Rosinenpicker
Baustelle Berlin

Ein etwas anderer Berliner Architekturführer: Der junge Grafikdesigner Leander Zerwer hat für die Jahre zwischen 1946 und 2022 einen bunten Architektur-Steckbrief geschaffen.

Von Holger Moos

Zerwer: Berlin baut © © Hatje Cantz Zerwer: Berlin baut © Hatje Cantz
Der 2002 geborene Leander Zerwer ist im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg aufgewachsen und hat am Lette Verein Grafikdesign studiert. Seine Abschlussarbeit ist nun unter dem Titel Berlin baut in Buchform erschienen. Ab 1946, das mit einer Ansicht des in Trümmern liegenden Berlins illustriert wird, hat Zerwer für jedes Jahr ein Bauwerk ausgewählt und visuell stark vereinfacht, aber sehr ansprechend auf ein oder zwei Seiten im Comicstil porträtiert. Begleitet werden die Illustrationen von kleinen Infokästen, deren Inhalt knapp über Architekt*innen, Stil, Funktionen, Lage, Historie und Besonderheiten informiert.

Für 1947 steht der Sendemast Berlin-Britz, der im Lauf der Jahre immer höher wuchs und auch technisch aufgerüstet wurde, damit der Sender Freies Berlin trotz der Störsender der DDR seine Radiosendungen sowie die des RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) ausstrahlen konnte.

Architektur als Systemfrage

Mit dem Bau der Berliner Mauer 1961 wurde die Teilung der Stadt zementiert. Für Zerwer weist die Zeit danach architektonische Unterschiede, aber auch Parallelen auf. Eine grundlegende Gemeinsamkeit war, dass beide Teilstädte zu architektonischen „Schaufenstern ihres Staates und des jeweiligen Systems“ wurden. Im Osten entstanden „Arbeiterpaläste“, etwa die Wohnhochhäuser WBS 70 aus dem Jahr 1975, und Bauten im Stil der sozialistische Moderne: 1962 der so geannte Tränenpalast, 1969 der Fernsehturm am Alexanderplatz und 1976 der Palast der Republik, um einige zu nennen, oder der sozialistischen Postmoderne, wie etwa der 1984 erbaute Friedrichstadt-Palast. Im Westen fielen in die Zeit zwischen 1961 und 1989 repräsentative und legendäre Bauten wie die Philharmonie (1963), das Hauptgebäude der Technischen Universität Berlin (1965), die Neue Nationalgalerie (1968) oder der Flughafen Berlin-Tegel (1974).

Für das Jahr des Mauerfalls hat Zerwer ein randständiges Bauwerk ausgewählt, den U-Bahnhof Hönow, der damals Endpunkt der Linie U5 war und hinter der Berliner Stadtgrenze lag. Was die ostdeutschen Stadtplaner damals noch nicht ahnen konnten: Heute beginnt dort der Zubringerradweg ZR1 zum Europaradweg R1, der von London über die Benelux-Staaten, Deutschland, Polen, das Baltikum und Russland bis nach Helsinki führt.

Farbenfroher Steckbrief

In den Jahren nach dem Mauerfall hat Zerwer einige sehr berühmte Beispiele herausgepickt wie etwa das von Daniel Liebeskind entworfene Jüdische Museum (1999), den Berliner Hauptbahnhof (2006) oder das Humboldt Forum im Berliner Schloss (2021). Doch es sind auch weniger bekannte Bauwerke dabei: der Elektronenspeicherring BESSY II (1998) beispielsweise, oder der Alfred-Lion-Steg (2011).

Zerwers Buch ist ein äußerst farbenfroher Steckbrief der Baugeschichte der deutschen Hauptstadt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, den man beim nächsten Berlin-Besuch sehr gut zur Hand nehmen kann, um die Stadt zu erkunden.
  • Berlin baut, 1957 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 1955 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 1963 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 1969 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 1974 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 1999 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

  • Berlin baut, 2020 © Leander Zerwer / Hatje Cantz

 
Rosinenpicker © © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank
Leander Zerwer: Berlin baut. 1946 bis heute
Berlin: Hatje Cantz, 2022. 164 S.
ISBN: 978-3-7757-5335-7

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