Weihnachten aus Sicht einer Kerze
Kleine Kerze, leuchte
Illustration eines Adventskranzes | Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut e. V.
Die Weihnachtszeit in Deutschland ist ohne Adventskranzkerzen nicht denkbar. Doch woher stammt das Wachs? Wie lange dauert es, eine Kerze herzustellen? Und was ist ein Wachsziehermeister?
Die Geschichte der Adventskranzkerze beginnt tatsächlich im Zeitalter der Dinosaurier. Tote Organismen sammelten sich damals in den Tiefen der Meere an, konnten aufgrund mangelnden Sauerstoffes nicht verwesen und bildeten einen sogenannten Faulschlamm. Vereinfacht dargestellt entstand durch Gesteinsüberlagerungen, Druck und Hitze so der Rohstoff Erdöl, aus dem heute Paraffinwachs gewonnen wird.
Von der Erdölraffinerie zur Ladentheke: So entsteht eine Adventskranzkerze
Paraffin, ein Nebenprodukt der Erdölraffinerie, wurde früher kaum genutzt, ist heute aber der wichtigste Rohstoff für Kerzen, erklärt Stefan Thomann vom Europäischen Kerzenverband. Über das Jahr hinweg werden aus Paraffin – oft auch im Gemisch mit pflanzlichen Wachsarten – Kerzen hergestellt. Weihnachten, so Thomann, ist die wichtigste Saison des Jahres. Die Lieblingsweihnachtskerzen der Deutschen seien Adventskranzkerzen, Kerzen im Glas und Teelichte, die meist über Discounter wie Aldi oder Lidl verkauft werden. Deutschlands Lieblingskerzenhändler ist und bleibt aber IKEA.Die Kerzenproduktion – früher eine Zunft, heute ein Riesengeschäft
Bei solchen Zahlen muss Franz Fürst lachen. Er ist Wachsziehermeister in der fünften Generation, der letzte Wachsziehermeister Münchens und verkauft gezogene Kerzen, die mit Hilfe eines sehr alten Verfahrens hergestellt werden. Pro Stunde könne man in seiner Werkstatt einen zwei Zentimeter breiten, 220 Meter langen Kerzenstrang produzieren, der so aussieht wie ein Seil, das um eine Trommel gewickelt ist. Dieses Wachsseil müsse im Anschluss per Hand geschnitten, in Farbe getunkt und gespitzt werden. Bei einem Betrieb wie dem von Fürst entstehen an einem Tag maximal 1.000 Kerzen. Industriell gefertigte Kerzen und gezogene Kerzen sind für ihn nicht vergleichbar.Ein Handwerk über Generationen: Wachszieherei Fürst
Das Büro von Wachsziehermeister Fürst ist im Münchner Süden. Mitten in einer Wohnsiedlung steht sein dunkelrotes Häuschen, das sich kaum von den Häusern rundherum unterscheidet. Nur das goldene Schild am Eingang mit dem Namen „Wachszieherei Fürst“ weist auf das alte Handwerk hin, mit dem sich Franz Fürst beschäftigt. In seinem Büro im Erdgeschoss schreibt er gerade an Aufträgen für Weihnachten.Sein Betrieb existiert schon seit 1862, erzählt er. In der Zeit sei schon vieles passiert. Die jüngste Vergangenheit sei geprägt von Schicksalsschlägen. Seinen Verkaufsladen am Münchner Dom konnte er wegen zu hoher Miete nicht halten. Eigentlich wollte Franz Fürst daraufhin alles hinschmeißen, wären nicht seine Angestellten gewesen, die ihm halfen. Mittlerweile macht er im kleinen Stil weiter.
Was es bei der Kerzenherstellung zu beachten gibt
Sein Leben lang hat Fürst Wissen über Kerzen gesammelt. Schon als Kind spielte er in der Werkstatt seiner Familie. Das größte Geheimnis eines Kerzenbetriebes sei die Wachszusammensetzung, erzählt er. Seine Kerzen bestehen aus Paraffin, Stearin, Hartwachs, Bienenwachs und einer Geheimzutat, die in einem ledergebundenen Buch festgehalten ist. Die will er auf keinen Fall verraten.Und der Umweltaspekt von Kerzen?
Für den Menschen selbst sei eine abbrennende Kerze im Zimmer nicht schädlich, weiß der Wachsziehermeister. Wie viel CO2die verschiedenen Wachsarten verbrauchen, ist aber nicht bekannt, erzählt Kerzenverbandsvertreter Thomann.Es komme sowohl auf die Herstellung, den Transportweg aber auch auf die Art des Wachses an. Palmwachs gehe teils mit Brandrodung einher und Paraffin ist ein fossiles Produkt. Bienenwachs von der Imkerei aus der Nachbarschaft sei vielleicht ökologisch die beste Variante – für die Industrie sei das aber keine Alternative. Bienenwachs mache als Rohstoff aktuell weniger als ein Prozent aus, man müsse es überall auf der Welt einsammeln und die Kosten wären viel zu hoch, meint Thomann.
Es ist also nicht einfach, eine komplett nachhaltige Kerze zu ergattern. Alle Varianten haben Vor- und Nachteile. Vielleicht sollte man es daher so handhaben wie die Stammkund*innen von Franz Fürst. Die leisten sich an Weihnachten wenige, aber dafür hochwertige Kerzen – und freuen sich über das einzigartige, warme Licht.