Spielfilm Berlin Alexanderplatz - Mittwochskino

Berlin Alexanderplatz Foto: © Frédéric Batier/ Sommerhaus Filmproduktion

Mi, 30.10.2024

18:30 Uhr

Goethe-Institut Peru

Regie: Burhan Qurbani, 2020, Farbe, 183 min

In der bildgewaltigen filmischen Aktualisierung von Alfred Döblins Romanklassiker kommt der Geflüchtete Francis mit großen Hoffnungen nach Berlin, schwört, dass er ein anständiger Mensch sein wird, hat aber die Stadt und die Umstände gegen sich.

Hier der Trailer zum Film!

MEHR ZUM FILM

Aus der Wirtschaftskrise der Weimarer Republik in die Bundesrepublik der Gegenwart wird Alfred Döblins Romanklassiker Berlin Alexanderplatz hier verlagert: Franz Biberkopf heißt nun Francis und ist aus Guinea-Bissau geflohen, um in Europa ein besseres Leben anzufangen. Nach Sturm und Schiffbruch kann er sich retten, und schwört, ein anständiger Mensch zu werden. In Berlin angekommen, bemüht er sich aufrichtig, diesen Schwur zu erfüllen, doch die Freundschaft mit dem Drogenhändler Reinhold und die gesellschaftlichen Umstände in Deutschland hat er gegen sich.

Hoffnung darf er schöpfen durch die Liebe zu Mieze, einer sprichwörtlichen „Hure mit dem goldenen Herzen“, deren Stimme auch als Erzählerin fungiert und so immer wieder die Sprache des Originalromans auf die heutige Wirklichkeit prallen lässt. Bild- und tongewaltig erzählt, ist Berlin Alexanderplatz weniger werktreue Literaturverfilmung als archetypische Genre-Geschichte mit viel Aussagekraft über das Hier und Jetzt.

Pressestimmen:

 „Qurbani hat den Roman von Alfred Döblin neu adaptiert, ein mutiges Unterfangen angesichts der großen Fußstapfen eines Rainer Werner Fassbinder, der den Roman als 15-stündige Fernsehserie 1979/80 verfilmte. Aber so werkgetreu, wie es noch Fassbinder versuchte, will diese Neuverfilmung gar nicht sein; mutig haben Qurbani und sein Drehbuchautor Martin Behnke die Geschichte in das Berlin von heute verlegt und sich an den wesentlichen Figuren und Motiven des Romans orientiert. (…) Der neue Berlin Alexanderplatz hat nichts mehr von der Gestelztheit und Bedeutungsschwere von Fassbinders Opus Magnum. (…) Der über dreistündige Film entwickelt einen hypnotischen Sog, so dass man seine Länge überhaupt nicht merkt.

Und Kameramann Yoshi Heimrath hat ihn nicht in den entsättigten Farben gedreht, die sonst im neuen deutschen Film so üblich sind, sondern in einem knallbunten Look, der vielleicht auch stehen soll für eine Vorstellung von Deutschland. Berlin Alexanderplatz besitzt eine Wucht, die man selten gesehen hat im deutschen Film der letzten Jahrzehnte. Es ist ein atemberaubender Trip durch die Unterwelt Berlins, ein Gangsterepos, das getragen wird von seinen hervorragenden Hauptdarstellern.“
(Rudolf Worschech, epd Film, 26.6.2020)

 „Der einzelne Mann heißt bei Döblin Franz Biberkopf und bei Qurbani Francis. Im Film wird er von Welket Bungué dargestellt, einem in Guinea-Bissau geborenen, in Deutschland lebenden portugiesischen Schauspieler. Bungué ist mehr als eine gute Besetzung, er ist ein Fund: eine imposante, athletische Gestalt mit geschmeidigen Bewegungen und einem Gesicht, aus dem das Kino alles herauslesen kann, Gier, Freude, Furcht und Schmerz. Kein Jedermann, ein Star aus dem Nichts. Der Film beginnt auf dem Meer. Nacht, Wellen, Angstschreie, eine Frau ertrinkt, ein Mann kann sich retten. Er wird an den Strand gespült. Es ist Francis. Dann eine Baustelle in der Mitte Berlins, eine Flüchtlingsunterkunft am Stadtrand, dunkelhäutige Männer, die schwarz arbeiten, deutsche Wörter lernen und auf Feldbetten schlafen.

Und ein weißer Mann mit Baseballkappe, der verkrümmt geht wie ein Magenkranker und mit Fistelstimme Drogenverkäufer unter den Flüchtlingen anwirbt: ‚Ihr habt etwas Besseres verdient. ’ Das ist Reinhold, Francis’ Gegenspieler, sein Freund, sein Versucher, sein Teufel. (…) Albrecht Schuch hat für seine Darstellung des Reinhold den Deutschen Filmpreis gewonnen. Mit knapp fünfunddreißig ist er da, wo Götz George erst als Schimanski hinkam: bei einer Körperlichkeit, die nichts Gemachtes mehr hat. Gegen die raumgreifende, positive Präsenz von Bungué setzt er seine raumzerstörende. Wo immer Reinhold auftaucht, wird es kalt, der Schauplatz verengt sich, Feindschaft liegt in der Luft.

So wie immer dann, wenn Jella Haase als Mieze ins Bild kommt, die Raumtemperatur steigt, als hätte jemand am Heizungsregler gedreht. Haase verkörpert das absolut Gute, und dieses Handicap ihrer Rolle kann sie nicht abschütteln, auch wenn sie bei Bedarf loskreischt und mit den Füßen stampft, dass der Putz von den Altbaudecken bröselt.“
(Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15.7.2020)

Frederik Lang, 13.04.2021



 

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