Umwege | Magdeburg
Lieber bunt statt grau

Farbig leuchtende Hausfassaden, bunte Verzierungen und um die Fenster Schnörkel und Dekor: expressionistische Hausfassaden in der Otto-Richter-Straße in Magdeburg.
Farbig leuchtende Hausfassaden, bunte Verzierungen und um die Fenster Schnörkel und Dekor: expressionistische Hausfassaden in der Otto-Richter-Straße in Magdeburg. | Foto (Detail): © Adobe

Bauhaus trifft auf Plattenbau und Hundertwasser trifft auf Gotik: Magdeburg ist eine wirklich „bunte Stadt“. Zwei Superstars sind ganz in der Nähe aufgewachsen.
 

Von Daniel Hinz

Farbig leuchtende Hausfassaden, expressionistische Verzierungen, um die Fenster Schnörkel und Dekor – in der Otto-Richter-Straße in Magdeburg wurde in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Vision Realität. Grau in graue Steinkästen? Magdeburg hatte einen anderen Plan: „Farbe ist Lebensfreude“ hieß das Motto des Architekten und damaligen Stadtbaurats Bruno Taut. Rund 80 Hausfassaden in der Innenstadt hat man seinerzeit neugestaltet. Das farbige Bauen prägt die Stadt bis heute.

Die bunten Fassaden waren nur ein kleiner Teil der Baumaßnahmen, die vor 100 Jahren die Stadt veränderten. Der 1919 als Bürgermeister ins Amt gewählte Hermann Beims wollte er in erster Linie neue Wohnungen schaffen, die „die Ansprüche auf Gesundheit, auf Wohlbefinden, auf Sonne, auf gute Luft, auf gute Kinderspielplätze und Grünanlangen“ befriedigten. In wenigen Jahren entstanden mehrere neue Siedlungen im Bauhaus-Stil, darunter auch die Herrmann-Beims-Siedlung mit rund 2000 Wohnungen. Was man von außen nicht sehen kann: Innen waren die Wände in jedem Zimmer in einer anderen Farbe gestrichen.

Die architektonische Vielfalt in Magdeburg ist beeindruckend: Bauhaus, Expressionismus, die obligatorischen DDR-Plattenbauten – und sogar Gründerzeithäuser. Zum Beispiel am Hasselbachplatz, wo sich auch die Kneipenmeile befindet: Perfekt zum Einkehren, wenn es dunkel wird in der Elbstadt. Das vermutlich markanteste Bauwerk der Stadt ist jedoch der Magdeburger Dom, ein gotischer Kirchenbau, der sogar ein paar Jahre älter ist als der Kölner Dom und die Innenstadt überragt. In dessen Nachbarschaft findet sich gleich die nächste architektonische Besonderheit: Die Grüne Zitadelle, entworfen vom Künstler und Architekten Friedensreich Hundertwasser, hat kaum einen rechten Winkel, stattdessen kurvige Wände und schiefe Säulen.

Wenn sich die Augen an all den kontrastreichen Gebäuden sattgesehen haben, gibt es auch noch die Natur. Die Seen, die Elbe, die Stadtparks – nicht ohne Grund heißt es, Magdeburg sei eine der grünsten Städte Deutschlands, Sommerrodelbahn inklusive. Die steht auf dem ehemaligen Deponieberg im Elbauenpark und bietet 452 Meter Strecke. 40 Kilometer die Stunde kann man da erreichen.

Die Pop-Band Tokio Hotel stammt übrigens aus Magdeburg. Die Zwillings-Superstars Tom und Bill Kaulitz, mittlerweile in Los Angeles zuhause, sind unweit in einem Dorf aufgewachsen. Ganz so viele gute Erinnerungen haben die beiden zwar nicht an die Stadt, aber in einem Interview sagte Bill, es sei auch Liebe da. Die Liebe zu Magdeburg finden – zu diesem Ort in Sachsen-Anhalt mit dem Ruf einer Provinzstadt und dem Status einer Landeshauptstadt: Nicht nur für Architektur-Liebhaber*innen lohnt sich der Versuch.

UMWEGE

Was bedeutet Görliwood, warum findet man in Bayern ein Stück Karibik und wo könnt Ihr vor Schaufelradbaggern tanzen? In unserer Serie nehmen wir Euch jeden Monat mit an einen Ort in Deutschland, den Ihr vielleicht noch nicht kennt, aber unbedingt kennenlernen solltet. Wir zeigen Euch Orte, die von der üblichen Touristenroute abweichen. Seid Ihr bereit für einen kleinen Umweg?

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