlich perfekt zum Fahrradfahren.. Es gibt hier viele Bänke und Sitzgelegenheiten. Das fällt mir auf, weil es zeigt, dass man an die Bedürfnisse der Menschen gedacht hat, die sich die Stadt teilen. Das ist ein sympathisches Zeichen von Großzügigkeit der Stadt ihren Bewohner*innen gegenüber.

Die Goethe-Institute sind nicht zuletzt eine wichtige Plattform für zeitgemäßen, kulturellen Austausch. Gibt es in diesem Sinne Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Bettina Senff Foto: ©privat
Natürlich gibt es viele interessante Themen, die auch im Goethe-Institut ihren Platz finden. Aber die meiner Meinung nach wichtigste Aufgabe des Goethe-Instituts ist es, Begegnungen zwischen Menschen zu schaffen. Das kann sehr gut anlässlich der Diskussion über ein gemeinsames Thema geschehen, aber doch in erster Linie im künstlerischen Austausch. Mir liegt aber auch die Unterstützung von Lehrkräften und Deutschlernenden am Herzen.  Das Erlernen einer neuen Sprache bietet eine Möglichkeit zum Eintauchen in eine neue Kultur, damit können die praktischen Übersetzungstools nicht aufwarten.

Was hat Sie überhaupt in die weite Welt der Goethe-Institute gebracht?

Ich war eigentlich Anwältin, wollte aber immer gerne im Ausland arbeiten. Als das Goethe-Institut dann Mitarbeiter für die Kulturarbeit im Ausland suchte, habe ich mich spontan beworben und erhielt nach einem längeren Auswahlverfahren tatsächlich eine Zusage. Dann habe ich kurz entschlossen mein Anwaltsbüro abgewickelt und bin nach München gezogen. Das ist jetzt 30 Jahre her und ich habe diese Entscheidung bisher nicht bereut.

Kultur ist gerade in heutiger Zeit, wo der digitale künstlerische Austausch längst gang und gäbe ist, ein enorm weites Feld. Welchen künstlerischen Sparten fühlen Sie sich besonders verbunden?

Ich liebe Filme, vor allem Dokumentarfilme. Außerdem oute ich mich als Krimifan. Die Kriminalliteratur erfährt ja im Allgemeinen neben der „echten“ Literatur nicht gleichermaßen Anerkennung, so wie übrigens auch die Kinderliteratur, die doch so wichtig und prägend für das spätere Verhältnis von Menschen zu Literatur und Kultur ist. Eigentlich mag ich alle Genres - wenn die künstlerische Qualität stimmt.

Gibt es Projekte aus Ihrer Mitarbeit im Goethe-Institut an die Sie besonders gerne zurückdenken und wenn ja warum?

Da fällt mir die Entscheidung schwer! Eines meiner Lieblingsprojekte aus den letzten Jahren ist aber das Residenzprogramm „Nordic Leipzig“, wo wir Künstler*innen aus den nordischen Ländern einen dreimonatigen Residenzaufenthalt in der Leipziger Baumwollspinnerei ermöglichen. Außerdem durfte ich als Leiterin des Goethe-Instituts in Wellington 2012 den Gastlandauftritt Neuseelands in Frankfurt begleiten und habe dabei viele wunderbare Menschen und Bücher kennengelernt. Aller guten  Dinge sind drei: Das „Deutsch-Dänische Kulturelle Freundschaftsjahr 2020“ war eine besondere Herausforderung angesichts des zeitlichen Zusammenfalls mit der Corona-Pandemie. Dabei hat sich gezeigt, welch immens wichtige Rolle dem gemeinsamen Kulturerleben gerade in schwierigen Zeiten zukommt.                                     
Plus 1
Wenn Sie nicht beim Goethe-Institut tätig wären, welchen anderen Beruf hätten Sie sich auch vorstellen können? 


Wenn ich jetzt noch einmal ganz neu anfangen könnte, würde ich einen Beruf wählen, wo man nicht so viel am Schreibtisch sitzt und ohne Vorgesetzte arbeiten kann. Wenn ich mir noch die entsprechende Begabung dazu wünschen dürfte, wäre ich gerne Dokumentarfilmerin oder – fotografin.  Mein Vorbild wäre dabei jemand wie Sebastião Salgado, dessen engagierte Arbeiten ich sehr bewundere.