Migration begleiten: Hand in Hand, über Grenzen hinweg
Nach zwei Jahren Laufzeit ist das Projekt „Vorintegration in den Regionen Südostasien und Südosteuropa“ im Juni 2020 zu Ende gegangen. Die entstandenen Materialien sollen bald Migrant*innen aus allen Teilen der Welt nutzen können.
Als die Indonesierin Isna diesen sympathischen Geschäftsmann aus Deutschland kennenlernte, wusste sie gleich, dass sie mit ihm ihr Leben verbringen wollte. Sie wand sich für einen Sprachkurs an das Goethe-Institut in Jakarta – und erfuhr dort von einer Beraterin auch, welche Schritte sie gehen muss, um zu heiraten, ein Visum zu bekommen und einen Integrationskurs zu besuchen.
Auch Goran möchte in Deutschland leben. Der Informatiker aus Serbien ist mit einer Landsfrau verheiratet und wünscht sich ein gutes Leben für seine Kinder. Aber zuhause verdient er – gemessen an den Lebenshaltungskosten – wenig. Viele seiner Freunde sind deshalb schon ausgewandert. Jetzt hat er sich auch selbst eine Stelle bei einer deutschen Firma gesucht und ein Visum beantragt. Bei einer Informationsveranstaltung des Goethe-Instituts in Belgrad wurde er in seinem Vorhaben bestärkt.
Migrant*innen auf das Leben in Deutschland vorbereiten
Menschen wie Isna oder Goran, die sich schon in ihren Heimatländern auf das Leben in Deutschland vorbereiten möchten, finden Unterstützung bei den Goethe-Instituten vor Ort. Seit 2007 ist die Institution im Feld der so genannten Vorintegration aktiv. Seit 2013 stehen dabei neben nachziehenden Ehegatt*innen auch Erwerbsmigrant*innen im Fokus. Während sich diese Arbeit von 2014 bis 2017 auf Standorte in Südostasien konzentrierte, fanden in den vergangenen zwei Jahren auch in der Region Südosteuropa Beratungen, Seminare und Informationsveranstaltungen statt.Angebote ausbauen
Auch das Goethe-Institut Istanbul, das bereits 2014 im Feld der Vorintegration engagiert war und viele Heiratsmigrant*innen auf das Leben in Deutschland vorbereitet, hat seine Arbeit im Projektzeitraum vorangetrieben. Mitarbeiterin Gülseren Güleryüz erzählt: „Viele unserer Teilnehmenden kommen zu uns, weil sie die A1-Prüfung für ihr Visum brauchen. Sie haben nur ihre Liebe für einen Menschen im Blick, aber dann merken sie hier am Goethe-Institut, dass sie auch das Leben in ihrer neuen Heimat lieben werden. Sie verlieren ihre Berührungsängste und fangen an, sich auf die Ausreise zu freuen. Und sie schließen hier auch Freundschaften, die sie in Deutschland weiterführen können.“
Voneinander lernen
Die neuen Standorte des Vorintegrationsprojekts profitierten besonders vom Austausch mit den „Erfahrenen“. Dr. Nemanja Vlajkovic vom Goethe-Institut Belgrad, das auch die Vorintegrationsarbeit in Montenegro betreut, erklärt: „Als Lehrkräfte, Fortbildner*innen und Lehrwerksautor*innen wussten wir zu Projektbeginn noch nicht genau, was in der Beratung auf uns zukommt. Es war faszinierend, zu sehen, wie wir unsere Arbeit in diesem Bereich Schritt für Schritt entwickeln konnten“.„Mein Deutschlandheft“ – Mini-Begleiter für Zuwandernde
Die Krise und ihre Folgen
Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Institutsschließungen stellten die Projektmitarbeitenden vor große Herausforderungen.So entwickelten die Mitarbeitenden in Südosteuropa zusammen mit dem Team in der Zentrale früher als geplant den Onlinekurs „Mein Deutschlandkurs“, der auf dem Deutschlandheft basiert und ebenfalls sowohl zum Selbstlernen als auch für den Einsatz in Seminaren verwendet werden kann.
Entwicklung von Online-Formaten
Auch die Beratungs-, Seminar- und Informationsangebote fanden während der Institutsschließungen an den unterschiedlichen Standorten online statt. So entstanden auch neue Formate wie Beratungen über Instagram Live. „Die Kolleg*innen haben sehr schnell reagiert und super Arbeit gemacht“, betont Irina Ottow, die das Projekt als Referentin für Vorintegration in der Zentrale des Goethe-Instituts in München begleitet.
Neue Zielgruppen durch virtuelle Angebote
Mit den Online-Angeboten konnten die Goethe-Institute auch Interessierte aus weiter entfernten Städten und ländlichen Regionen erreichen, die Präsenzangebote wegen der langen Anfahrtszeiten nicht hätten nutzen können. Und teilweise gelang es den Projektmitarbeitenden etwa durch gezielt platzierte Ankündigungen und leicht verständliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen im Videoformat sogar, auch diejenigen Teilnehmenden dafür zu gewinnen, die im Internet zuvor nur soziale Netzwerke oder Nachrichtendienste genutzt hatten. „Unsere Klientel nutzt vor allem Facebook, Instagram und WhatsApp. Online-Seminare zu besuchen war für viele unserer Teilnehmenden vor Corona undenkbar. Es war sehr aufregend für uns, zu erleben, dass hier Hürden gefallen sind und die Teilnehmenden sich auf die neuen Formate eingelassen haben“, sagt Gülseren Güleryüz.Sie hat diese Zeit als sehr emotional erlebt: „Wenn wir Veranstaltungen im Internet durchführen, sehen wir die Gesichter der Teilnehmenden vielleicht nicht, aber wir spüren sie. Und wenn wir sie bitten, ihre Kameras anzuschalten, zeigen sie ihre Herzen mit der Hand. Denn sie wollen unbedingt nach Deutschland und wir lassen sie mit diesem Wunsch nicht allein. Wir unterstützen sie mit unserem Wissen und geben Anstöße, damit die Integration schon vorher in den Köpfen beginnt.“
Die Bedeutung der Vorintegration: Belegt und anerkannt
Die Studie stieß in der Politik auf Aufmerksamkeit. Im März 2020 nahm Angela Merkel sie beim Integrationsgipfel vom Präsidenten des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, entgegen. Im Nationalen Aktionsplan Integration der Bundesregierung, den die Kanzlerin auf der Konferenz vorstellte, wird die Vorintegrationsarbeit des Goethe-Instituts ebenso gewürdigt. Die Ausweitung der aktuellen Projekte des Goethe-Instituts wird als Kernvorhaben genannt und das Web-Portal „Mein Weg nach Deutschland“, das in einem der Vorgängerprojekte entstanden ist, mittlerweile in 30 Sprachen zur Verfügung steht und jährlich durchschnittlich weltweit circa 700.000 Zugriffe verzeichnet, wird als Best Practice-Beispiel aufgeführt.
Ein Blick in die Zukunft
Im Juni 2020 ist das Projekt „Vorintegration in den Regionen Südostasien und Südosteuropa“ ausgelaufen. Das Folgeprojekt wurde beim Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der Europäischen Union mit einer Laufzeit von zwei Jahren beantragt.Wie in der Studie empfohlen, soll das Vorintegrationsprojekt auf die Regionen Nordafrika/Nahost und Südamerika ausgeweitet werden. Darüber hinaus sollen Elemente der Vorintegrationsarbeit nach Möglichkeit über das beantragte Projekt hinaus auch weltweit ausgerollt werden.
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