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Weihnachten aus Sicht einer Kerze
Kleine Kerze, leuchte

In der Mitte ist eine Illustration von einem Adventskranz mit brennenden Kerzen. Rund um den Adventskranz sind Feuerzeuge, Tannenzapfen und weihnachtliche Gegenstände abgebildet.
Illustration eines Adventskranzes | Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut e. V.

Die Weihnachtszeit in Deutschland ist ohne Adventskranzkerzen nicht denkbar. Doch woher stammt das Wachs? Wie lange dauert es, eine Kerze herzustellen? Und was ist ein Wachsziehermeister?

Die Geschichte der Adventskranzkerze beginnt tatsächlich im Zeitalter der Dinosaurier. Tote Organismen sammelten sich damals in den Tiefen der Meere an, konnten aufgrund mangelnden Sauerstoffes nicht verwesen und bildeten einen sogenannten Faulschlamm. Vereinfacht dargestellt entstand durch Gesteinsüberlagerungen, Druck und Hitze so der Rohstoff Erdöl, aus dem heute Paraffinwachs gewonnen wird.

Eine Erdöl-Plattform auf dem Meer. Sie spiegelt sich im Wasser.

Paraffin ist ein Nebenprodukt der Erdölindustrie. | Bild (Detail) © mauritius images / Westend61 / Serjunco

Das Haupt-Kerzenmaterial ist also ungefähr zwischen 60 und 250 Millionen Jahre alt, existierte einst als Alge oder Plankton und war lange Zeit unter der Erde zu Hause. Ein Rohstoff aus der Dunkelheit sorgt heute für gemütliches Licht in der Adventszeit.

Von der Erdölraffinerie zur Ladentheke: So entsteht eine Adventskranzkerze

Paraffin, ein Nebenprodukt der Erdölraffinerie, wurde früher kaum genutzt, ist heute aber der wichtigste Rohstoff für Kerzen, erklärt Stefan Thomann vom Europäischen Kerzenverband. Über das Jahr hinweg werden aus Paraffin – oft auch im Gemisch mit pflanzlichen Wachsarten – Kerzen hergestellt. Weihnachten, so Thomann, ist die wichtigste Saison des Jahres. Die Lieblingsweihnachtskerzen der Deutschen seien Adventskranzkerzen, Kerzen im Glas und Teelichte, die meist über Discounter wie Aldi oder Lidl verkauft werden. Deutschlands Lieblingskerzenhändler ist und bleibt aber IKEA.
Auf dem Bild sind 129,3 Teelichter abgebildet. Text dazu: Kerzenkonsum eines Durchschnittsdeutschen pro Jahr | umgerechnet in Teelichte

Pro Jahr kauft eine Person aus Deutschland 1,94 Kilogramm Kerzen. Das sind umgerechnet 129,3 Teelichte (bei einem Gewicht eines Teelichts von 15 Gramm). | Grafik © Lena Maurer; Bild (Teelicht) © Francesco Milanese via Canva.com

Wie viele Kerzen genau in der Weihnachtszeit über den Tresen gehen, kann Thomann nicht sagen. Er weiß allerdings, dass die Deutschen pro Jahr 163.000 Tonnen Kerzen kaufen – umgerechnet sind das 1,94 Kilogramm pro Bundesbürger*in. Um dieser riesigen Nachfrage gerecht zu werden, hat sich der Herstellungsprozess über die Jahre hinweg stetig verbessert. Pro Stunde können Produzent*innen heute bis zu 10.000 Kerzen herstellen.

Die Kerzenproduktion – früher eine Zunft, heute ein Riesengeschäft

Bei solchen Zahlen muss Franz Fürst lachen. Er ist Wachsziehermeister in der fünften Generation, der letzte Wachsziehermeister Münchens und verkauft gezogene Kerzen, die mit Hilfe eines sehr alten Verfahrens hergestellt werden. Pro Stunde könne man in seiner Werkstatt einen zwei Zentimeter breiten, 220 Meter langen Kerzenstrang produzieren, der so aussieht wie ein Seil, das um eine Trommel gewickelt ist. Dieses Wachsseil müsse im Anschluss per Hand geschnitten, in Farbe getunkt und gespitzt werden. Bei einem Betrieb wie dem von Fürst entstehen an einem Tag maximal 1.000 Kerzen. Industriell gefertigte Kerzen und gezogene Kerzen sind für ihn nicht vergleichbar.
Auf einem Tisch liegen mehrere hundert handgefertigte Kerzen.

Die Herstellung von gezogenen Kerzen dauert seine Zeit. | Bild (Detail) © picture alliance / Peter Kneffel | Peter Kneffel

Ein Handwerk über Generationen: Wachszieherei Fürst

Das Büro von Wachsziehermeister Fürst ist im Münchner Süden. Mitten in einer Wohnsiedlung steht sein dunkelrotes Häuschen, das sich kaum von den Häusern rundherum unterscheidet. Nur das goldene Schild am Eingang mit dem Namen „Wachszieherei Fürst“ weist auf das alte Handwerk hin, mit dem sich Franz Fürst beschäftigt. In seinem Büro im Erdgeschoss schreibt er gerade an Aufträgen für Weihnachten.

Sein Betrieb existiert schon seit 1862, erzählt er. In der Zeit sei schon vieles passiert. Die jüngste Vergangenheit sei geprägt von Schicksalsschlägen. Seinen Verkaufsladen am Münchner Dom konnte er wegen zu hoher Miete nicht halten. Eigentlich wollte Franz Fürst daraufhin alles hinschmeißen, wären nicht seine Angestellten gewesen, die ihm halfen. Mittlerweile macht er im kleinen Stil weiter.

Was es bei der Kerzenherstellung zu beachten gibt

Sein Leben lang hat Fürst Wissen über Kerzen gesammelt. Schon als Kind spielte er in der Werkstatt seiner Familie. Das größte Geheimnis eines Kerzenbetriebes sei die Wachszusammensetzung, erzählt er. Seine Kerzen bestehen aus Paraffin, Stearin, Hartwachs, Bienenwachs und einer Geheimzutat, die in einem ledergebundenen Buch festgehalten ist. Die will er auf keinen Fall verraten.
 
Ein Portrait des Wachsziehermeister Franz Fürst. Er hat graue Haare, trägt einen blauen Kapuzenpulli.

Wachsziehermeister Franz Fürst kennt sich mit Kerzen bestens aus. | Foto (Detail): © privat

Wenn er über Kerzen redet, blüht Franz Fürst förmlich auf. Bei der Kerzenherstellung gäbe es so viele Kleinigkeiten zu beachten. Staub im Wachs, zum Beispiel, verstopfe den Docht und die Kerze „brennt nicht gscheid“. Bienenwachs solle man auf jeden Fall gereinigt kaufen und nicht von der Imkerei, weil zunächst sogenannte Schwebeteilchen entfernt werden müssten. Und der falsche Docht befördere das flüssige Wachs nicht richtig zur Flamme. Er erzählt, dass der Geruch von Bienenwachs chemisch nicht reproduziert werden kann, Duftkerzen bestimmt nicht von Wachszieher*innen erfunden worden sind und gezogene Kerzen – im Gegensatz zu gepressten Kerzen – nicht zerbrechen, wenn man sie auf einen Kerzenhalter aufspießt. Außerdem würden gezogene Kerzen ein viel wärmeres Licht abgeben als industriell gefertigte Kerzen. „Wenn man mal so eine gezogene Kerze auf dem Tisch brennen sieht, dann will man keine andere mehr“, hätten Fürsts Stammkund*innen gesagt.
Brennende Kerzen auf braunen Holztisch

Gezogene Kerzen erzeugen ein besonders warmes Licht. | Foto (Detail) © Faiza via Unsplash

Und der Umweltaspekt von Kerzen?

Für den Menschen selbst sei eine abbrennende Kerze im Zimmer nicht schädlich, weiß der Wachsziehermeister. Wie viel CO2die verschiedenen Wachsarten verbrauchen, ist aber nicht bekannt, erzählt Kerzenverbandsvertreter Thomann.

Es komme sowohl auf die Herstellung, den Transportweg aber auch auf die Art des Wachses an. Palmwachs gehe teils mit Brandrodung einher und Paraffin ist ein fossiles Produkt. Bienenwachs von der Imkerei aus der Nachbarschaft sei vielleicht ökologisch die beste Variante – für die Industrie sei das aber keine Alternative. Bienenwachs mache als Rohstoff aktuell weniger als ein Prozent aus, man müsse es überall auf der Welt einsammeln und die Kosten wären viel zu hoch, meint Thomann.

Es ist also nicht einfach, eine komplett nachhaltige Kerze zu ergattern. Alle Varianten haben Vor- und Nachteile. Vielleicht sollte man es daher so handhaben wie die Stammkund*innen von Franz Fürst. Die leisten sich an Weihnachten wenige, aber dafür hochwertige Kerzen – und freuen sich über das einzigartige, warme Licht.

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