Nicolas Mahler
Zeichne mir Kafka

Nicolas Mahler: „Komplett Kafka“
Nicolas Mahler: „Komplett Kafka“ | © Nicolas Mahler, Suhrkamp Verlag

Nicolas Mahler ist Comiczeichner, und im Kafka-Jubiläumsjahr 2024 erscheint sein Buch „Komplett Kafka“ im Suhrkamp Verlag und tourt als Ausstellung. Ulrich Fügener vom Goethe-Institut Lyon hat Nicolas Mahler fünf Fragen gestellt – ein Interview über Comics, Kafka, Komik und die Düsternis.

Von Nicolas Mahler und Ulrich Fügener

Nicolas Mahler, könnten Sie uns bitte kurz Ihren Werdegang und ihre Arbeitsphilosophie schildern?

Ich bin 1969 in Wien geboren und hatte nach der Schulzeit keinen Plan, was ich machen könnte. Mit der Aufnahme in eine Kunsthochschule hat es trotz mehrerer Anläufe nicht geklappt. Mein Hauptinteresse ging damals schon in Richtung Comic beziehungsweise Humorzeichnung. Anfang der 1990er-Jahre, als ich mich bei den Kunsthochschulen beworben habe, war das in den Augen der Unterrichtenden das absolut Schlimmste und künstlerisch Wertloseste, was man machen konnte. Da wurde man schnell abgewimmelt mit dem Hinweis, dass man mit „low art“ auf einer Kunsthochschule nichts verloren hat.

Irgendwie hat mich das aber auch angespornt, extra starrköpfig weiterzumachen. Abgesehen davon, dass mir nichts anderes einfiel, was ich hätte machen können. Ich habe dann begonnen, einfach ohne Ausbildung mir alles selbst beizubringen und meine Sachen bei Zeitungen anzubieten. Das war mühsam, aber es ging irgendwie … Bis zur ersten Buchpublikation hat es dann aber noch über zehn Jahre gedauert. Damals war das frustrierend, die ganzen Absagen zu sammeln, jahrelang. Rückblickend muss ich aber sagen, dass es diese zehn Jahre auch gebraucht hat, bis sich ein Stil entwickelt hat, mit dem ich meine Ideen umsetzen konnte.


Inwieweit ähnelt Ihr minimalistischer Zeichenstil dem von Kafka?

Schon früher ist bei Besprechungen meiner Bücher immer wieder einmal der Vergleich mit den Zeichnungen Kafkas gefallen. Ich habe das eigentlich nicht hinterfragt, obwohl mir die Zeichnungen von Kafka von den Buchumschlägen bekannt waren. Seine Zeichnungen fand ich immer sehr gut, sehr einfach und prägnant. Natürlich kann man Ähnlichkeiten sehen, weil es Strichfiguren ohne Mimik sind. Bei der Arbeit an der Kafka-Biografie sind mir die Ähnlichkeiten erst richtig bewusst geworden, und es war eine große Freude, damit zu spielen.

Was hat Sie an Kafka gereizt? Welche Sicht haben Sie auf ihn?

Einige meiner Bücher sind Bearbeitungen klassischer Literatur. Und nachdem ich letztendlich doch immer auf das Komische hinarbeite, eignen sich Vorlagen am besten, die das Humoristische schon in sich tragen. Ich will ja keine Parodie auf ein todernstes Werk machen, sondern bestimmte komische Aspekte, die in einem Text schon liegen, für mich nutzen.

In Kafka steckt das Komische.

Das besonders Reizvolle an Kafka war (neben dem zeichnerischen Aspekt), dass er ja als sehr düsterer Autor wahrgenommen wird, aber das Komische bei ihm natürlich auch drinsteckt. Die Verwandlung zum Beispiel ist ja eigentlich ein humoristischer Sketch voller Witzfiguren, auch wenn es auf manche sehr bedrückend und gar nicht lustig wirkt. Das Komische und das Düstere zu verbinden, hat natürlich einen großen Reiz.

An das Werk welches Literaten machen Sie sich als nächstes? Oder wieder eine Geschichte nach eigenem Szenario?

Im Moment ist nichts geplant. Meistens ergibt sich das ganz zufällig. Ich bin jetzt erst einmal mit Kafka ganz gut beschäftigt. Nach über einem Jahr, das ich mit dem Lesen von Kafkas Texten (und Texten über Kafka) und dem Schreiben und Zeichnen meines Kafka-Buchs verbracht habe, ist es eine gute Abwechslung, die Ausstellungen zeigen zu können und an Veranstaltungen teilzunehmen. Ich sehe das als „Auslüften“, bevor ich mich dann wieder für längere Zeit für das nächste Buchprojekt wegsperre.

Welche Bücher und Comics lesen Sie gerne?

Bei Büchern habe ich eine seltsame Vorliebe für ein Genre, das im Literaturbetrieb so richtig verachtet wird, ähnlich wie früher Comics: Ich lese mit Begeisterung Autobiografien, egal ob gut oder schlecht. Leider sind die meisten tatsächlich nicht gut, aber sogar die schlechten unterhalten mich irgendwie, oder verärgern / enttäuschen mich auf inspirierende Weise. Und irgendeine bemerkenswerte Anekdote findet sich in fast jeder. Ich bin ein großer Verfechter des Anekdotischen; auch etwas, das im Literaturbetrieb total negativ besetzt ist. Comics lese ich im Moment gar nicht so viel, begeistert hat mich zuletzt Shigeru Mizuki, ein japanischer Zeichner, der ab den 1960er-Jahren publiziert hat und dessen Werke jetzt nach und nach auf Deutsch erscheinen (bei Reprodukt).
 

Poster-Ausstellung in Thailand

Die Ausstellung „Komplett Kafka“ wird im Rahmen des Unfolding Kafka Festivals vom 1. bis 21. November 2024 an der Neilson Hays Library zu sehen sein.

Weitere Informationen
 

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