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Ist die Wahrheit fünf Millionen wert?

Ein Mann mit Elektroden an seinem Kopf
© mauritius images / Yulia Koltyrina / Alamy / Alamy Stock Photos

In Ursula Poznanskis neuem Thriller kämpfen 100 Menschen gegen einen Lügendetektor und um fünf Millionen Euro Preisgeld. Die Bedingung: Immer die Wahrheit sagen.

Von Roswitha Budeus-Budde

„Die Wahrheit kann dich reich machen, die Lüge lässt deine schlimmsten Ängste wahr werden.“ Ursula Poznanski prüft in ihrem neuem Thriller Scandor nicht nur die Moral ihrer Hauptfiguren, sondern auch die ihrer Leser*innen. Denn was bedeutet Wahrheit in ihrem raffinierten Plot, in dem sie die Computer-Spielewelt einer Battle Royal vom Bildschirm in die Realität überträgt? In dieser Realität sucht die Firma VeriTech 100 Menschen, die ihren neuen Lügendetektor namens Scandor, abgeleitet von Candor – Ehrlichkeit, Offenheit – testen sollen. Das Gerät, am Handgelenk befestigt, hört den Träger ab, scheint ihn ständig zu beobachten. Und über das Handy kann er mit ihm korrespondieren. Wem es gelingt, eine bestimmte Zeit ohne Lüge zu überstehen, erhält 5 Millionen Euro als Siegesprämie. Doch alle, die versagen – und das werden 99 Teilnehmende sein – erwartet eine Strafe. Sie müssen ein Ereignis bewältigen, vor dem sie sich im Leben am meisten fürchten.

Poznanski: Scandor (Buchcover) © Loewe


Unter den 100 scheinbar zufällig ausgesuchten Teilnehmer*innen, die zum Einführungsevent der Firma VeriTech kommen, sind zwei Hauptakteure. Philipp, der Student, nimmt teil, weil ihn seine Freundin Rafaela dazu auffordert. Jetzt will er sie beeindrucken. Und Tessa ist dabei, die sich mit Gelegenheitsjobs als Bedienung und in einem Callcenter über Wasser hält. Wenn sie siegt, will sie dafür sorgen, dass ihre Familie endlich von einem hartherzigen und tyrannischen Onkel finanziell unabhängig wird.

Alle Teilnehmenden erhalten eine Nummer und einen Code-Namen, und schon beginnt ein großer, gemeiner und hinterhältiger Tanz ums Geld. Denn hier geht es nicht nur darum, gezielte Lügen zu vermeiden, sondern auch darum, in einem normalen Gespräch die Wahrheit zu sagen. So scheidet Nummer 04 – Sporty, eine Fitnesstrainerin – schon am ersten Tag aus, als sie einer Kursteilnehmerin weismachen will, dass sie in kurzer Zeit so aussehen wird wie sie. Sie müsse sich nur mehr anstrengen.  Lüge!!! Oder Nummer 40, Nebelfuchs, fällt raus, weil er in der U-Bahn jemandem auf den Fuß tritt und sich entschuldigt, mit „Es tut mir leid“, was aber nur als Floskel gemeint ist.

Meisterin des Psychothrillers

Tessa, die sehr genau begriffen hat, dass es hier nicht nur um gezielte Lügen, sondern um ihre ehrlichen Gedanken und Gefühle geht, verliert gleich ihren Job in einem Restaurant, als sie übergriffigen männlichen Gästen die Wahrheit sagt. Und Philipp entfremdet sich immer mehr von Rafaela, weil er ihre zum Spiel gestellten Fragen nicht beantworten darf und, wenn sie ihm zu persönlich werden, auch nicht beantworten will. Denn die schwierigsten Prüfungen sind die von der Organisation befohlenen Challenges, in denen die Teilnehmer gezwungen werden, persönliche Geheimnisse zu offenbaren.

Ursula Poznanski beweist in Scandor erneut ihr Können als Meisterin des Psychothrillers. Bis zur Hälfte der Geschichte präsentiert sie immer wieder kurze Episoden, die zeigen, wie Teilnehmer straucheln, weil sie sich als dumm, gierig oder gemein entpuppen. Danach entwickelt sich die Handlung zunehmend aus den Begegnungen zwischen Philipp und Tessa, die sich ganz vorsichtig annähern, auch, weil sie sich die Wahrheit sagen. Und nun gemeinsam auf die finale Jagd gehen, denn die wenigen verbliebenen Teilnehmenden werden schließlich aufeinander angesetzt. Das endet in einem großen spannenden Showdown, mit einer völlig überraschenden Wendung.
 
Ursula Poznanski: Scandor
Bindlach: Loewe 2024. 448 S.
ISBN: 978-3-7432-1659-4

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