Deutscher Weihnachtsmarkt 2024
“Der Prozess beginnt damit, lokale Gemeinden zu inspirieren”

Das Goethe-Institut Thailand veranstaltete auch in diesem Jahr in Zusammenarbeit mit der Thai-Deutschen-Kulturstiftung (TDKS) einen lebendigen deutschen Weihnachtsmarkt. Mit einer vielfältigen Auswahl an Ständen und einem festlichen Programm, das deutsche und thailändische Kultur nahtlos miteinander verband, zog der Markt zahlreiche BesucherInnen an.
Das Herzstück des diesjährigen Weihnachtsmarktes war der, von WISHULADA gestaltete, nachhaltige Weihnachtsbaum. Im Interview erzählt die Künstlerin, wie sie mit ihrem sozialen Unternehmen kreative Wege zur Wiederverwertung von Materialien entwickelt und warum ökologische Verantwortung eine zentrale Rolle in ihrer Arbeit spielt. Dabei berichtet sie von den Ideen und Überlegungen, die den umweltfreundlichen Baum zu einem Ausdruck ihrer künstlerischen Vision gemacht haben.
Helena Lang: Kannst du uns etwas über den kreativen Prozess und das Konzept hinter dem nachhaltigen Weihnachtsbaum erzählen, den du für den diesjährigen deutschen Weihnachtsmarkt des Goethe-Instituts Thailand gestaltet hast?
WISHULADA: Für die Gestaltung des Weihnachtsbaums ließ ich mich vom Echten Hopfen inspirieren, einer wichtigen Zutat beim deutschen Bierbrauen. Diese Pflanze verleiht dem Bier nicht nur das Aroma und die Bitterkeit, sondern dient auch als natürliches Konservierungsmittel und hat medizinische Eigenschaften, die Stress sowie Ängste lindern können. Sie symbolisiert körperliches und geistiges Wohlbefinden und ist somit eine perfekte Metapher für die Weihnachtszeit – eine Zeit, in der Freude und Zuversicht im Mittelpunkt stehen, während wir das Jahr ausklingen lassen.
Die für dieses Projekt verwendeten Materialien bestehen vollständig aus wiederverwerteten Gegenständen und entsprechen unseren Nachhaltigkeitszielen. Dazu zählen die Förderung eines inklusiven, umweltfreundlichen Wirtschaftswachstums, die Gewährleistung eines nachhaltigen Konsums und einer verantwortungsvollen Produktion, die Bekämpfung des Klimawandels sowie die Stärkung einer umweltbewussten Entwicklung. Das Konzept basiert auf erneuerbarer Kunst und Design und konzentriert sich auf das Umdenken, Reduzieren, Wiederverwenden sowie Wiederbeleben. Ziel ist es, bestehende Gegenstände für neue Zwecke bei Feierlichkeiten umzuwidmen, die Abfallerzeugung zu verlangsamen und den Ressourcenverbrauch zu minimieren. Der Weihnachtsbaum kann daher nach der Veranstaltung für das Recycling oder die Wiederverwendung abgebaut werden.
Insgesamt flossen in dieses Projekt 1.200 Milchkartons, 100 Plastikflaschen, über 10.000 Aluminiumdeckel, 200 Getränkedosen sowie das alte Gerüst vergangener Weihnachtsbäume des Goethe-Institut Thailands. Außerdem wurde, um die Farben der Materialien zu erhalten und zur Geltung zu bringen, auf zusätzliches Einfärben der Konstruktion verzichtet.
HL: Wie bindet WISHULADA als soziales Unternehmen lokale Gemeinschaften in den kreativen Prozess ein und arbeitet mit anderen Organisationen zusammen, um Materialien für Projekte zu beschaffen?
W: Der Prozess beginnt damit, lokale Gemeinden zu inspirieren und den Wert gebrauchter Materialien zu erkennen. Wir arbeiten eng mit ihnen zusammen, um die Materialien zu waschen, zu sammeln, zu sortieren, zu verkaufen und in etwas Neues zu verwandeln. Jeder Schritt des Prozesses erzeugt wirtschaftlichen Mehrwert – von der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Verteilung von Einkommen bis hin zur Vermittlung von Fertigkeiten und der Förderung einer künstlerischen Perspektive, die Freude und Achtsamkeit in das Leben der Menschen bringt.
Unser Fokus liegt zudem darauf, durch Praktiken wie Mülltrennung, die Nutzung wiederverwendbarer Gegenstände wie Wasserflaschen und Stofftaschen sowie einen achtsamen Umgang mit Lebensmittelportionen zu weniger Verbrauch und mehr Recycling anzuregen. Letztendlich zielt unsere Arbeit darauf ab, das Bewusstsein für unsere Konsummuster zu schärfen. Jedes von uns geschaffene Werk spiegelt die schiere Menge an Abfall wider, die wir in nur wenigen Tagen produzieren, und fordert die Menschen auf, ihre Beziehung zu Materialien und Konsum neu zu denken.
HL: Im September hast du an einer vom Goethe-Institut unterstützten Networking-Reise nach Deutschland teilgenommen: Wie hat diese Erfahrung dein Verständnis von nachhaltiger Produktion im Kulturbereich geprägt, und gab es zentrale Erkenntnisse oder Momente, die einen bleibenden Eindruck bei dir hinterlassen haben?
W: Die Reise nach Deutschland war unglaublich inspirierend, da sie mir die Möglichkeit bot, mich mit KünstlerkollegInnen aus der ganzen Welt zu vernetzen und Wissen sowie Ideen zu Themen der Nachhaltigkeit auszutauschen. Diese Gespräche haben meinen Horizont erweitert und mir neue Perspektiven auf nachhaltige Praktiken im Kulturbereich eröffnet. Jeder Moment der Reise war bereichernd, doch am meisten beeindruckte mich Deutschlands starkes Bestreben, Kunst in den Alltag zu integrieren. In allen Regionen Deutschlands wird Kunst nicht nur geschätzt, sondern auch als Mittel eingesetzt, um Geschichten zu erzählen und sich mit den Herausforderungen der Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen – ein Ansatz, der sich sehr mit meiner eigenen künstlerischen Praxis und Philosophie deckt.
HL: Welche Unterschiede oder Gemeinsamkeiten sind dir während deiner Zeit in Deutschland zwischen den dortigen und den thailändischen nachhaltigen Praktiken aufgefallen?
W: Mir ist aufgefallen, dass das Land ein sehr starkes und gut organisiertes Abfallmanagementsystem hat. Umweltbewusstsein ist tief im Alltag verankert, und es ist bewundernswert, wie ernst Deutschland das Thema Nachhaltigkeit nimmt. Der Einsatz von Technologien zur Handhabung und Verwertung verschiedener Arten von Abfällen ist ein wichtiger Schwerpunkt. In Thailand haben wir zwar auch eine Politik, die dem Umweltschutz Priorität einräumt, aber der Ansatz ist ein anderer. Wir legen mehr Wert auf die Kombination von Altmaterialien mit traditionellem thailändischem Wissen, insbesondere durch Kunsthandwerk, Kunst und Design. Diese Betonung der Wiederverwendung von Materialien auf kreative Weise spiegelt unsere einzigartige kulturelle Perspektive auf Nachhaltigkeit wider. Während beide Länder sich den Umweltzielen verpflichtet fühlen, hat jedes seinen eigenen, von kulturellen und regionalen Unterschieden geprägten Ansatz im Umgang mit Umweltfragen.
HL: Wie siehst du die Rolle der Kunst bei der Bewältigung globaler Herausforderungen wie Abfallwirtschaft und Nachhaltigkeit?
W: Kunst spielt hierbei eine entscheidende Rolle, da sie als wirkungsvolles Kommunikationsmittel dazu beiträgt, diese komplexen Themen für die Öffentlichkeit zugänglicher und verständlicher zu machen. Wir bei WISHULADA glauben, dass alles um uns herum ein Produkt kreativer Arbeit ist – sei es die Kleidung, die wir tragen, die Autos, die wir fahren, oder die Gebäude, in denen wir leben. Dieses Verständnis bringt mit sich, dass KünstlerInnen und DesignerInnen die Verantwortung tragen, Nachhaltigkeit in ihre kreativen Prozesse zu integrieren. Indem wir sowohl künstlerische Ästhetik als auch ökologische Aspekte berücksichtigen, können wir Werke schaffen, die in allen Phasen umweltfreundlich sind – von der Konzeption bis zur Produktion und darüber hinaus. Dieser Ansatz reduziert den Einsatz neuer Ressourcen und maximiert das Potenzial recycelter Materialien, wodurch sichergestellt wird, dass unsere Arbeiten einen positiven Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten.
HL: Wie sehen die zukünftigen Projekte oder Ziele von WISHULADA aus? Gibt es bevorstehende Projekte, von denen du uns berichten möchtest?
W: Derzeit sind wir Teil der Bangkok Art Biennale 2024 und stellen ein Werk in der Chao Fah Arts Gallery der Nationalgalerie Thailand aus. Darüber hinaus arbeiten wir an einem neuen Projekt, bei dem thailändische Handwerkstechniken kombiniert werden, um Abfallmaterialien in Gegenstände von neuem Wert zu verwandeln. Dieses Projekt wird in Zusammenarbeit mit Christian Dior realisiert und ab dem 8. Dezember 2024 im Dior Gold House in Ploenchit gezeigt. Wir freuen uns über die Möglichkeit, weiterhin in der Lage zu sein, Kreativität mit Nachhaltigkeit zu vereinen und diese Werke einem breiten Publikum zu präsentieren.
HL: Danke, dass du uns von deinen Erfahrungen berichtet und uns Einblicke in eure Arbeitsweise gewährt hast! Wir sind gespannt auf die künftigen Projekte WISHULADAs!
W: Vielen Dank! Es war mir eine Freude meine Eindrücke mit euch zu teilen!