Das Goethe-Institut in ziemlicher Nähe meines Zuhauses zu finden, war eine echte Entdeckung für mich, insbesondere wegen seiner Bibliothek. Ich spreche hier von den 80er Jahren in Lima. Heute kommt es mir wie eine längst vergangene Ära in Perú vor, weil wir sehr schwierige Jahre durchmachten, gesellschaftlich und politisch betrachtet. Es ist klar, dass auch die ökonomische Lage alle Menschen betraf. Ich hatte mit Freude und Eifer meinen Beruf als Grafikdesigner begonnen, aber hatte wenig Zugang und Austausch mit meinen Kolleginnen und Kollegen weltweit. Erinnern wir uns, dass es eine Zeit ohne Internet oder soziale Netzwerke, gar Mobiltelefonie war! Also hatten wir Freiberufler überhaupt keine Vorbilder, Ansatzpunkte oder Kontaktmöglichkeiten. Das Neueste im Bereich Grafikdesign fand ich bei einem Kiosk gegenüber meinem Büro, wo es spanische Zeitschriften gab, die mir europäische Berühmtheiten aus meinem Genre mit großartigen, erinnerungswürdigen Designs präsentierten.
Aber als ich die Bibliothek des Goethe-Instituts entdeckte, öffnete sich mir die Welt. Weil hier bei den Zeitschriften die „heilige“ NOVUM lag. D i e Zeitschrift für Grafikdesign in Deutschland. Und es gab nicht nur das eine Exemplar, sondern es gab ganze Jahrgänge der frischesten Ausgaben. Iliana, die freundliche Bibliothekarin, erlaubte mir, zu bleiben, bis sie selbst die Bibliothek abschloss. Sofort wurde ich zu einem regelmäßigen Besucher, der die Vielfalt der Zeitschriften zu Kunst und Kultur, z.B. Film, oder Bücher über Design, das Bauhaus oder andere europäischen Strömungen entdeckte. Großartige Inspiration!
Ich muss zugeben, dass ich im Verlauf der Zeit, seit der Entstehung der digitalen Ära, immer seltener Gast im „deutschen Flecken“ in Lima war. Aber eines Tages, als ich mit dem Auto mit meiner kleinen Tochter vorbeikam, nachdem wir die Familie besucht hatten, stoppte ich. Meiner Tochter fielen die schönen und bunten Graffitis an der Fassade des Hauses auf.
Wir gingen hinein. Überall neue Gesichter, immer freundlich lächelnd –ich traute mich in die Bibliothek. Sie hatte sich ganz schön geändert. Meine 7-jährige Tochter war höchst überrascht: ein Riesenbildschirm auf der einen Seite, Spielkonsolen auf der anderen, in der Mitte des Raumes ein großer Sonic Chair, iPad-Stationen und dann ganz hinten: die Buchregale. Sogar mit Märchenbüchern! Sie tauchte sofort in diese Welt ein, während ich bis zum Büro vordrang. Ich irrte mich nicht. Iliana, immer freundlich und bestimmt, war dort! Bloß, dass sie nun die Chefin war! Wir tauschten bei einem Café auf der schönen Terrasse Neuigkeiten aus.
Nachdem ich die Mitgliedschaft in der Bibliothek erneuert hatte, liehen wir uns an diesem Tag für meine Tochter ein paar Büchlein aus, die Iliana uns empfohlen hatte. Die Kleine war glücklich. Die Bücher waren kombiniert mit Augmented Reality, wo man Animationen herunterladen konnte. Eine tolle Erfahrung (für mich!). Außerdem liehen wir uns zwei DVDs mit Goethe-Institut Produktionen zu den Märchen der Gebrüder Grimm aus. Sehr schöne und überraschende Interpretationen.
Ohne Zweifel hat die deutsche Kultur mich berührt. Demnächst beendet meine Tochter die Oberstufe an einer Deutschen Schule. Wir genießen weiterhin gute deutsche Filme. Natürlich! In meinem Fall mit Untertiteln auf Spanisch.
Carlos Salinas
Geschäftsführender Kreativdirektor
Taller Cuatro