Interview 5 plus 1
Jeder ist auf seine Art speziell
In der Reihe 5 plus 1 befragen wir Schriftsteller, Musiker, Filmemacher und andere. Diesmal: Stephanie Felber, Choreografin.
Als Choreografin beschäftigst du dich besonders mit sogenannten „In-between spaces“, beispielsweise dem Arbeitsweg. Wie kam es dazu, dass du dich gerade für solche alltäglichen Räume interessierst?
Gute Frage. Ich glaube, ich habe einfach ein Auge für kleine Details. Und deswegen mag ich auch Zwischenräume gern, weil das für mich auch irgendwie ein Detail ist. Also nichts Offensichtliches, sondern hinter den Vorhang schauen. Zum Beispiel haben wir letztens in Griechenland eine Ballettaufführung gesehen. Ich mag das eigentlich nicht so gern, weil das nach einer Zeit langweilig wird. Man hat von einem Berg herunter geschaut, so dass man auch die gesamte Bühne überblicken konnte. Was ich am spannendsten fand, war eigentlich hinter der Maske. Die haben sich umgezogen, präpariert, waren dann in einer Nische und haben gewartet, bis sie auf die Bühne gehen. Dieser Moment bevor sie auftreten und dann abgehen hat mehr Energie. Bei Zwischenräumen ist das genauso. Manche geben ihnen keinen Wert. Wenn ich zum Beispiel Leute frage: „Was ist auf deinem Arbeitsweg, was siehst du?“ „Weiß ich nicht, das mache ich jeden Tag, darauf achte ich nicht. Oder ich schaue aufs Handy oder lese ein Buch.“ Und genau da hinzuschauen finde ich wahnsinnig spannend. Auf die anderen, habe ich das Gefühl, ist man eh konzentriert.
Ist Improvisation wird so leicht, wie es aussieht? Inwieweit planst du im Voraus und was entscheidest du vor Ort?
Improvisation macht ja jeder anders. Bei meinen Improvisationen ist die Struktur fest, also der Rahmen ist da und innen ist ein weißes Blatt. Und je mehr man sich erlaubt zu erkennen, dass man die Struktur weiß und sich keine Gedanken machen braucht, umso besser klappt es auch. Die Schwierigkeit ist es natürlich offen zu sein - ein leeres Blatt Papier. Und ein Blatt Papier ist ja auch gerahmt. Doch was du hinein schreibst ist frei. Dieser Rahmen ist sicher. Umso mehr kannst du in diesen Rahmen legen. Je weniger man sich stresst umso besser. Anfangs habe ich mir viele Gedanken gemacht, was ich machen könnte. Wenn es gut läuft, springst du einfach rein und machst nicht, was du vorher gesagt hast. Sonst bist du nicht im Jetzt. Wieder ein Grund, warum ich die Zwischenräume mag. Es ist wahnsinnig spannend, Leuten beim Warten zuzusehen, was sie machen.
Letztes Jahr hast du beim Flaneur Festival in Oslo mitgewirkt. Wie war dein Eindruck: Sind Deutsche oder Norweger leichter zu haben?
Jeder ist auf seine Art speziell. Da gibt es keinen Unterschied. Ich glaube, es gibt immer Menschen, die erstmal skeptisch sind, sowohl bei den Deutschen, als auch bei den Norwegern, sich dann aber voll hinein begeben und improvisieren. In Norwegen sind viele Leute sehr offen und schauen einem auch in die Augen und grüßen. Das finde ich in Deutschland nicht so.
Warum tun sich Erwachsene im Vergleich zu Kindern so schwer mit Improvisation?
Sie schalten den Kopf ein. Das ist eine Kopfsache. Ich glaube, wenn man erwachsener ist, vertraut man nicht seiner Intuition.
Bedauerst du es manchmal, dass deine Kunst im Vergleich zu einem bleibenden Kunstwerk so flüchtig ist?
Nein, überhaupt nicht, weil ich mir denke, dass sie vielleicht in dem Augenblick flüchtig ist, genauso die Magie. Im Gegensatz, wenn du ein Bild hast, schaust du es an und das Werk bringt dir Energie zurück. Wenn alles in meiner Sparte gut funktioniert, in Choreografie und Theater, auf der Bühne oder im öffentlichen Raum, dann würde ich sagen holt sich das derjenige, der das erfahren hat, in seiner Erfahrung wieder. Also ist es gar nicht so flüchtig. Ich weiß, wenn ich gute Arbeiten von Kollegen gesehen habe, spüre ich sie jetzt noch und sie sind zehn Jahre her. Für mich ist natürlich das Erlebnis in dem Moment flüchtig, das kann man nicht wiederholen, aber was ich herausgezogen habe von dem Kunstwerk ist nicht flüchtig. Das ist für die Zuschauer gedacht, die das erfahren. Für mich ist es auch darum nicht flüchtig, weil eine Choreografie, die ich gemacht habe bringt mich zur nächsten.
Plus 1: Vorausgesetzt, du könntest deine Karriere noch einmal ganz von vorn beginnen. Welchen Beruf hättest du auch wählen können?
Ich würde genau das Gleiche machen. Ich habe schon mit fünf gesagt, ich will Tänzerin werden. Es war noch nicht klar, dass ich Choreografin sein würde, aber das war auch schon immer ein Teil. Und wenn jemand gefragt hat, welchen „richtigen“ Beruf ich machen möchte, war es immer etwas mit Menschen. Und wenn nicht Choreografin, würde ich etwas mit Design machen, weil ich finde, dass Design auch Choreografie ist.