Deutscher Film Mittwochskino: Adam & Evelyn

Adam & Evelyn © Ma.ja.de. Fiction / Pluto Film

Mi, 13.12.2023

19:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Regie: Andreas Goldstein, Farbe, 100 Min., 2018

Adam & Evelyn
Regie: Andreas Goldstein
Farbe, 100 Min., 2018
Eintritt frei


Mehr zum Film
Sommer 1989 in der DDR, deren Ende schon spür- und im Westradio hörbar ist: Als Damenschneider Adam einer Kundin bei der Anprobe ein wenig zu nahe kommt, reist seine Freundin Evelyn kurzerhand ohne ihn nach Ungarn in den Urlaub; Adam hinterher. Am Balaton angekommen erfahren sie, dass die Grenze zwischen Österreich und Ungarn offen ist. Evelyn, die mehr vom Leben erwartet, als ihr untergehender Staat und ihre stagnierende Beziehung für sie bereithalten, wittert die Chance auf ein neues Leben. Adam, der mit seinem bisherigen Leben eigentlich recht zufrieden war, sieht darin die Infragestellung von etwas, in dem er sich bequem eingerichtet hatte. Nach dem gleichnamigen Roman von Ingo Schulze erzählt der Film die Geschichte einer Liebe vor dem Hintergrund eines politischen Umbruchs, 30 Jahre nach diesem Umbruch. Und er lässt sich Zeit dabei: Bei der Gestaltung der Orte und ihrer Atmosphäre, und dabei, den Figuren bei der Veränderung ihrer Beziehung vor den Umbrüchen der Weltgeschichte zuzuschauen; Privates kann plötzlich so politisch werden.

Pressestimmen

„Ein Film für die Postapokalypse, falls man da noch Filme sehen kann. Adam und Evelyn tut erst mal alles, um die Sehnsucht nach einer Welt zu wecken, in der es üppige Sommer gab und die Menschen in Liegestühlen dösten, sorglos. Der gleichnamige Roman von Ingo Schulze liegt dem Film zugrunde, also findet sich das Sommerglück hier in der DDR, im August 1989. (…) Adam und Evelyn ist kein Film der Wende-Romantik. Sobald die Protagonisten ihre Heimat hinter sich lassen, bleibt er ein Roadmovie, zeigt aber exemplarisch Reaktionen der Westbürger auf diejenigen, die aus dem Osten kommen. Das reicht von Mitleid bis Misstrauen, von der prahlerischen über die gönnerhafte Pose. Regisseur Andreas Goldstein inszeniert solche Situationen des Aufeinandertreffens mit sehr trockenem Humor.“ (Doris Kuhn, Süddeutsche Zeitung)

„Kann man so leben, ganz ohne Anspruch auf Freiheit, allein mit bunten Fantasien im Kopf und gekochten Kartoffeln im Bauch? Der Film kreist um diese Frage wie die Katze um die Maus. Er zeigt in langen, schwerelosen Aufnahmen eine spätsommerliche, dem Verfall geweihte DDR-Gesellschaft, die sich aufs kleine Glück beschränkt – von jeglichem Konsumanspruch unbehelligt und doch nicht ganz zufrieden. Der Film deutet nur an, worauf er hinauswill. Seine stille Pointe könnte darin bestehen, dass nicht das System befreit, nicht der Sozialismus, nicht der Kapitalismus, sondern das Loslassenkönnen von hohen Erwartungen. Als würde der Schriftsteller Ingo Schulze zu uns sprechen und neckisch sagen wollen: Nicht die Karriere, das Geld, die Auswahl machen die Menschen glücklich, sondern allein die Aussicht auf Liebe. Doch sie zu finden bleibt nur den wenigsten vergönnt. Hier wie dort.“ (Tomasz Kurianowicz, Die Zeit)

„Der Roman zum Film hing 20 Jahre nach dem Mauerfall noch etwas schief in der Post-DDR-Kultur zwischen gedruckten und verfilmten Stasi-Dramen, Ostalgie-Komödien und Aufarbeitungsdokumentationen. 30 Jahre nach dem Mauerfall könnte Adam und Evelyn der Jubiläumsfilm des Jahres werden. Um den rätselhaften Osten zu ergründen, seine Reaktionen und Reflexe, seine Rituale und sein Wahlverhalten, wird es wieder um die DDR gehen und um die kurze Zeit danach, als sie entsorgt wurde. Im Film ist sie noch da und gleichzeitig schon weg.

Das kann nur jemand drehen, der dabei gewesen ist: Andreas Goldstein debütiert als Regisseur mit seinem ersten Spielfilm, er ist 54 Jahre alt. Sein Vater war Klaus Gysi, in den Siebzigerjahren DDR-Kulturminister und bis 1988 als Staatssekretär für Kirchenfragen zuständig, das heißt berüchtigt. Goldstein zeigt ihn, ebenfalls in diesem Jahr, in seinem Filmporträt Der Funktionär.

(…) Man sollte diesen großen Film nicht als Verklärungskino abtun, weil er die so allgemein nicht zu beantwortende Frage nach dem besseren Land und nach dem besseren Leben offen lässt. Man sollte, wenn man nicht dabei gewesen ist, nicht gleich beleidigt sein, weil Adam dankbarer sein könnte. Und man sollte Andreas Goldstein dafür feiern, dass der alte Westen hier so schummerig und farblos aussieht, wie er auch sein konnte und wie es der alte Osten in den Filmen bisher war. “ (Michael Pilz, Die Welt)

Frederik Lang

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