Intervju 5 plus 1
Die Kunst ist oft Vorreiter
Vom Kulturwandel sprechen in diesen Tagen viele, nicht zuletzt in der Filmbranche, doch auch in anderen Institutionen. Die deutsche Schauspielerin Julia Thurnau spricht mit der Direktorin der Münchner Filmfestspiele 2018, Diana Iljine, darüber.
Was können Kultur und das Filmfest München als kulturelle Institution bewegen?
Kultur an und für sich ist wichtig. Weil sie Menschen eine andere Ebene nahe bringt. Sie zeigt uns, dass es neben Geld verdienen, Erfolg haben und performen noch andere Welten gibt. Kultur ist ein Spiegel, in dem wir uns reflektieren und nachdenken können.
Wir zeigen auch Filme aus Ländern, die eigentlich schon Diktaturen sind. Die Künstler sind froh, wenn sie auch mal Werke jenseits von Krieg oder Vertreibung vorstellen dürfen.
Im Irak werden noch Gedichte geschrieben, und die haben nicht alle mit Krieg zu tun. Es ist wichtig, dass wir das zeigen.
Es gibt einen großen Shift nach rechts in Europa. Hier in Deutschland auch gerade wieder. Da teilt sich der Saal in zwei Hälften. Ob wir da konkret etwas tun oder ansetzen können, wage ich nicht zu beurteilen.
Wie stehst du zu feministischer Führung?
In meiner Generation waren Chefs automatisch männlich. Doch ich hatte das große Glück, gefördert zu werden. Von meinem Vater bis hin zu meinen ersten Chefs. Immer wieder wurde ich aufgefordert, groß zu denken und nicht zu bescheiden zu sein. Man sah in mir eine starke Frau und ermutigte mich: Das kannst du! Warum hast du nicht lauter gesprochen? Das machst du jetzt einfach…
Es ist eine Führungsmöglichkeit, Mitarbeiter aufzufordern “to speak up & to shine”, so würde man auf Englisch sagen. Ich reagiere, wenn Frauen und Mitarbeiterinnen ihr Licht unter den Scheffel stellen, und ich ermahne Männer, wenn sie einer Frau über den Mund fahren, nicht genauso Stühle zurechtrücken oder Gläser raustragen wie ihre Kolleginnen.
Die Emanzipation eines Menschen zeigt sich in sehr vielen kleinen Feinheiten - verbal aber auch nonverbal. Dennoch darf man nicht vorschnell urteilen: vermeintlich nicht emanzipierte Menschen sind es manchmal in der Tiefe und Leute, die oberflächlich gesehen sehr viele Attribute einer Feministin oder eines Feministen haben, vertreten manchmal dennoch seltsame oder altmodische Ansichten.
Gott sei Dank nimmt diese Ambivalenz insbesondere bei der jungen Generation ab.
Gibt es etwas, was deinen Blick geschult, deine Rezeption von Filmen nachhaltig beeinflusst hat? Ein sogenanntes Aha-Erlebnis, nach dem nichts mehr so ist, wie es war?
Ich hatte das große Glück, bei einem Konzern zu arbeiten, der sehr früh die Frauenquote im Vorstand umgesetzt hat und genug Budget für Schulungen hatte. Wir bekamen einen zweistündigen Vortrag über verbale Kommunikation. Mir wurde klar, wie sehr Sprache sich auf unser alltägliches Leben auswirkt. Ich hatte gerade mein Buch Der Produzent: das Berufsbild des Film- und Fernsehproduzenten in Deutschland : Versuch einer Definition geschrieben, das heute zu den Standardwerken des Filmbusiness gehört. Erst dachte ich: Wie anstrengend, jetzt muss ich schreiben der oder die Produzent/in. Aber wir gingen immer weiter in die Tiefe und mir wurde klar, wie sehr männliche Artikel unser Denken dominieren. Es heißt eben der Jesus und der Gott… (lacht). Mir wurde klar, wie sehr uns das beeinträchtigt. Und das hat mein Leben verändert.
Wie kann der strukturelle Wandel deiner Meinung nach am besten gefördert werden?
Die Kunst ist da oft Vorreiter.
Es sind auch solche, meist amerikanische Firmen, die den strukturellen Wandel voranbringen. Ich weiß von einem befreundeten Anwalt, dass deren amerikanische Partner-Kanzlei gesagt hat: Es geht für uns nicht, dass wir an Verhandlungstischen sitzen und da sind nur Männer. Anscheinend habt ihr das noch nicht begriffen. Und sie haben eine andere Kanzlei gesucht, als Co-Partner für Deutschland.
Du hast gerade einen Zuschlag für den Ausbau des Festivals zum Medienfestival (A.T.) bekommen. Ist Genre eine Box, aus der wir uns mit der Change-Welle heraus denken?
Film bleibt der Nukleus des Festivals, aber es geht weit darüber hinaus. Die Serien, die vielleicht die Filme, ja fast schon die Romane des 21 Jahrhunderts sind, spielen eine wichtige Rolle. Wir nehmen Games und tolle Animations-Themen mit ins Programm. Mit Virtual Reality und Augmented Reality sind das die modernen Formen von Visualität, die wir spiegeln werden. Wir halten das für modern und inhaltlich wichtig. Ich bin sehr dankbar, dass wir das nun professionell umsetzen können. Es ist das Ergebnis harter Arbeit meines Teams und mir. Es ist uns gelungen, die Interessen aller Seiten strategisch und inhaltlich zusammen zu führen.
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Welchen anderen Beruf hättest du dir auch für dich vorstellen können?
Ich war viele Jahre in der mittleren Führungsebene der Telekom und drauf und dran nach Bonn zu ziehen, um dort eine übergeordnete Position einzunehmen, als ich plötzlich Filmfest-Chefin wurde. Es waren viele in der Bewerbung, ich hatte nicht unbedingt daran geglaubt, aber jetzt wo ich es bin und kurz bevor ich es wurde und kurz bevor ich mich bewarb, wurde mir klar, dass das mein absoluter Traumjob ist,in dem alle meine Talente zusammenlaufen: von Organisation bis zu meinem Sinn für die Künstler und meinem Wunsch, sie zu fördern. Ich bin durch und durch eine kreative Managerin.