Mittwochskino Undine

Undine © Christian Schulz Schramm Film

Mi, 12.07.2023

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Regie:Christian Petzold, 2020, 90min

Im Juli zeigen wir zwei Filme des deutschen Regisseurs Christian Petzold.

UNDINE
Regie Christian Petzold
2020, Farbe, 90 min

Eintritt frei

Eine übernatürlich schöne Frau, die jeden Mann liebt, der sie ruft, ihn jedoch töten muss, wenn er sie verlässt – das ist der mythische Wassergeist Undine. An Land und bei den Menschen kann sie nur leben, wenn sie einen Geliebten hat. Christian Petzold nimmt sich dieses Stoffes an und versetzt ihn in die deutsche Gegenwart zwischen Berlin und Bergischem Land.

Mehr zum Film

Undine (Paula Beer) ist Historikerin, sie arbeitet als Museumsführerin in Berlin. Mit Berlins Mitte und dem historischen, soziologischen und archäologischem Grund auf dem dieses Areal gebaut ist, kennt sie sich aus, genauso wie mit der flinken Auswahl von Bluse und Kostüm. Schön ist sie ganz nebenbei, und ihre Art, Wissen über die auf trocken gelegtem Sumpfland gebaute Stadt zu vermitteln, ist so professionell wie anmutig.

Undine, die Sagenfrau, heißt hier vollständig Undine Wibeau. Sie gehört zu jenen Prekären und Entwurzelten, für die Berlin mindestens so berühmt ist wie für Shabbyness im Vintage Stil.
Eines Sommertags vor Dienstbeginn, genaugenommen vor Filmbeginn, wird sie von ihrem Freund Johannes (Jakob Matschenz) auf der Terrasse des Museumcafés verlassen. Er habe jemanden kennengelernt, sagt er. Tja, so spielt das Leben. Aber wie spielt eine abservierte Frau, die mit mythischen Wassern gewaschen ist? Sie erwidert: „Wenn Du mich verlässt, muss ich Dich töten.“

Christian Petzold variiert den romantischen Mythos von der geheimnisvollen Wasserfrau zu einer Erzählung über eine entzauberte Gegenwart. Und er modernisiert, in der Nachfolge von Ingeborg Bachmanns Erzählung Undine geht, die Fantasie von der verhängnisvollen Wasserfrau zum Projekt eines Ausstiegs aus einer alternativlosen Wiederholungsschleife. Denn seine Undine wehrt sich ebenso gegen die Ohnmacht der Verratenen, wie gegen die Wirkmacht des Fluchs, und sie verliebt sich neu, in Christoph (Franz Rogowski), der als Industrietaucher Arbeiten in der versunkenen Welt eines Stausees im Bergischen Land verrichtet.

Mit traumwandlerischer Sicherheit hat Petzold den Sagenstoff ins Reich seines Kinos geholt. Präzise Alltagsgesten werden mit Gespenstischem verknüpft, und seine Undine-Geschichte findet sich wie selbstverständlich in einer hybriden Welt zwischen Märchen, Unterwasserabenteuerfilm und Gegenwartsrealismus verortet.

Director’s Statement
„Ihr Menschen! Ihr Ungeheuer!“ So beginnt Ingeborg Bachmanns Erzählung Undine geht.
Undine ist die verratene Wasserfrau. In der alten Mythologie lebt sie in einem Wald, in einem See.

 Ein Mann, der eine Frau unglücklich liebt, dessen Liebe nicht erwidert wird und aussichtslos ist und der nicht mehr weiß, wohin mit sich, seinen Gefühlen, der unfassbar verzweifelt ist, der kann in den Wald, an das Ufer des Sees gehen und Undines Namen rufen.
Sie wird kommen. Und sie wird ihn lieben. Diese Liebe ist ein Vertrag. Nie darf sie verraten werden. Wenn sie verraten wird, dann muss der Mann sterben. Nun ist es so, dass der, der liebt und geliebt wird, leicht und frei und auch wieder liebens- und begehrenswert erscheint. In der Mythologie interessiert sich plötzlich die aussichtslos Angebetete wieder für den Mann. Der Mann verlässt Undine. Er wird die andere, die Ursprüngliche, heiraten. In der Hochzeitsnacht betritt Undine das Schlafzimmer, umarmt den Mann in einer Blase aus Wasser, in der er ertrinken wird. „Ich habe ihn totgeweint!“ wird sie den herbeieilenden Dienern entgegenstammeln, bevor sie im Wald, im See, verschwinden wird.

Unsere Undine ist eine Stadthistorikerin in Berlin. Sie gibt Führungen in der Senatsstelle für Stadtentwicklung. Sie ist gerade verlassen, verraten worden. Von einem, der Johannes heißt.

Eigentlich, so will es der Mythos, müsste sie sich rächen, an Johannes. Ihn töten. Undine wehrt sich gegen den Mythos. Sie will nicht zurück, in den Fluch, in den Wald, in den See.
Sie will nicht gehen. Sie will lieben. Sie lernt einen anderen kennen. Von dieser Liebesgeschichte erzählt UNDINE.

Kritiken, Empfehlungen, Presseschau

„Für das Berlin der Gegenwart hat Petzolds Protagonistin nur Verachtung übrig. Sie lebt in einer Zweiraumwohnung in einem sozialistischen Repräsentationsbau, und den Palast der Republik würde sie dem Humboldt Forum jederzeit vorziehen. Das Stadtschloss nennt Undine ein im 21. Jahrhundert gebautes Museum in der Gestalt eines Herrscherpalastes des 18. Jahrhunderts. ‚Das Täuscherische liegt in der These, dass dies keinen wesentlichen Unterschied bedeute, was gleichbedeutend ist mit der Behauptung, dass Fortschritt unmöglich ist.‘“ (Der Tagesspiegel, 01.07.2020)

„Petzolds Romantik hat nichts von der religiösen Erhabenheit deutscher Seelenerkundungen, sie ist eher verspielt und kindlich. (Filmdienst, 14/2020)

Ralph Eue (11.03.2021)

Zurück