Christoph Schlingensief vol.2
Schlingensief wies auf schwierige, nicht aufgearbeitete, durchaus unbequeme Themen hin und brach dabei jede Konvention, um zum Kern der Sache zu kommen. Er trieb ein intellektuelles, brillantes und vielschichtiges Spiel mit dem Zuschauer, das von absurdem Humor mit zahllosen Anspielungen und Assoziationen gefärbt war. Er sagte oft, dass er genau wie sein Vater, der Pharmazeut war, den Zuschauern eine kleine Dosis Gift verabreicht, um bei ihnen die Krankheiten unseres Zeitalters für immer zu heilen.
Porträt des Künstlers
© Filmgalerie 451
Filme und Beschreibungen
Serie von Animatographen (2001, 8 Min.)
The African Twin Towers (Tagebuchfilm, 2005-2009, 70 Min.)
Dauer: 78 Min.
Der Animatograph ist eine Installation von Schlingensief, eine Drehbühne mit Elementen vom Bühnenbild, Alltagsgegenständen und Bildschirmen für Filmvorführungen. Zum ersten Mal setzte der Künstler den Animatographen bei der Inszenierung von Wagners Oper „Parsifal‟ in Bayreuth 2004 ein. Kurz darauf gestaltete er den Animatographen in eine Drehbühne um, die überall hin leicht transportiert, rekonstruiert und um neue ortsspezifische Inhalte ergänzt werden konnte. Der Animatograph entstand aus dem Bedürfnis, das Publikum aktiv einzubeziehen, damit es vom passiven Empfänger zum aktiven Mitgestalter wird, denn die Zuschauer nahmen an der Aufführung teil, indem sie im Animatographen herumspazierten und ihr eigenes Stück kreierten.
Der Film „The African Twin Towers‟ handelt von einem abgehobenen Regisseur, der von Christoph Schlingensief verkörpert wird. Der Film spielt in Namibien, der ehemaligen deutschen Kolonie in Südwestafrika. Grundlage für das Drehbuch war der Versuch, in afrikanischen Slums die Terrorattacken auf das World Trade Center zu rekonstruieren. Im Film geht es auch um Wagner, Kolonialismus und den Kampf von Schlingensief als Künstler gegen sich selbst. „The African Twin Towers‟ ist eine Mischung aus Dokumentar-, Spiel- und Experimentalfilm. Das Wahre mischt sich hier mit dem Falschen und das Leben – mit der Kunst.
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Hinter der Bühne (18.01.2004, 24 Min.)
Dauer: 87 Min.
Nach den Attacken auf das World Trade Center stieg Schlingensief in die Diskussion über Terrorismus ein. Aus seinen Ideen entwickelten sich die Theatertrilogie „ATTA ATTA‟, ein Kunstkongress, eine Reihe von performativ gemalten Bildern und sogar ein Film. All diese Tätigkeiten bilden das Phänomen „attaistische Kunst‟, die laut des Künstlers ein Versuch sein sollte, die endgültigen Barrieren in der Kunst durch puren Aktionismus zu brechen. „Der Attaismus‟ wies viele Gemeinsamkeiten mit der Totalkunst auf – er beeinflusste den Zuschauer nicht nur in der Galerie, im Theater oder im Kinosaal, sondern durchdrang sein Leben und seine Welt. Der Künstler suchte nach der Antwort auf die Frage, wie man effektive Kunst schaffen soll, die sich letztendlich nicht als Verbrechen oder Terrorakt entpuppen würde. Er fragte sich, ob Kunst als Waffen, eine Kunst, die aber nicht zum Propagandawerkzeug wird und die Unabhängigkeit des Künstlers nicht beschränkt, überhaupt möglich ist.
„Erster Attaistischer Film‟ ist die Aufzeichnung einer Performance – einer nächtlichen Wanderung einer Gruppe elegant angezogener Menschen durch Berlin, begleitet von Musikanten in Volkstrachten.
„Hinter der Bühne‟ ist ein kurzer Dokumentarfilm, der die Volksbühne hinter den Kulissen kurz vor Beginn des Stückes „Atta Atta – Die Kunst ist ausgebrochen‟ zeigt.
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Christoph Schlingensief – Interview (2001, 15 Min.)
Folge 2: Joseph Beuys + Indien (2000, 35 Min.)
Folge 7: Afrika (2001, 29 Min.)
Dauer: 122 Min.
Wenn ihr jemals Lust hattet, in der U-Bahn etwas Verrücktes zu tun. Leider realisierte Schlingensief schon alle diese Ideen.
In der achtteiligen Talkshow „U3000‟, ausgestrahlt auf MTV in Deutschland, übernimmt Christoph Schlingensief die dreifache Rolle des Regisseurs, Drehbuchautors und Moderators. In jeder der Folgen verkleidete er sich als eine überraschende Persönlichkeit, u.a. als hedonistischer Fernsehmoderator, als Jesus oder Revolutionär. Die Sendung wurde in den rasenden Waggons der Berliner U-Bahn gedreht: zufällige Passagiere, die neben deutschen Musikstars, AIDS-Kranken oder sozialleistungsempfangenden Familien saßen. Die geladenen Gäste kannten die Themen der Sendung vorher nicht, was darin resultierte, dass sie in der unerwarteten Situation ihre oft xenophobe oder snobistische Weltanschauung und Lebenseinstellung verrieten. Scheinbar besteht „U3000‟ aus chaotischen und absurden Szenen, die im rasanten Tempo gezeigt werden, in der Wirklichkeit handelt es sich jedoch um eine scharfsinnige Kritik des Staates, der Gesellschaft, der Institutionen und Medien.
Die für die Vorführung ausgewählte Folge „Tausend Theorien‟ dient als Einführung in das Konzept des Formats und bietet die größte Dosis von unsinnigen Situationen. Die zweite Folge bezieht sich auf einen der für Schlingensief wichtigsten Künstler, Joseph Beuys. Die letzte widmet sich Afrika, der Inspirations- und Faszinationsquelle des Regisseurs.
Eine Filmdokumentation der Aktion von Schlingensief im Rahmen der Wiener Festwochen, die im Jahr 2000, kurz nach dem Wahlgewinn der österreichischen rechtspopulistischen FPÖ stattfand. Inspiriert von der Aussage eines EU-Abgeordneten zur Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Konzentrationslagern in Österreich, schlug der Künstler vor, einen Isolationsort mitten in Wien zu errichten. Schlingensief zielte darauf ab, eine Parallele zwischen Konzentrationslagern und dem damals populären Fernsehformat Big Brother zu ziehen. Zum Programm wurden 12 Flüchtlinge eingeladen, die eine Woche lang im Container wohnten und von Kameras mit Internetübertragung beobachtet wurden. Die Zuschauer stimmten täglich ab, welcher Teilnehmer das Programm verlassen und damit abgeschoben werden soll. Der Gewinner sollte eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Bis zum Ende wussten die Zuschauer nicht, ob die Teilnehmer echte Flüchtlinge waren und ob die Abschiebung derjenigen, die das Programm verließen, tatsächlich stattfand. Der Aktion von Schlingensief folgte eine öffentliche Debatte über das Verhältnis der Österreicher zu Ausländern und zur Migrationspolitik. Angesichts der Flüchtlingskrise in Europa wurde diese Arbeit wieder sehr aktuell.
Begleitprogramm
An den Vorführungen haben teilgenommen: Produzent und Freund Frieder Schlaich (Filmgalerie 451 Berlin), Dramaturg Carl Hegemann (Volksbühne), sowie die Theaterwissenschaftlerinnen Dr. Joanna Puzyna-Chojka (Universität Danzig) und Dr. Anna R. Burzyńska (Jagiellonen-Universität).
Weitere Gäste: Henning Naas (Volksbühne Berlin), Dr. Monika Wąsik (Universität Łódź), Dr. Iwona Kurz (Universität Warschau), Dr. Christiane Fröhlich (Universität Hamburg, Universität Sabanci), Aleksandra Chrzanowska (Stowarzyszenie Interwencji Prawnej), Maciej Nowicki (Helsińska Fundacja Praw Człowieka)
Impressum
Goethe-Institut Warschau
Stadt Danzig
Nowy Teatr
Centrum Sztuki Współczesnej Łaźnia
Partner:
Konsulat Generalny Republiki Federalnej Niemiec w Gdańsku
Filmegalerie 451
Dies war ein Projekt im Rahmen des deutsch-polnischen Jubiläumsjahres 2016 WIR FEIERN! organisiert vom Goethe-Institut und der Deutschen Botschaft Warschau anlässlich des 25. Jahrestags der Unterzeichnung des Vertrags über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.