Literatur
Von kleinen Hexen und großen Geistern
Die Erzählungen seiner Kindheit bildeten die Basis für die Bücher Otfried Preußlers. Seine Geschichten über kleine Hexen und Wassermänner, den Räuber Hotzenplotz, die Witwe Schlotterbeck und Krabat wurden zu Welterfolgen.
Otfried Preußler war Volksschullehrer und übte den Beruf bis 1970 knapp zwei Jahrzehnte lang aus. Schon während seiner Referendarzeit begann der gebürtige Sudetendeutsche 1951 Hörspiele für den Kinderrundfunk zu schreiben. Als er 1956 sein erstes Buch Der kleine Wassermann veröffentlichte, hatte er schon 13 Radio-Stücke geschrieben.
Der kleine Wassermann wurde schnell zum Riesenerfolg. Das Buch handelt von einem Jungen mit grünen Haaren und Schwimmhäuten zwischen den Zehen. Der kleine Wassermann geht mit seinem Vater und dem Karpfen Cyprinus auf Entdeckungsreise unter Wasser, lernt Menschen kennen und erlebt viele Abenteuer. Als es Winter wird und der heimische Mühlenweiher einfriert, geht die Wassermannfamilie schlafen.
Wie für die meisten seiner Bücher bezog Preußler die Inspiration dazu aus Erzählungen seiner Kindheit. Die Anregung für sein zweites Buch Die kleine Hexe aus dem Jahr 1957 bezog Otfried Preußler allerdings nach eigener Aussage aus den Gute-Nacht-Geschichten, die er seinen Töchtern abends vorlas, um ihnen die Angst vor Hexen zu nehmen.
Die kleine Hexe wurde zu einem gigantischen Verkaufshit und in 47 Sprachen übersetzt. Die Erzählung handelt von der kleinen Hexe, die den Hexenrat gegen sich aufbringt, weil sie nicht böse ist und stattdessen gute Taten vollbringt. Zur Strafe wird sie dazu verdonnert, das Holz für den Scheiterhaufen in der Walpurgisnacht zusammenzutragen. Sie rächt sich, indem sie den großen Hexen „das Hexen abhext“ und deren Zauberbücher und Besen herbeizaubert, die sie als Scheiterhaufen für die Walpurgisnacht verwendet.
Im Jahr 1962 entschloss sich Otfried Preußler, eine Kasperlegeschichte zu schreiben, nachdem er mit seinem damals geplanten Buchprojekt Krabat nicht so recht vorangekommen war. Die Entscheidung sollte sich lohnen, denn Der Räuber Hotzenplotz wurde ihm von den Lesern förmlich aus den Händen gerissen. Obwohl Preußler ursprünglich nur ein Hotzenplotz-Buch schreiben wollte, ließ er die Erzählungen Neues vom Räuber Hotzenplotz und Hotzenplotz 3 folgen. Die Geschichten von Großmutters Kaffeemaschine, Kasperl, Seppel, dem Zauberer Petrosilius Zwackelmann, Dimpfelmoser, der Witwe Schlotterbeck und Hotzenplotz erzielten eine weltweite Gesamtauflage von über sechs Millionen Exemplaren.
Auf Das kleine Gespenst, das 1966 veröffentlicht wurde, war Otfried Preußler durch Erzählungen seiner Großmutter gekommen, die ihm während seiner Kindheit von der „weißen Frau“ erzählt hatte, die das Schloss ihrer Väter beschützt habe. Preußler machte aus der „weißen Frau“ das nachtaktive „kleine Gespenst“, das unbedingt die Welt bei Tageslicht sehen will und dadurch allerlei Turbulenzen auslöst. Auch diese Preußler-Erzählung endet positiv: Als das Gespenst vom Mondlicht getroffen wird, wendet sich alles zum Guten.
Noch bevor Otfried Preußler sein drittes Hotzenplotz-Buch veröffentlichte, schrieb er 1971 den Krabat zu Ende, an dem er mit Unterbrechungen zehn Jahre lang gearbeitet hatte. Die Geschichte basiert auf der sorbischen Volkssage von Krabat aus dem 17. Jahrhundert und erzählt von dem gleichnamigen Jungen, der Lehrling eines ominösen Zaubermeisters wird und sich gegen dessen finstere Machenschaften behaupten muss. Am Ende siegt die Liebe über die dunklen Mächte. Krabat wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet und mehrfach verfilmt, zuletzt von Marco Kreuzpaintner im Jahr 2008.
Bereits 1972 schrieb Otfried Preußler ein Buch, das Kindern demonstrieren sollte, dass Frauen genauso befähigt sind wie Männer und mehr können als lediglich den anstrengenden Haushalt zu führen. In Die dumme Augustine lernt der „dumme August“, dass seine Frau genauso gut ein Clown im Zirkus sein kann wie er.
Süddeutsche Zeitung, 20.03.2013