Viele deutsche Städte sind mittlerweile stolz auf ihre lebendige queere Community. Es gibt Bars, Clubs, Veranstaltungen und Initiativen, die queeren Menschen einen sicheren Raum bieten. Die Wege dorthin waren ganz unterschiedlich.
Von Jean Dumler
Am 28. Juni 1969 wehrten sich in der New Yorker Christopher Street beim Stonewall-Aufstand insbesondere Latinas und Schwarze gegen die wiederkehrenden Schikanen der Polizei in Kneipen mit homosexuellem und trans Publikum. Dieses Ereignis war für die LGBTQ+-Bewegung weltweit ein Wendepunkt im Kampf um Gleichbehandlung und Anerkennung. Hat es doch gezeigt, dass Sicherheit, Freiheit und Schutzräume nicht selbstverständlich sind, dass man sich mit aller Kraft dafür einsetzen muss.
Seitdem hat sich viel geändert. Deutschland zählt zu den zehn LGBTQ+ freundlichsten Ländern Europas, in den vergangenen Jahren hat sich die Lage sogar noch einmal verbessert. Das dokumentiert jedenfalls die jährlich veröffentlichte „Rainbow Map“ der Organisation Ilga-Europe.
Köln
Köln ist die queere Hochburg in Deutschland. Bestes Beispiel: Der jährliche Christopher Street Day (CSD) zieht verlässlich mehr als 950 000 Menschen in die nordrhein-westfälische Domstadt. Laut einer von der Stadt beauftragten Studie aus dem Jahr 2019 identifizieren sich 10,6 Prozent der Kölner*innen als lesbisch, schwul, bisexuell, transgeschlechtlich oder intergeschlechtlich, also als Teil von LGBTQ+. Diese Zahl liegt auch deutlich über den Bundesdurchschnitt (6,9 Prozent). Anders als andere Städte hat Köln keine große Clubkultur. Die LGBTQ+-Community ist hier älter und eingesessener, Queerness gab es in der Stadt am Rhein schon immer, was die vielen jährlichen CSD-Besucher besonders anrührt.
Berlin
Die deutsche Hauptstadt gilt in den meisten Reiseführern und Online-Foren als eine der LGBTQ+-freundlichsten Städte Europas. Nicht ohne Grund: Die queere Identität der Metropole reicht bis in die Weimarer Republik zurück und wird bis heute offen gelebt. Neben dem CSD gibt es zahlreiche weitere einschlägige Stadt- und Parkfeste, Paraden und Demonstrationen. Die Kinos, Bars und Clubs, vor allem rund um den Nollendorfplatz im Berliner Stadtteil Schöneberg, laden ein breites Publikum zu queeren Veranstaltungen ein. Das so genannte Tuntenhaus, ein alternatives Wohnprojekt im Prenzlauer Berg konnte dank des Einsatzes der Bewohner*innen und des Stadtbezirks vor dem Verkauf an einen Investor gerettet werden. Queerness findet sich auch im öffentlichen Nahverkehr: Seit Ende 2020 sagt der trans Synchronsprecherin Philippa Jarke die einzelnen Haltestellen an.
Hamburg
Hamburg hat ebenfalls eine lebhafte LGBTQ+-Szene. Den Stadtteil St. Georg kennt man wegen seiner queeren Bars und Clubs. Die berühmte Ausgehmeile Reeperbahn ist die Heimat der deutschlandweit bekannten Dragqueen Olivia Jones. Auch der FC. St. Pauli mit seinem Stadion direkt an der Reeperbahn heißt seit Jahren queere Menschen im Verein willkommen und kämpft immer wieder für mehr Sichtbarkeit der LGBTQ+-Community im Sport. Kein Wunder, dass sich viele queere Menschen in der norddeutschen Hansestadt wohlfühlen und hier ihren Anker werfen.
Leipzig
Nicht nur in westdeutschen Großstädten wird der CSD gefeiert, auch überall sonst im Land versuchen Menschen, sexuelle Vielfalt sichtbar zu machen – beispielsweise in Erfurt, Zwickau, Magdeburg und Jena. Die queeren Gruppieren sind dort oft im Kampf gegen rechtsextreme Kräfte und können ihre Paraden nur mit Hilfe von Spenden auf die Beine stellen. Der Sehnsuchtsort für viele queere Personen im Osten Deutschlands ist Leipzig. Der dortige CSD ist die größte Pride-Veranstaltung in der Region und zieht jedes Jahr Tausende Menschen an. Auch sonst hat sich Leipzig über die Jahre zu einer LGBTQ+-freundlichen Stadt entwickelt, vor allem im alternativen Stadtteil Connewitz.
München
München war vor etwa 40 Jahren eine Metropole für die LGBTQ+-Community. Sogar der Star und Sänger der Gruppe Queen Freddy Mercury lebte einige Jahre in München und war Dauergast in den Bars und Diskotheken im damals heruntergerockten Glockenbachviertel. Die Erinnerung an diese Zeit ist an manchen Ecken der Stadt noch spürbar und kulturelle Räume und Angebote gibt es ebenfalls weiterhin. Aber die Queerfreundlichkeit Münchens gerät seitens konservativer Kräfte in Bayern deutlich unter Druck. Drag-Shows werden angefeindet, Gendersternchen verboten, ehemalige Szenekneipen geschlossen. All dies hält die queere Community aber nicht davon ab, einen – stets gut besuchten – CSD durchzuführen. Für die jüngere Generation ist dennoch eine andere Stadt in Süddeutschland mittlerweile das LGBTQ+ freundliche Zentrum: Stuttgart.