ZERO-WASTE-KÜCHE UND DACHGARTEN
Von Wischapas Pimm-achsorn
Die FAO schätzt, dass etwa ein Drittel aller Lebensmittel, die weltweit für den menschlichen Konsum produziert werden – d.h. etwa 1,3 Milliarden Tonnen – jedes Jahr entlang der Wertschöpfungsketten verloren geht oder verschwendet wird. Lebensmittelverschwendung bedeutet eine Verschwendung von Energie, Wasser und Ressourcen, die in den Anbau, die Ernte, den Transport und die Verpackung fließen. Und wenn die Lebensmittel dann auf der Müllhalde landen und dort verrotten, wird Methan produziert – ein Treibhausgas, das über 80-mal klimaschädlicher ist als Kohlendioxid. Etwa 6 %–8 % aller vom Menschen erzeugten Treibhausgase werden durch Lebensmittelabfälle freigesetzt. In Thailand machen Lebensmittelabfälle 64 % des gesamten Müllaufkommens aus, und ein einzelner Mensch erzeugt 254 kg Lebensmittelabfälle im Jahr.
Lebensmittel, die nicht verkauft oder verzehrt werden, werden als „überschüssige“ Lebensmittel bezeichnet. Nur ein sehr kleiner Teil davon geht an Lebensmittelbanken, wird an Tiere verfüttert, für industrielle Zwecke recycelt oder ordnungsgemäß kompostiert. Der Großteil landet als Lebensmittelabfall auf Deponien oder in Verbrennungsanlagen, im Abfluss, oder verrottet ganz einfach.
Die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) sind eine Sammlung von 17 miteinander verbundenen globalen Zielsetzungen, die 2015 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN-GA) formuliert wurden und bis 2030 erreicht werden sollen. Ziel 12 „Verantwortungsvoller Konsum und verantwortungsvolle Produktion” oder „die Sicherstellung von nachhaltigen Konsum- und Produktionsmustern” hat die Zielvorgabe 12.3, die besagt, bis 2030 die weltweite Pro-Kopf-Nahrungsmittelverschwendung auf Einzelhandels- und Verbraucherebene zu halbieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Nahrungsmittelverluste einschließlich Nachernteverlusten zu verringern.
Anlässlich des 160. Jubiläums der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen von Thailand und Deutschland luden die Deutsche Botschaft Bangkok und das Goethe-Institut Thailand am 26. November 2022 daher gemeinsam mit Green Alliance 14 Gäste zu einem „Zero-Waste-Küche und Dachgarten"-Workshop in der Bibliothek des Goethe-Instituts ein. Die Teilnehmer*innen brachten überschüssige Zutaten, die das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht erreicht hatten, von zuhause mit. In der Bibliothek kreierte Küchenchef Boom, Ronnaharn Chongwiwatchit, Besitzer eines Street-Food-Restaurants und Betreiber eines Food-Blogs und des Kanals „Soydangpak”, damit ein neues Gericht. Im Anschluss statteten sie dem von Veerawan Katanyuvivad in der Soi Sathorn 13 betriebenen Biogemüsebau „Baanrim Rooftop Farm” einen Besuch ab. Diese beiden Aktivitäten sollten Bewusstsein für verantwortungsvollen Konsum schaffen, indem überschüssige Lebensmittel zu einer Mahlzeit und nicht zu Müll werden. Außerdem wurde nachhaltige Produktion durch Verringerung der Lebensmittelverschwendung in der Lieferkette, z.B. beim Verpacken, Transport und der Verarbeitung, vermittelt.
Überschüssige Lebensmittel werden von Küchenchef Chef Boom in leckere Köstlichkeiten verwandelt
| © Goethe-Institut Thailand / Fotos: Supachai Saingam
Die 14 Teilnehmenden und die Mitarbeiter*innen fuhren in zwei Gruppen in Tuk-tuks zur Baanrim Rooftop Farm, einem Biogemüsebetrieb auf dem offenen Dach eines Wohnhauses in Sathorn. Auf zwei Dachterrassen und einem Zwischengeschoss mit einer Gesamtfläche von etwa 400 Quadratmetern werden sieben Salatsorten und anderes Wintergemüse wie Grünkohl, Radieschen, Mangold usw. in Hochbeeten mit Erde angebaut. Auf Pflanzenschutzmittel und chemische Düngemittel wird verzichtet. Schädlingen wird auf umweltfreundlichere Weise vorgebeugt: durch Vogelnetze, Fruchtfolge von Sorten unterschiedlicher Farben, und den Anbau nicht-heimischer Sorten, die weniger anfällig sind für Schädlinge und Krankheiten als heimische Sorten. Selbstgemachte Bioextrakte aus fermentierten Früchten, Fischen und Bananenrhizomen versorgen das Gemüse mit Nährstoffen und behandeln Pilzbefall. Veerawan Katanyuvivad erzählte uns, dass der Dachgarten ursprünglich von ihrer Tante angelegt wurde, um nach ihrer Pensionierung mit dem Anbau von Biogemüse zu experimentieren. Hilfe bekam sie dabei von Veerawan Katanyuvivads Vater, der eine Baufirma leitet. Seit dem Tod ihrer Tante führen deren Nichten und Neffen die Farm und somit ihren Traum weiter.
Veerawan Katanyuvivad, Betreiberin der Baanrim Rooftop Farm, gibt Einblicke in die Biolandwirtschaft
| © Goethe-Institut Thailand / Fotos: Supachai Saingam
Die Baanrim Rooftop Farm ging vor sieben Jahren in Betrieb und produziert seit fünf Jahren Gemüse für den Verkauf. Zwischendurch galt es große Hindernisse wie Hitze, Sturm und Schimmel zu bekämpfen. Heute produziert die Baanrim Rooftop Farm das ganze Jahr über durchgehend Gemüse. Bestellungen können über die LINE-App getätigt werden, geliefert wird in die angrenzenden Bezirke. Dass das Biogemüse mit großer Sorgfalt auf der ganzen Linie angebaut wird, sieht man: die Ernte sieht ansprechend aus, sodass vor dem Verkauf nichts weggeschnitten wird. Die nach der Ernte in der Erde verbliebenen Wurzeln werden eingesammelt und kompostiert, bevor neu angebaut wird.
Salate wachsen ohne den Einsatz von Chemikalien oder Pflanzenschutzmitteln
| © Goethe-Institut Thailand / Fotos: Supachai Saingam
Nach dem Besuch des Dachgartens kehrte die Gruppe in die Bibliothek zurück, wo sie eine Kochshow mit Chefkoch Boom erwartete. Die Teilnehmer*innen hatten rohe Sojabohnen und Erdnüsse, frische Chilis und Limetten, Zucker, Salz, braunen Reis, Chinakohl, Spaghetti und Penne, Salami, Vollkornbrot, Kakaopulver, Zartbitterschokolade, knusprige Schweineschwarten, Mirin, Hüttenkäse, Honig, Röstschalotten und Essiggurken mitgebracht. Daraus kreierte Küchenchef Boom ein alternatives Menü mit dem Namen „Khao Soi Goethe". Anstelle von Khao Soi-Nudeln verwendete er Spaghetti und Penne und bereitete eine Khao Soi-Suppe mit Currypaste aus Currypulver, auf nordthailändische Art gebratenen Chilischoten, Schalotten, Knoblauch in Pandanblättern und geröstetem braunen Reis zu. Anstelle von Sojasauce wurde Zartbitterschokolade verwendet, um der Suppe ihre dunkle Farbe zu geben, und gesüßt wurde mit Honig statt Kokosblütenzucker. Mit einem Topping aus frittierten Spaghetti und Limettenzeste wurde „Khao Soi Goethe" mit Salami, Brot, Limetten, Schalotten und Essiggurken (statt eingelegtem Blattgemüse) serviert. Als weiterer Gang folgte ein Gericht aus Sojabohnen- und Erdnussgebäck, getoppt mit Chilipaste und frittierten Schalotten, und garniert mit knuspriger, mit einer Sauce aus Nama, Mirin und Zartbitterschokolade überzogenen Schweineschwarte, bestreut mit Kakaopulver und Puderzucker.
Wäre die Zeit nicht zu kurz geworden, hätte Chefkoch Boom gerne einen Salat aus gegrilltem Chinakohl und Hüttenkäse gemacht. Chefkoch Boom erzählte uns, dass aufgrund des kühleren Klimas in Nordthailand lieber zuhause gekocht und gegessen wird, und so hat jeder Haushalt seine eigenen Rezepte. Khao Soi ist ein nordthailändisches Gericht, das von den Gewürzen der Perser, die mit China Handel trieben, inspiriert ist. Somit ist auch “Khao Soi Goethe” ein eigenständiges Rezept.
Kochshow von Chefkoch Boom in der Bibliothek des Goethe-Instituts: Kao Soi, knusprige, mit Zartbitterschokolade überzogene Schweineschwarte und Mirin-Sauce und Erdnusscracker
| © Goethe-Institut Thailand / Fotos: Supachai Saingam
Während der Show zeigte Chefkoch Boom verschiedene und vielseitig einsetzbare Techniken für die Auswahl der Zutaten und den Umgang mit Lebensmitteln, angefangen bei der Wahl der passenden Salz- und Chilisorte je nach Gericht und Vorlieben, über das Karamellisieren von Zucker und das richtige Schmelzen von Schokolade, bis hin zum Anrichten und appetitlichen Präsentieren der Speisen, um alle Sinne anzusprechen: Optik, Geruch, Geschmack und Textur.
Beide Aktivitäten boten den Teilnehmer*innen, die Kocherfahrung und -leidenschaft sowie Interesse am Gemüseanbau für den Eigenbedarf mitbrachten, Informatives und gute Unterhaltung. Die Teilnehmenden nahmen sich von dem Workshop nicht nur Biogemüse mit nach Hause, sondern auch neues Bewusstsein für nachhaltige Produktion und nachhaltigen Konsum sowie genussvolle Eindrücke einer großartigen gemeinsamen Mahlzeit.
Die Teilnehmer*innen genießen das gemeinsame Essen in der Bibliothek, die sich in einen kreativen Treffpunkt verwandelt hat
| © Goethe-Institut Thailand / Fotos: Supachai Saingam